Stefan Engstfeld: „In einer alternden Gesellschaft braucht die junge Generation eine starke Stimme“

Gesetzentwurf von SPD und GRÜNEN zur Absenkung des Wahlalters

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Stefan Engstfeld (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum bringen wir diesen Gesetzentwurf ein? Es sind ja drei Fraktionen.
(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])
Ich bin der Piratenfraktion sehr dankbar, dass sie ihren Gesetzentwurf zurückgezogen und sich unserem Gesetzentwurf angeschlossen hat. Ich glaube, das ist der Sache dienlich und sehr hilfreich.
Warum machen wir das? Weil wir bis zum Ende der Legislaturperiode jede Möglichkeit und jede Chance nutzen wollen, dass unsere Jugendlichen, die 16- bis 18-Jährigen, hier in Nordrhein-Westfalen an unserer Demokratie und an unseren demokratischen Spielregeln partizipieren können. Das ist jede Mühe wert. Deswegen machen wir das.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Wir machen das auch, weil wir in diesem Hohen Hause eigentlich eine politische Mehrheit für die Einführung des Wahlalters 16 haben. Die SPD-Fraktion ist dafür. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, meine Fraktion, ist dafür. Die Piratenfraktion ist dafür. Das ist schon eine einfache Mehrheit.
In den Anhörungen der Verfassungskommission haben sich alle Sachverständigen und alle gesellschaftlichen Gruppen für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Landtagswahlen ausgesprochen. Wir haben dafür eine breite gesellschaftliche Mehrheit.
Ich habe keinen Kommentar in den Medien – egal in welchem Medium – gelesen, der sich kritisch gegenüber einem Wahlalter 16 gezeigt hätte. Warum gelingt es uns nicht – deswegen machen wir diesen Anlauf noch einmal –, diese politische Mehrheit, diese einfache Mehrheit in diesem Hohen Haus, diesen Rückenwind aus der Gesellschaft und diese positiven Kommentierungen in den Medien in verfassungsändernde Mehrheiten zu überführen? Das muss uns doch noch in dieser Legislaturperiode gelingen!
In der Verfassungskommission ist uns das nicht gelungen – da möchte ich den Kollegen Körfges unterstützen – letztlich aufgrund taktischer Motivation. Denn wir hatten eine Blockade von CDU- und FDP-Fraktion, die dadurch entstand, dass beide Fraktionen weder eigen- noch selbstständig in der Verfassungskommission agierten, sondern sich zusammengeschweißt und nicht mehr einzeln abgestimmt haben. Es gab ja durchaus Nuancen.
Ich habe die große Hoffnung, dass die CDU-Fraktion und gerade auch die FDP-Fraktion in diesem Beratungsprozess wieder zur Eigenständigkeit und Selbstständigkeit zurückfinden, damit es in dieser Legislaturperiode doch noch eine Lösung für die Einführung des Wahlalters von 16 Jahren gibt.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Meine Damen und Herren, Jugendliche sind heute wesentlich selbstständiger als vor vielen Jahren. Sie sind heute wesentlich mobiler. Sie sind kürzer an der Schule. Sie sind kürzer an der Universität. Sie besitzen auch früher einen Führerschein. Wir verlangen von den 16- bis 18-Jährigen heutzutage, eigenmächtig die Weichen für die Zukunft ihres persönlichen Lebens zu stellen. Wir verlangen teilweise, dass sie für das erste Semester an den Universitäten, für Ausbildung und für Arbeit die eigene Stadt und ihr Elternhaus verlassen.
Wenn das so ist und wenn wir ihnen so eine große persönliche Verantwortung für ihr Leben in die Hand legen, muss es doch auch möglich sein, dass sie die gleiche Verantwortung bei der Gestaltung des politischen und gesellschaftlichen Rahmens in diesem Land wahrnehmen dürfen. Das ist doch naheliegend.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Ich werde nie verstehen, warum unsere Demokratie in Nordrhein-Westfalen Jugendliche ausschließen will. Ich werde nie verstehen – dahinter steht vielleicht eine Grundannahme, die ich nicht teile –: Sollen Jugendliche etwa politisch dümmer als Erwachsene sein? Das kann doch nicht wahr sein. Nein, das ist so nicht.
(Beifall von Dagmar Hanses [GRÜNE])
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU- und der FDP-Fraktion, wer politisch interessiert ist, ist das nicht erst mit 18 Jahren. Das fängt doch wesentlich früher an. Sie haben bisher immer argumentiert – das ist mein letzter Punkt hier –, das Wahlrecht müsse man an die Geschäftsfähigkeit und an die Strafmündigkeit von 18 Jahren koppeln.
(Zuruf von den GRÜNEN: In anderen Bundesländern gilt auch das Wahlrecht ab 16!)
Zur Geschäftsfähigkeit möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Hinter der Geschäftsfähigkeit, die man in Deutschland mit 18 Jahren erlangt, steht ein Schutzgedanke. Jugendliche sollen a) vor krummen Geschäften und b) vor Vertragsabschlüssen geschützt werden, die sie nachher, weil sie das vielleicht nicht überblicken, schädigen. Das ist ein Schutzgedanke.
Das volle Strafrecht gilt erst ab 18 Jahren, weil es eine gewisse Schutzfunktion hat, sodass Jugendliche nicht sofort die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Diesen Schutzgedanken kann man doch nicht auf das allgemeine Wahlrecht übertragen. Denn wir müssen Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren in Nordrhein-Westfalen nicht vom Wahlzettel fernhalten. Sie sollen in unserer Demokratie mitmachen dürfen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Wir wollen sie einbinden. Denn viele politische Bereiche – ich nenne nur Schule und Sport – betreffen die Jugendlichen ganz direkt in unserem Land. Sie sollen mitbestimmen dürfen. In einer alternden Gesellschaft braucht die junge Generation eine starke Stimme.
Alles spricht dafür. Gehen Sie noch einmal in sich. Diskutieren Sie! Ich hoffe, dass wir eine konsensuale Lösung am Ende des Tages finden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

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