Stefan Engstfeld: „Das sind zwei Prozesse, die nebeneinander laufen, aber keine Verbindung haben“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Europäischen Menschenrechtskonvention

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag – ich zitiere –, dass „Nordrhein-Westfalen als Bundesland den Beitritt der Europäischen Union zur EMRK auch nach der Europawahl […] in allen Institutionen weiter anstrebt und unterstützt.“

Ich analysiere diesen Satz einmal: Es geht also erstens um den Beitrittsprozess der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention, also den Beitritt zu einem völkerrechtlichen Vertrag, der 1950 zwischen Mitgliedern des Europarats beschlossen wurde, Deutschland war direkt von Anfang an dabei, alle 27 EU-Mitgliedstaaten sind dabei. Der hat natürlich einen Katalog von Grundrechten und Menschenrechten, über dessen Einhaltung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wacht. Es ist ein gutes Vertragswerk.

Zum anderen geht es um den größten demokratischen Wahlakt auf diesem Kontinent. Es geht nämlich – zweitens – um die Europawahl am 9. Juni, also um die Wahl zum Europäischen Parlament und deren Ausgang.

Mit diesen beiden Dingen beschäftigt sich der FDP-Antrag und stellt eine Verknüpfung zwischen diesen beiden Dingen her. Warum? Wieso? Weshalb? Was hat der Ausgang der Europawahl mit dem Beitrittsverfahren der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention zu tun? Lassen Sie mich kurz nachdenken: nichts. Das hat einfach gar nichts miteinander zu tun. Das sind zwei völlig unabhängig voneinander laufende Prozesse.

Das ist so, als würde ich sagen: „Ich muss im Supermarkt noch einkaufen, weil mein Kühlschrank leer ist“, und „Ich muss meine Autoreifen noch wechseln“. Das sind zwei Dinge, einmal einkaufen gehen im Supermarkt und einmal in der Kfz-Werkstatt Autoreifen wechseln. Zwei Dinge, zwei Prozesse, die nichts miteinander zu tun haben. Der Einkauf beim Supermarkt beeinflusst nicht meine Notwendigkeit, die Autoreifen zu wechseln, und der Wechsel der Autoreifen beeinflusst nicht mein Einkaufsverhalten im Supermarkt. Das sind zwei Prozesse, die nebeneinander laufen, aber keine Verbindung haben.

Aber genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, macht Ihr Antrag. Diese nicht vorhandene Verknüpfung zwischen dem Beitrittsverfahren der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Ausgang der Europawahl ist mein Problem. Diese Verknüpfung macht einfach gar keinen Sinn, und deswegen macht dieser Antrag in dieser Form aus meiner Sicht auch überhaupt keinen Sinn.

Ich weiß auch gar nicht, wie wir in Nordrhein-Westfalen als Bundesland an diesem Beitrittsverfahren der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention beteiligt sein sollen, und ich weiß schon gar nicht, wie und warum wir da aktiv werden müssen. Ich weiß auch nicht, warum sich die Haltung der Landesregierung durch die Europawahlen in der Beitrittsfrage ändern sollte. Wir waren und sind dafür, dass die Europäische Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitritt – ja, Punkt.

Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Der Beitritt […] muss nun umgesetzt werden.“ – Ja, aber doch nicht von Nordrhein-Westfalen. Die Kollegin Blask hat es richtig beschrieben: Das ist eine Sache zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Da haben wir gar nichts zu kamellen.

Mir erschließt sich einfach nicht, worüber wir zu diesem Antrag im Ausschuss beraten sollen. Sinnvoll ist das aus meiner Sicht nicht. Wir werden der Überweisung dennoch zustimmen, weil es den parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht. – Ich danke aber ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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