Stefan Engstfeld: „Dem oft sehr persönlichen Einsatz der vielen Beteiligten gebührt unser gemeinsamer Dank“

Gemeinsamer Antrag zu 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Laschet, ich möchte direkt an Ihre Rede anknüpfen. Wissen Sie, was ebenfalls schön ist? Dass viele junge Deutsche, wenn Sie sie heute fragen, wo es denn hip ist, sagen: Tel Aviv. – Das gehört auch dazu.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Wenn wir über die Beziehungen zu Israel debattieren, sollten wir uns immer vergegenwärtigen, dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel am 12. Mai 1965 alles andere als selbstverständlich war; Sie haben es schon ausgeführt. 20 Jahre nach der Schoah, dem von Deutschen begonnenen und organisierten Völkermord an den europäischen Juden, war dies ein Wagnis und ist ein Meilenstein.

Dass diese Beziehungen vor dem gegebenen geschichtlichen Hintergrund und dem Kontext ihrer Aufnahme sowie der sie begleitenden Herausforderungen und Schwierigkeiten die heutige Intensität erreicht haben, ist vielen Vertretern und Vertreterinnen aus Parlamenten und Regierungen, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft in beiden Staaten zu verdanken.

Ohne die vielen Menschen in Deutschland und bei uns in Nordrhein-Westfalen sowie in Israel, die sich für die Aufnahme und die Entwicklung der diplomatischen Beziehungen zwischen den Staaten und die vielfältigen Beziehungen zwischen beiden Gesellschaften mit Energie, gegenseitigem Vertrauen und Beharrungsvermögen eingesetzt haben, hätten sich die Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern und Gesellschaften nicht in einem so umfassenden Maße entwickeln können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU)

Dem oft sehr persönlichen Einsatz dieser vielen Beteiligten gebührt unser gemeinsamer Dank.

(Beifall von allen Fraktionen und Ministerin Sylvia Löhrmann)

Es gibt in und zwischen unseren Gesellschaften auch weiterhin viel zu besprechen. Was wir nicht brauchen, ist die oft beschworene Normalisierung des einzigartigen Verhältnisses zwischen Israel und Deutschland. Eine Normalisierung würde nämlich die Besonderheit unseres Verhältnisses zu Israel und unsere Verantwortung für Israel negieren.

Dabei muss klar sein – und für uns ist das klar –, dass die Grundlage dafür unser Einstehen für den Staat Israel ist, und zwar unabhängig davon, inwiefern wir mit der aktuellen dortigen Regierungspolitik übereinstimmen. Wir pflegen die entstandenen Freundschaften. Wir setzen uns aber auch kritisch mit dem einen oder anderen Aspekt auseinander. Offene Worte zu den jüngsten antisemitischen Demonstrationen in Berlin, ebenso offene Worte zur israelischen Siedlungspolitik: auch das gehört zu unserer Verantwortung – heute, im Jahr 2015, 50 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Eine offene Debatte über unser Verhältnis zueinander zu führen, ein offenes Wort über Differenzen: Das stellt die Einzigartigkeit unserer Beziehungen zu Israel nicht infrage, sondern ist Teil unserer kritischen Solidarität.

Solidarität ist bei uns allen auch stets gefordert, wenn es heißt, gemeinsam und entschieden jeglichem Antisemitismus zu begegnen. Ich möchte hier die Aussage des Auschwitz-Überlebenden Primo Levi zitieren:

„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“

Die jüngsten antisemitischen Anfeindungen und Angriffe auch in Deutschland haben zu einer Verunsicherung unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger geführt und zeigen, dass wir in unserem Bestreben nicht nachlassen dürfen.

Meine Damen und Herren, ich kann es nur noch einmal unterstreichen: Wir in Nordrhein-Westfalen treten jeglichen antisemitischen und antiisraelischen Bestrebungen entgegen.

(Beifall von allen Fraktionen und Ministerin Sylvia Löhrmann)

Dabei gilt: Erinnerung und Verantwortung sind für uns Nachgeborene keine Strafe, sondern eine Verpflichtung und ein Auftrag – ein Auftrag, unsere historisch-politische Bildung zu verstärken.

Ich bin der Schulministerin Sylvia Löhrmann deswegen sehr dankbar dafür, einen wesentlichen Impuls für die schulische Bildung in diesem Zusammenhang gesetzt zu haben. Sie hat vor etwa 14 Tagen in einer Rede noch deutlich gesagt – ich zitiere –:

„Die Schoah ist und bleibt dabei Dreh- und Angelpunkt historisch-politischer Bildung im Zeichen einer umfassenden Erinnerungskultur.“

Der unter ihrer Präsidentschaft gefasste Beschluss der Kultusministerkonferenz „Erinnern für die Zukunft – Empfehlungen zur Erinnerungskultur als Gegenstand historisch-politischer Bildung in der Schule“ vom Dezember 2014 sowie die von der KMK im Oktober 2013 abgeschlossene Kooperationsvereinbarung mit Yad Vashem sind beispielhaft.

Das nordrhein-westfälische Schulministerium hat darüber hinaus gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung und den kommunalen Spitzenverbänden die Bildungspartnerschaft „Gedenkstätte und Schule“ gegründet und unterstützt gemeinsam mit anderen Bundesländern Programme zur Demokratie in der Schule wie beispielsweise „Demokratisch handeln“, „Schule ohne Rassismus“ oder „Schule mit Courage“.

Wir alle können der Ministerin, dem Ministerium und der Landesregierung nur viel Erfolg wünschen, dass nun alles systematisch in unseren Schulen umgesetzt wird.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Wenn wir uns die zahlreichen Aktivitäten des Landes in Nordrhein-Westfalen anschauen, können wir heute erfreut feststellen, dass die Partnerschaften und Freundschaften mit Israel sehr lebendig sind. Wir wünschen uns für die Zukunft der deutsch-israelischen und der nordrhein-westfälisch-israelischen Beziehungen eine Fortsetzung der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit. – Shalom und Masel tov!

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der FDP und den PIRATEN)

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