Sigrid Beer: „Wir müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen: Wie bekommen wir das bessere Verfahren hin?“

Antrag der CDU zum Unterrichtsausfall

###NEWS_VIDEO_1###
Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Her Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde mich gerne in zwei Teilen dem heutigen Antrag widmen. Zu dem einen Teil will ich die Vorgeschichte erzählen, weil ich mich sehr gewundert habe, dass wir diesen Antrag heute auf dem Tisch haben. Vor allen Dingen geht es nicht um eine Sachdebatte. Wenn man das wollte, dann müsste man im Ausschuss die Beratung fortführen, statt den Antrag hier zur direkten Abstimmung zu stellen.
Ich möchte Ihnen gerne vorlesen, was ich einen Tag vor der letzten Schulausschusssitzung an die Kolleginnen und Kollegen bezüglich der Diskussion um das von der Ministerin vorgelegte Gutachten geschickt habe:
Liebe Frau Gebauer und Frau Vogt! Liebe Monika Pieper! Morgen steht in der Einladung unter TOP 5 das Thema Erhebung zum Unterrichtsausfall mit dem Gutachten auf der Tagesordnung. Gemeinsam mit Frau Hendricks möchte ich anregen, dass wir die Gutachter zu einem Gespräch einladen und gegebenenfalls auch die Kollegen des Haushaltskontrollausschusses dazu bitten.
Diese Mail habe ich um 9:47 Uhr abgeschickt, und schon um 10:18 Uhr hat mir Frau Vogt geantwortet:
Sehr geehrte Damen und Herren! Von meiner Seite spricht nichts dagegen.
Wir haben dann einvernehmlich am Tag darauf beschlossen, den Punkt von der Tagesordnung abzusetzen, um die Gutachterin und den Gutachter einzuladen, weil es Gesprächsbedarf über dieses Gutachten gibt und weil wir uns damit auseinandersetzen wollten. Dann kommt gleichzeitig die Pressemitteilung der Kollegin heraus, mit der sie der Ministerin unterstellt, sie wollte sich vor dem Thema drücken.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Das ist unredlich. Das ist ein scheinheiliges Vorgehen von der Kollegin,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
weil wir gemeinsam im Ausschuss beschlossen haben: Wir machen keine Diskussion aus dem Bauch heraus. Wir machen eine Diskussion, die sich mit dem Gutachten auseinandersetzt.
(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und von Petra Vogt [CDU])
Sie haben einen sachkundigen Nachbarn, Frau Vogt, den Kollegen Kaiser. Der wird Ihnen sagen können, dass Frau Bellenberg nicht irgendeine Feld-, Wald- und Wiesenbildungsforscherin ist, sondern CDU-Expertin in der Enquete „Chancen für Kinder und Jugendliche“, damals benannt von der CDU, und dass Sie sich bei der Art und Weise, wie Sie der Wissenschaftlerin mit diesem Gutachten entgegentreten, vielleicht etwas zurücknehmen sollten und das Gespräch mit ihnen suchen sollten, statt Debatten zu führen, wie sie hier als Mätzchen- und Kasperle-Theater vorgeführt werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Jetzt würde ich gerne zu der Sachfrage kommen. Da ist es vollkommen richtig, dass jeglicher Unterrichtsausfall ärgerlich ist – nicht nur ärgerlich, sondern wir müssen sehen, dass wir ihn minimieren und vermeiden.
(Armin Laschet [CDU]: Sie müssen ihn messen!)
– Lieber Kollege Laschet, jetzt müssen wir ihn messen. Sie waren ja Mitglied einer Landesregierung. Da will ich Ihnen doch einmal die Antwort dieser Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD vorlegen, nämlich vom 03.02.2010. Ich glaube, da waren Sie gerade noch so dabei. Da steht nämlich Folgendes drin:
Die von der Opposition, der SPD, eingeforderte Einführung einer zentralen flächendeckenden ganzjährigen Dokumentation von Unterrichtserteilung und Unterrichtsausfall würde bei einem vorsichtig kalkulierten durchschnittlichen wöchentlichen Zeitaufwand von mindestens einer Stunde je Schule Ressourcen im Umfang von rund 220 Stellen beanspruchen. Handlungsleitend für die Landesregierung ist jedoch, dass weniger Stellen in Bürokratie und mehr Stellen in die Unterrichtserteilung fließen sollen. – Das haben Sie mit unterschrieben, Herr Laschet. So ist die ganze Geschichte gewesen.
(Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE] – Armin Laschet [CDU]: Warum kann es jedes Bundesland, warum nur wir nicht?)
– Wunderbar, jetzt kommen wir nämlich in die Sachdebatte. Sie haben genauso wie Kollegin Vogt das Gutachten nicht gelesen. In der Übersicht steht nämlich drin: Es gibt Bundesländer, die machen diese Übersichten, genauso wie hier Stichproben durchgeführt worden sind. In jedem Bundesland ist es genau so, wie wir es hier haben. Der Landesrechnungshof legt andere Zahlen vor und sagt, die Statistik stimmt nicht.
Also müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen: Wie bekommen wir das bessere Verfahren hin? Das ist genau die Sachdebatte, die wir in der Auseinandersetzung mit diesem Gutachten führen müssen.
Dann nützt es mir auch nichts, wenn in „Westpol“ der Kollege aus dem Ministerium aus Rheinland-Pfalz auftaucht, der das genau nicht sagt. Die machen die Erhebung, aber sie ist jedes Jahr genauso umstritten.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Da nutzt es mir auch nichts, wenn der Schulleiter da sitzt, Herr Laschet – gehen wir einmal zusammen dahin und gucken wir uns das an –, und sagt: Ich muss nur aufs Knöpfchen drücken. Dann wird zwar eine Stundentafel übermittelt. Aber damit wird nicht festgestellt, wie die Schule ihren Unterricht organisiert hat, ob sie aus 100 Schülern fünf Kurse mit 20 Schülern oder vier Kurse mit 25 Schülern gebildet hat und ob der Lehrereinsatz überhaupt noch stimmt, den man sinnvollerweise verantworten kann. Das kann man in einer solchen einfachen Statistik so nicht abbilden. Deswegen müssen wir uns mit diesem Gutachten auseinandersetzen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Da helfen die Mätzchen und diese Theaternummer von Frau Vogt den Schulen überhaupt nichts. Sie helfen den Eltern nicht, und sie minimieren auch den Unterrichtsausfall nicht. Deswegen bitte ich, was das Profil der Schulpolitik der CDU angeht, zur Sachdebatte zurückzukommen und diese Mätzchen hier zu unterlassen.
Deswegen werden wir diesen Antrag natürlich heute ablehnen. Aber wir gehen offensiv in die Debatte mit den Experten sowohl mit Herrn Prof. Reintjes als auch Frau Prof. Bellenberg, um ihnen diese Frage zu stellen. Das ist doch das Interessante: Es gibt Schulen in Nordrhein-Westfalen, die kriegen das hin. Ich will wissen: Wie ist das übertragbar? Wie können wir das steuern? Die Kolleginnen und Kollegen des Haushaltskontrollausschusses sollen direkt dazukommen, weil wir ein solches Instrument brauchen und nicht diese billigen Klamauk-Debatten, die so flach sind, dass man sie eigentlich gar nicht mehr erwähnen sollte.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehr zum Thema

Schule