Stefan Engstfeld (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Vor 85 Jahren überfielen die deutschen Nationalsozialisten Polen – der Beginn des Zweiten Weltkriegs. In Polen fielen diesem Vernichtungskrieg fast 6 Millionen Menschen – ein Fünftel der polnischen Vorkriegsbevölkerung – zum Opfer, darunter 3 Millionen Jüdinnen und Juden. Wie kein anderer Ort wurde Auschwitz Symbol für das singuläre Menschheitsverbrechen der Shoah, die systematische Ermordung von Jüdinnen und Juden.
Dass wir heute in Nordrhein-Westfalen mit der Woiwodschaft Schlesien zusammenarbeiten und unsere freundschaftlichen Beziehungen weiter ausbauen, dass wir die partnerschaftliche Zusammenarbeit und den Austausch im regionalen Weimarer Dreieck mit Schlesien und Hauts-de-France stetig ausbauen, dass sich Jugendliche aus Polen, Frankreich und Nordrhein-Westfalen jedes Jahr auf dem Jugendgipfel begegnen und gemeinsam über europapolitische Themen diskutieren, das, meine Damen und Herren, ist auch der Bereitschaft der Menschen in Polen zu verdanken.
Diese Bereitschaft, sich trotz der unvorstellbaren Verbrechen, die Deutsche während des Zweiten Weltkriegs in Polen, gegen Polen und gegen die Menschen in Polen begangen haben, in einen jahrzehntelangen Aussöhnungsprozess zu begeben, nötigt mir wirklich den allergrößten Respekt ab.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Alle Bundes- und Landesregierungen haben sich für ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis mit Polen eingesetzt. Aber es brauchte viele Akteure aus Politik und Zivilgesellschaft, ihren Einsatz und ihre Vorstellungskraft, um eine Annäherung voranzubringen. Es brauchte Menschen, die sich für deutsch-polnisches Freundschaftsverhältnis eingesetzt haben, weil sie an eine gemeinsame Zukunft in einem friedlichen Europa glaubten.
Die Europäische Union ist das beste Beispiel für diese Vision von Frieden, Zusammenarbeit und Menschenrechten. Es war und ist ein Projekt der Völkerverständigung, das darauf abzielt, Herausforderungen und Konflikte durch Dialog und Zusammenarbeit zu lösen anstatt durch Gewalt und Zerstörung.
Dennoch wirken die Folgen des deutschen Überfalls auf Polen fort, und der Aussöhnungsprozess ist nicht abgeschlossen. Es ist unsere Verantwortung, auch gegenüber den Opfern, den Hinterbliebenen und den Überlebenden, das „Nie wieder“ mit Leben zu füllen, zu erinnern und dafür zu sorgen, dass die Erinnerung auch zukünftig wachgehalten wird.
Viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sind heute schon nicht mehr unter uns. Auch deshalb wird es immer wichtiger, eine aktive Erinnerungskultur zu pflegen und Initiativen mit Leben zu füllen – beispielsweise die Initiative der Landesregierung, anlässlich des 80. Jahrestags des Warschauer Aufstands eine Ausstellung nach Düsseldorf zu bringen und Erinnerungsorte zu schaffen.
Es gilt, vor allem junge Menschen zu erreichen, ihnen Wissen zu vermitteln und den Fortbestand der aktiven Erinnerungskultur zu sichern. Die deutsch-polnische Geschichte sollte Schülerinnen und Schülern im Unterricht begegnen. Denn erst das Wissen um die Geschichte ermöglicht ein würdiges Gedenken und ein gemeinsames Erinnern für die Zukunft.
Wir werden uns weiter dafür einsetzen, die deutsch-polnische Freundschaft mit Leben zu füllen und zu vertiefen, die Partnerschaft mit Schlesien fortzuentwickeln, den politischen Dialog fortzuführen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch zu ermöglichen und zwischengesellschaftliche Kontakte zu fördern.
Meine Damen und Herren, es lebe die deutsch-polnische Freundschaft. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)