Stefan Engstfeld: „Die Beantragung ist bisher einfach zu kompliziert, und die Bewilligung dauert leider oft zu lange“

Antrag der Fraktionen von CDU, FDP und GRÜNEN zu psychosozialer Prozessbegleitung

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Rede ein Dank an die beiden Fraktionen von CDU und FDP.
Als wir Ihren Antrag letzte Woche erhielten, haben wir ihn uns angeschaut und dabei gesehen, dass alle von Ihnen darin aufgeführten Punkte auch unserer Auffassung und unserer Lehre aus der Anhörung im Rechtsausschuss entsprechen.
Deswegen haben wir darum gebeten, als Antragsteller aufgenommen zu werden. Diesem Wunsch haben Sie entsprochen. Vielen Dank dafür, dass es damit möglich ist, dass wir heute den Opferschutz im Namen von CDU, FDP und Grünen stärken können.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)
Die psychosoziale Prozessbegleitung ist ein wichtiges Instrument, um Opfer von Straftaten während belastender Gerichtsprozesse bestmöglich zu unterstützen, zu begleiten und den Ablauf von Verhandlungen und verwertbare Aussagen der Opfer zu sichern.
Das Instrument wird seit der Einführung eigentlich von allen Seiten als sinnvoll bewertet. Jetzt kommt es darauf an, die Probleme, die sich in den letzten Jahren gezeigt haben, zu lösen, um die Opfer von Straftaten und die Prozessbegleiterinnen und -begleiter bestmöglich zu unterstützen.
Für Opfer von schweren Straftaten können polizeiliche Ermittlungen und gerichtliche Verfahren beängstigend sein. Sie müssen mit vielen verschiedenen Menschen über die Tat sprechen, unter Umständen dem Täter vor Gericht begegnen, oft als Zeuginnen und Zeugen aussagen und dabei auch unangenehme Fragen beantworten.
Die Opfer können in Gerichtsverfahren auch eingeschüchtert werden oder im allerschlimmsten Fall – Klammer auf „re-„ Klammer zu – traumatisiert werden. Daher brauchen Opfer schwerer Straftaten neben der Möglichkeit, einen rechtlichen Beistand zu erhalten, die bestmögliche psychosoziale Begleitung während des gesamten Verfahrens.
Die Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung war ein entscheidender Schritt hin zu mehr Opferschutz, und das Instrument funktioniert ganz gut. Nach den ersten Jahren gibt es nun mal Verbesserungsbedarf; das hat auch die Anhörung im Rechtsausschuss, die, wie ich fand, sehr interessant war, gezeigt.
Ein erstes großes Problem bisher war die fehlende Bekanntheit des Angebots auf allen Seiten, also bei den Opfern, der Polizei, den Fachleuten – zum Beispiel bei Therapeutinnen und Therapeuten und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern –, beim Kinderschutzbund, aber auch bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und in der Gesellschaft insgesamt.
Dem wird mit dem vorliegenden Antrag unter anderem durch die Forderungen nach einem Informationsangebot in einfacher, niedrigschwelliger Sprache und in verschiedenen Sprachen, nach einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne und nach einer weiteren Sensibilisierung der Verfahrensbeteiligten begegnet; in den beiden vorherigen Reden von der CDU- und der FDP-Fraktion wurde das schon ausgeführt.
Ein zweiter aus unserer Sicht wichtiger Aspekt ist, dass der Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung ausgeweitet und der Beantragungsprozess vereinfacht und beschleunigt werden soll. Die Beantragung ist bisher einfach zu kompliziert, und die Bewilligung dauert leider oft zu lange.
Das bedeutet eine enorme Unsicherheit für die Opfer und die Begleiterinnen und Begleiter.
Auch muss die Ausweitung auf weitere Straftatbestände erfolgen sowie ein fester Anspruch auf Beiordnung insbesondere in Fällen von häuslicher Gewalt oder Sexualdelikten geschaffen werden.
Ich möchte zum Schluss auf einen Punkt hinweisen, der in dem Antrag nicht behandelt wird, der aber bei der Anhörung immer wieder thematisiert wurde und aus unserer Sicht auch zu Recht bemängelt wurde. Wir finden, dass wir das politisch weiter begleiten müssen.
Es handelt sich um das Problem, dass die Pauschalen für eine Beiordnung derzeit einfach zu niedrig angesetzt sind. Die Vereine und Verbände zahlen derzeit immer drauf, um eine angemessene Prozessbegleitung leisten zu können.
Hier besteht noch Handlungsbedarf. Der wird jetzt über diesen Antrag zwar nicht abgedeckt, aber wir werden das weiter als Thema behandeln und gucken, wie wir da auch noch eine Lösung herbeiführen.
Der Opferschutz wird durch diesen Antrag gestärkt. Ich werbe um Zustimmung zum Antrag und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und von Matthias Kerkhoff [CDU])

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