Sigrid Beer: „Wir wollen Schulen, an denen alle Kinder willkommen sind“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Inklusion

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Inklusion ist ein Gewinn für die Gesellschaft. Das hat Ministerin Gebauer in der Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung am vergangenen Mittwoch gesagt. Ich stimme ihr dabei ausdrücklich zu: Ja, das ist richtig.
Aber es läuft doch etwas falsch, wenn dieser Gewinn für alle nur von einem Teil der Gesellschaft erbracht wird und große Teile nicht einbezogen sind. Das ist bei Schwarz-Gelb im Bereich Schule der Fall. Das versteht die Ministerin offensichtlich unter „Neuausrichtung der Inklusion“.
Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, die zieldifferent unterrichtet werden, werden in Zukunft nur noch in Ausnahmefällen an einem Gymnasium lernen dürfen. Die Aufgabe der zieldifferenten Förderung ist eindeutig besonders den integrierten Schulen zugewiesen worden. Für die Gymnasien, die trotzdem weitermachen wollen, sind die Hürden zum Weitermachen besonders hoch.
„Wir sind sehr enttäuscht, aber unter den vom Land vorgegebenen Bedingungen ist die Inklusion an einem Gymnasium nicht mehr möglich“, sagt der Sprecher der Essener Direktoren-Konferenz, obwohl er deutlich machte, dass er eigentlich weitermachen möchte. Das war in der „WAZ“ vom 18.01.2019 zu lesen.
Dabei haben die Gymnasien gezeigt, dass sie zieldifferentes Lernen können, aber CDU und FDP haben das nicht mit dem Bildungsauftrag der Gymnasien in Einklang gebracht. Sie ermutigen bewusst zum Ausstieg. Das passiert landauf, landab. Und nun hebt der Chor an, das stimme doch alles gar nicht, die Gymnasien nähmen die Inklusion ernst – allerdings zielgleich.
Die vorliegenden Daten des Landes zum Schuljahr 2017/18 ziehen die folgende Bilanz: An zusammen 625 Gymnasien in Nordrhein-Westfalen wurden 1.006 Schüler*innen zielgleich in der Sekundarstufe I beschult. Das sind im Landesschnitt immerhin 1,6 Kinder pro Gymnasium; nur bei den öffentlichen Gymnasien sind 1,7 Kinder pro Gymnasium zu verzeichnen.
Das ist der Anteil, den Gymnasien durch die Reduzierung auf zielgleiche Beschulung nach dem Willen von CDU und FDP auch in Zukunft zur Inklusion beitragen werden. Bislang haben schon 1.683 Schülerinnen zieldifferent in der Sekundarstufe I erfolgreich gelernt – das wird es in Zukunft nicht mehr geben.
Eine Schulform, in die im Landesdurchschnitt 42 % aller Kinder in der Sekundarstufe I gehen, verabschiedet sich aus der zieldifferenten Inklusion und leistet nur noch einen Beitrag von weniger als zwei Kindern pro Schule, während insbesondere die Gesamtschulen und Sekundarschulen mindestens drei Kinder pro Klasse neu aufnehmen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zum Vergleich: In knapp 57 % der Gymnasien wird gemeinsames Lernen angeboten, und dies zu einem großen Teil zieldifferent, wohingegen das bei 97 % der integrierten Schulen in diesem Land der Fall ist.
Im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der Inklusion – durch Sie verantwortet, Frau Ministerin – wurde viel versprochen. Wundert es Sie wirklich, dass Ihnen das Bündnis für Inklusion, in dem sich bereits 40 Organisationen zusammengeschlossen haben, Täuschung vorwirft?
Es geht dabei nicht um die Frage der Weiterentwicklung und die entsprechenden Ressourcen. Die Formel 25-3-05 ist doch lediglich eine Rechenformel, wie Sie landauf, landab betonen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Fakt ist: Es gibt keine Deckelung der Lerngruppen. Es kommt zu einer späten Zuweisung der Stellen, die zum Teil erst im Laufe des Schuljahres – wenn überhaupt – erst besetzt werden können. Es ist auch nicht klar, durch welche Fachkräfte das passieren wird. Die Kinder sind aber schon da. Sie haben im Vorfeld keine Fortbildung zur Verfügung gestellt. Sie haben sich vom Ziel eines inklusiven Schulsystems verabschiedet.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir wollen Schulen, an denen alle Kinder willkommen sind. Nicht das Kind muss sich an das System anpassen, sondern das Bildungssystem muss umfassende Teilhabe ermöglichen, die Bedürfnisse der Lernenden berücksichtigen und sich in diesem Sinne weiterentwickeln. Dieses Ziel verfolgt diese Landesregierung nicht mehr.
(Beifall von den GRÜNEN)
Frau Ministerin, dieser Verantwortung müssen Sie sich stellen. Da nutzt es auch nicht, das ewige Mantra „Schauen wir auf die letzten sieben Jahre“ zu bemühen. Das Ganze unterliegt Ihrer Steuerung und steht in Ihrer Verantwortung. Das spielt sich zurzeit im Land ab.
(Beifall von den GRÜNEN)

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