Stefan Engstfeld: „Der europäische Binnenmarkt funktioniert deswegen, weil er demokratisch legitimiert kontrolliert wird“

Antrag der CDU zu TTIP

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Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Bergmann, zu Ihrem Antrag: Ich kann ich Ihnen sagen, dass ich mich auf die anstehenden Debatten freue. Der Antrag steht heute zur Überweisung, er ist aber in dieser Form für uns nicht zustimmungsfähig.
Vor allen Dingen möchte ich vornweg bemängeln, dass er absolut einseitig ist. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, zu erkennen, dass es in diesem Freihandelsabkommen, das zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten geplant ist, auch Risiken gibt. Sicher sind unbestreitbar auch Chancen vorhanden – das bestreiten auch wir als Grüne nicht –, aber es gibt auch noch erhebliche Risiken am Horizont.
Wir sollten das Ganze – und zwar ohne Schaum vor dem Mund – unter dem Gesichtspunkt diskutieren: Wo ist die Chance? Wo ist das Risiko? Dann sind wir mit dabei. Doch hier einen solchen Antrag vorzulegen, der im Duktus völlig einseitig ist und das ganze Risikopotenzial ausblendet – so geht es natürlich nicht.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Es war auch ein bisschen widersprüchlich nach dem Motto: Es weiß noch keiner so richtig, was da verhandelt wird. Sie schreiben aber in Ihrem Antrag – wenn ich einmal zitieren darf –:
„Der Landtag ist davon überzeugt, dass deutsche Sicherheitsstandards durch TTIP nicht abgesenkt werden.“
Da frage ich mich: Was denn jetzt? Woher wissen Sie das jetzt?
(Beifall von den PIRATEN – Michele Marsching [PIRATEN]: Super!)
Da waren Sie in Ihrer Argumentation nicht stringent.
Wir haben kein Problem mit dem Beispiel, das Sie gebracht haben. Wenn – wie es im Antrag steht – zum Beispiel ein Auto den Sicherheitsnormen in der Europäischen Union entspricht und zugelassen ist, muss es bislang in den USA einem weiteren Zulassungsverfahren unterzogen werden, obwohl der Sicherheitsstandard auf beiden Seiten des Atlantiks – glaube ich – sehr ähnlich ist. Da sind wir sehr bei Ihnen. Das ist auch überhaupt nicht unser Problem.
Unser Problem beginnt bei den anderen Standards, nämlich bei den Standards, die über Jahrzehnte erkämpft worden sind. Das ist im Lebensmittelbereich so, das ist beim Verbraucherschutz so, das ist beim der Datenschutz so, und es ist auch bei der Kultur so. Da liegen unsere Probleme. Wenn es nur um solche Sachen wie Blinker, Ladekabel, technisches Zubehör und um Zulassungsvereinfachungen gehen würde, hätten wir das Problem gar nicht.
Wir sehen das Problem an einer anderen Stelle. Sie haben pauschale Vorwürfe gemacht, dass Standards abgesenkt würden. Ich sage Ihnen: Es ist derzeit völlig unklar, wie bei TTIP das europäische Vorsorgeprinzip mit US-amerikanischen Zulassungsvorschriften in Einklang gebracht werden soll. Wir halten es für wichtig, dass das europäische Vorsorgeprinzip eins zu eins so bestehen bleibt. Wie das angeglichen werden soll, ist aus unserer Sicht völlig schleierhaft.
Sie haben in Ihrem Antrag gesagt:
„Der ‚europäische Binnenmarkt‘ hat Nordrhein-Westfalen besonders genutzt und muss jetzt auf den transatlantischen Raum ausgeweitet werden.“
Der erste Teil des Satzes – „Der ‚europäische Binnenmarkt‘ hat Nordrhein-Westfalen besonders genutzt“ – ist völlig richtig, und den unterschreibe ich. Den zweiten Teil des Satzes: „muss jetzt auf den transatlantischen Raum ausgeweitet werden“, würde ich unterschreiben, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden.
Was nämlich in Ihrem Antrag fehlt, ist Folgendes: Der europäische Binnenmarkt funktioniert deswegen, weil er demokratisch legitimiert kontrolliert wird. Wir haben Gesetzgebungsverfahren, auch im Europäischen Parlament, wo die Regeln dafür aufgestellt werden.
Wenn man von einem transatlantischen Binnenmarkt zwischen USA und Europäischer Union spricht und träumt, dann brauchen wir so etwas aber auch. Da braucht man demokratische Kontrolle und demokratische Gesetzgebung. Wo aber soll das sein? Wo ist das angesiedelt? Nur so funktioniert das Binnenmarktprinzip. Und das fehlt in Ihrem Antrag.
Es gibt noch einen letzten Punkt in Ihrem Antrag, zu dem ich etwas sagen möchte. Sie haben zu den Investitionsschutzklauseln gesagt:
„Der Landtag begrüßt, dass im Rahmen der Verhandlungen neue Standards für internationale Investitionsschutzklauseln gesetzt werden sollen.“
Das sehen wir wirklich ganz anders. Ich habe das schon mehrfach hier im Plenum vorgetragen. Unserer Meinung nach haben wir starke Rechtsprechungssysteme auf beiden Seiten des Atlantiks. Es bedarf keiner zusätzlichen Schiedsgerichtsbarkeit oder einer privaten Gerichtsbarkeit.
(Beifall von den GRÜNEN, Markus Töns [SPD] und Michele Marsching [PIRATEN])
Wenn jemand ein Problem hat, soll er vor das öffentliche Gericht gehen. Zwischen den G7-Staaten ist das meines Erachtens schlichtweg überflüssig. Herr Lindner hatte die Position der Freien Demokraten in Berlin parteitagsmäßig so beschlossen, dass das eine der Kernforderungen ist, dass das, wenn Schiedsgerichte wie bei Ceta, egal, wie sie modifiziert sind, enthalten sind, nicht zustimmungsfähig ist. Das gilt für uns an der Stelle genauso.
(Christian Lindner [FDP]: Ich möchte in Rumänien nicht vor Gericht stehen!)
Ich habe nur noch eine Minute Redezeit. Als Allerletztes noch ein paar Worte zu Ihrem Beitrag, Herr Dr. Bergmann. Es ist gut, dass wir über TTIP reden, dass wir von Anfang an auch in diesem Landtag darüber geredet haben. Zu Beginn der Verhandlungen, als das Mandat, das ja nicht nur durch die Staats- und Regierungschefs beschlossen wurde, sondern auch mit Beschluss durch das Europäische Parlament gegangen ist, haben wir hier im Landtag unter anderem im Bereich der Kultur diskutiert und uns dafür stark gemacht, dass der audio-visuelle Medienbereich ausgeklammert wird. Das hat den Effekt gehabt, dass es am Ende auch gar nicht in das Verhandlungsmandat gekommen ist.
Es war gut und richtig, dass man sich schon am Anfang damit beschäftigt und miteinander geredet hat. Es ist richtig, dass viele Menschen heute über TTIP diskutieren. Den Effekt, unter anderem diese ganze Debatte zu diesen Schiedsgerichten, hätten wir doch gar nicht, wenn wir nicht darüber sprechen würden. Das hat doch viel bewegt. Die Europäische Kommission hat die Verhandlungen dazu ausgesetzt. Es gibt jetzt verschiedene Vorschläge, auch neue Vorschläge von Frau Malmström, wie man mit Schiedsgerichtsbarkeit umgeht. Insofern ist es extrem sinnvoll und nichts zu Beschimpfendes.
Alles Weitere werden wir in den Ausschüssen erörtern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)

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