Stefan Engstfeld: „Lassen Sie uns auch in Ruhe die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten“

Antrag der FDP zu Glücksspiel und Sportwetten

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Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vorneweg: Natürlich stimmen auch wir der Überweisung des Antrags in die Ausschüsse zu. In der Sache stehen wir aber kritisch zu Ihrem Antrag. Warum? – Ich nenne Ihnen drei Kritikpunkte.
Erstens. Der Antrag hat aus unserer Sicht eine Schräglage. Das wird daran deutlich – das haben meine Vorrednerinnen und mein Vorredner auch schon erwähnt –, dass Sie alleine auf die Eilentscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2015 Bezug nehmen. Das Gericht hat in seinem Urteil dem Glücksspielkollegium, also dem Koordinierungsgremium der Bundesländer in der Glücksspielregulierung, eine ausreichende demokratische Legitimation abgesprochen. Das Gericht hat die Übertragung der verbindlichen Entscheidung über die Vergabe der Sportwettenkonzessionen auf das Glücksspielkollegium als verfassungswidrig angesehen.
Aber nur ein paar Tage vorher – das wurde erwähnt –, am 25. September 2015, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof genau andersherum geurteilt. Er hat nämlich festgestellt, dass die Verfassungskonformität des Glücksspielkollegiums gegeben ist.
(Zuruf von Dr. Björn Kerbein [FDP])
Zuvor hatten außerdem, Herr Kollege, mehrere Verwaltungsgerichte und auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 12. Mai dieses Jahres die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Vergabe von Sportwettenkonzessionen bestätigt. Wenn wir in diesem Hause also über die Verfassungskonformität des Glücksspielstaatsvertrages debattieren, müssen wir schon alle Urteile, die ergangen sind, mit in Betracht ziehen. Das tun Sie in Ihrem Antrag nicht.
Das gilt zumindest für die beiden Entscheidungen aus Bayern und Hessen, die ja sehr gegensätzlich ausgefallen sind. Diese beiden Urteile schaffen – wenn ich mir als Nichtjurist an dieser Stelle einmal eine Bemerkung erlauben darf – aus meiner Sicht eher Rechtsunsicherheit als Rechtsklarheit. Deswegen wäre eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht oder auch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hier wünschenswert.
Zweitens frage ich Sie – das haben wir auch schon thematisiert –: Warum diese Eile? Die Europäische Kommission hat Deutschland im EU-Pilotverfahren einen Fragenkatalog zukommen lassen, der dazu dient, die deutschen Glücksspielregelungen intensiver zu beleuchten und am Ende zu bewerten. Deutschland ist dieser Anfrage durch Mitteilungen im Oktober dieses Jahres nachgekommen. Eine Reaktion der Europäischen Kommission auf diesen Antwortkatalog von Deutschland ist zumindest mir nicht bekannt. Warten wir doch erst einmal ab, wie sich Brüssel dazu äußert, und beziehen das in eine Bewertung der Sachlage mit ein.
Warten wir des Weiteren ab, was der im Glücksspielstaatsvertrag angelegte Evaluierungsbericht der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder hervorbringt. Dazu dient schließlich der Evaluierungsmechanismus, der schon im Gesetz implementiert ist.
Lassen Sie uns auch in Ruhe die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten. Dort geht es um den Fall einer Wirtin aus dem bayerischen Sonthofen, die in ihrer „Sportsbar“ über einen Spielautomaten Sportwetten eines österreichischen Anbieters vermittelt haben soll, der keine deutsche Lizenz hatte, und deswegen vor dem Amtsgericht in Sonthofen steht. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfte doch erst in einigen Monaten zu erwarten sein. Warum also diese Eile?
Drittens: der Jugend- und Spielerschutz. Sie fordern in Ihrem Antrag den Verzicht auf eine quantitative Begrenzung der Sportwettenkonzessionen bei gleichzeitiger Erweiterung der Lotterievermittlung. Das erscheint uns aus suchtfachlichen Aspekten doch recht problematisch zu sein; denn wenn wir das täten, käme es unserer Ansicht nach zu einer über die bisherigen Regelungen hinausgehenden Ausweitung des risikobehafteten Glücksspielangebots. Warum sollten wir das denn, bitte schön, tun?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend gesagt, besteht aus unserer Sicht aktuell kein Anlass, das Konzept des Glücksspielstaatsvertrags im Ganzen zu hinterfragen. Einige Kritikpunkte an Ihrem Antrag habe ich Ihnen dargelegt und für die anstehende Beratung in den Fachausschüssen mit auf den Weg gegeben. – Ich freue mich auf die weitere fachliche Auseinandersetzung und bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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