Stefan Engstfeld: „Die Entwicklung der Gesellschaft bleibt leider bei diesem Gesetzentwurf außer Acht“

Zum Entwurf der Landesregierung zum Juristenausbildungsgesetz

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf ist leider keine grundlegende Reform des juristischen Studiums, sondern in weiten Teilen eine reine Reform des Gesetzes.

Das Jurastudium bleibt weiterhin konservativ gestaltet. Es lässt praktisch keinen Raum für neue Kurse und Rechtsgebiete und keinen Platz, um diese ernsthaft in das Lernprogramm zu integrieren. Aspekte der Digitalisierung, der Forschung und der Wissenschaftlichkeit bleiben untergeordnet bzw. werden nicht genügend berücksichtigt.

Der Gesetzentwurf bringt auch keine Entlastung der Studierenden – im Gegenteil: Stattdessen wird einer der belastetsten Studiengänge in Deutschland durch die hier vorgesehenen Änderungen noch belastender. Damit schafft man keine besseren Juristinnen und Juristen, sondern es wird nur das alte Konzept gestärkt: übermäßig vertiefte Kenntnisse auf den klassischen Gebieten auswendig zu lernen, um sie in falllösungsorientierten Aufsichtsarbeiten zu verwenden.

Eine Reform der juristischen Ausbildung muss die neuen Aspekte des modernen Lebens berücksichtigen, insbesondere die, die durch die Nutzung der digitalen Medien entstanden sind. Der Gesetzentwurf erwähnt lediglich am Rande die Digitalisierung und lässt mich dann doch mit Fragezeichen zurück. Die Berücksichtigung der Digitalisierung unseres Alltags wird nicht nur dadurch abgebildet, dass Legal Tech im Studium Berücksichtigung findet.

Die Digitalisierung revolutioniert unser Leben und wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf, von denen viele nicht einfach durch die klassischen Rechtsgebiete beantwortet werden können. Viele Rechtsgebiete rücken in den Mittelpunkt des juristischen Berufsalltags wie etwa das Medien- und Presserecht, der Datenschutz, das Internetrecht usw. Diese Entwicklung der Gesellschaft bleibt leider bei diesem Gesetzentwurf außer Acht.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Beteiligung von Hochschullehrenden an der staatlichen Pflichtfachprüfung aufgehoben wird. Es gibt in der Tat das Problem, einer Verpflichtung im geltenden Recht nachzukommen, nämlich dass bei der Bewertung der Aufsichtsarbeiten im Ersten Staatsexamen eine der Prüferinnen oder einer der Prüfer dem Personenkreis der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer angehören soll.

Anstatt aber Anstrengungen zu unternehmen, um eine angemessene Lösung zum Problem zu finden, sieht der Gesetzentwurf die Lösung in der Aufhebung dieser Verpflichtung. Das ist absurd, denn das Erste Staatsexamen ist der Abschluss des universitären Studiums selbst. Der Stoff und die Methode der Falllösungen werden an den Universitäten vermittelt. Die Erwartungen der Studierenden kann vor allem das Hochschulpersonal am besten einschätzen.

Dieser Gesetzentwurf bringt uns sicherlich nicht nach vorne; er ist eine Reform nach hinten. Das Motto bleibt nach wie vor eine übermäßige Vertiefung in klassischen Bereichen statt mehr Kenntnisse in verschiedenen, vor allem zeitgemäßen Rechtsgebieten.

Ein Professor einer Hochschule hat mir zusammenfassend – dem schließe ich mich an – dieser Tage in einer Mail geschrieben – ich zitiere –: Ab Ende des Jahres werden wir nur noch die klassischen Juristenfächer unterrichten können. Damit sind wir in der Zeit vor 1970, also vor den ersten Juristenausbildungsreformen, angekommen. – Na dann: Prost Mahlzeit! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

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