Sigrid Beer: „Wir müssen dafür sorgen, dass die MINT-Fächer in den Fokus gerückt werden.“

Antrag der FDP für mehr Lehrer im MINT-Bereich

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst mal bei Frau Gebauer bedanken, weil Ihr heutiger Vortrag eine ganz andere Tonlage hatte und in anderer Art gehalten worden ist als der Vortrag Ihres Fraktionsvorsitzenden mit seinem Alarmismus – wir kennen ja mittlerweile das Posen, die Textbausteine, die Darbietung –, dem Ausrufen der Bildungskatastrophe, was nicht zielführend ist.
Die Fragestellung, die Sie aufgeworfen haben, bewegt uns in der Tat alle. Aber es ist eben nicht so – ich muss die Kollegin Birkhahn bitten, noch mal darauf zu schauen –, dass sich die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen zurücklehnten nach dem Motto: Wir haben uns das mal angesehen und lassen alles so laufen. – Das Gegenteil ist der Fall.
In der Tat ist das doch eine Herausforderung, die wir gemeinsam stemmen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass die MINT-Fächer in den Fokus gerückt werden. Wir müssen den Lehrernachwuchs gewinnen, den wir brauchen.
Eine ganz wesentliche Frage aber ist doch – das ist nicht kurzfristig zu erreichen –, welche Wertschätzung diese Fächer gesamtgesellschaftlich haben. Wie gehen Jungen und Mädchen darauf zu? Wie erhält man das, was wir an Entdecker- und Forscherfreude bei den Kindern in der Kita haben? Wie gelingt es, das in der Schule zu festigen und ihnen die Felder zu bieten, wo sie das ausleben und das als ihre Sache begreifen können, sodass die Begeisterung anhält? Die Herausforderung besteht in der Anerkennung dieses Bereiches, und zwar in der Schule insgesamt, aber auch gesamtgesellschaftlich, was die Berufsperspektiven angeht. Und natürlich gibt es die Herausforderung, dass auch Mädchen in diesen Bereichen Zukunftsperspektiven sehen. Das ist eine Aufgabe, die wir wohl gemeinsam bewältigen müssen, um diese Akzeptanz herzustellen.
Das hat viel damit zu tun, wie wir Berufsorientierung in den Schulen verankern, wie wir Studiengänge über Berufsperspektiven attraktiv machen, wie wir auch da den Blick weiten. Das ist ein Riesenfeld mit großen Einstellungschancen. Das gilt etwa für die Ausbildung von Lehrern für die Berufskollegs, wo wir einen ganz starken MINT-Bereich haben, aber auch für die Ausbildung von Lehrern für die allgemeinbildenden Schulen.
Diese Aufgabe wird doch systematisch angefasst. Das gilt etwa für die Berufsorientierung „Kein Kind ohne Anschluss“, indem dort ein Fokus gelegt wird. Diese Aufgabe wird mit der Ausweitung des zdi angefasst. Das ist auch ganz wichtig.
Es ist auch wirklich nicht schlimm, etwas fortzuführen, was damals von Schwarz-Gelb sinnvoll angelegt worden ist. Das war durchaus sinnvoll. Auch die Kinder- und Forscherhäuser sind sinnvoll. Das muss man aber noch verstärken, das sollte man nicht durch irgendwelche andere Programme ersetzen. Das haben wir ausdrücklich nicht getan, sondern wir stärken diesen Bereich.
Die Fokussierung, die in den Schulen gelingen kann, weil wir auch Pflichtunterricht in den Schulformen haben, ist etwas, was wir ausbauen sollten. Ich glaube, auch da sind wir einer Meinung.
Die FDP sollte sich im Übrigen über die steigende Zahl von Gesamtschulen und Sekundarschulen freuen, weil dort der Technikunterricht und auch der naturwissenschaftliche Unterricht im Curriculum ganz anders verankert ist, Pflichtbestandteil ist und viel stärker nach vorne gestellt wird. Das bietet gerade den Kindern und Jugendlichen Chancen, die im sprachlichen Bereich nicht ihre erste Priorität und ihre Stärke haben. Wir brauchen aber alle mit ihrem gesamten Potenzial. Da bieten gerade die integrierten Schulformen sehr viele Möglichkeiten – das wissen wir –, dass die Jugendlichen ihren Weg finden, gerade im naturwissenschaftlichen und im technischen Bereich.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
Insgesamt ist es unsere Aufgabe – das ist auch schon gesagt worden –, die Studienabbrecherquoten zu senken. Dazu läuft eine sehr enge Kooperation zwischen dem Schulministerium und dem Wissenschaftsministerium. Die Hochschulen sind dabei, weitere Brückenkurse anzubieten, um in den naturwissenschaftlichen Studiengängen zu helfen, dass die Studienabbrecherquoten sinken.
Ich will aber noch ein Argument von Frau Birkhahn aufnehmen, das ich bemerkenswert finde. Ja, wir müssen darauf schauen, an welchen Plätzen man dieses Lehramt überhaupt studieren kann. Sie werden mir aber doch zustimmen, dass man an dem Punkt eine gemeinsame Hochschulplanung braucht und eine Verpflichtung zwischen dem Land und den Hochschulen, damit entsprechend den Bedarfen ausgebildet werden kann und es nicht zur Reduzierung durch die Entscheidung eines einzelnen Hochschulstandortes kommt.
Deswegen ist es wichtig, dass wir das Hochschulzukunftsgesetz entsprechend gestaltet haben: damit auch diese Bedarfe sichergestellt werden können. Das gehört zu einem Maßnahmenpaket. Und es ist in der Tat eine mittel- und langfristige Aufgabe, die wir gemeinsam stemmen wollen. Deswegen freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, bevor Sie sich …
Sigrid Beer (GRÜNE): Ich nehme gerne die Zwischenfrage an. Ist doch klar!
Vizepräsident Oliver Keymis: Abgeordnete, die, ohne meine Frage gehört zu haben, entscheiden, dass sie eine Zwischenfrage annehmen, mag ich besonders. Herrlich! – Herr Ellerbrock will Ihnen eine Zwischenfrage stellen.
Sigrid Beer (GRÜNE): Da freue ich mich doch besonders.
Vizepräsident Oliver Keymis: Das machen wir auch, weil heute Freitag ist. – Bitte schön.
Holger Ellerbrock (FDP): Schönen Dank. – Frau Beer, Sie hatten ausgeführt, dass die MINT-Fächer in einer bestimmten Schulform, die Sie sehr präferieren, in besonderem Maße verankert seien. Von den Naturwissenschaften kommend habe ich gelernt: Wenn ich eine Zahl mit null multipliziere, ist das Produkt null. Die Planoptik, dass die MINT-Fächer in den Stundenplantafeln verankert sind, nützt bei null Lehrern also überhaupt nichts. Das Produkt ist dann null. Darum ging es doch im Endeffekt: dass die Lehrer fehlen!
Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Ellerbrock, wenn die Zahlen, die Sie für Ihre Berechnung einsetzen, nicht stimmen – denn wir stehen nicht bei null –, dann sind auch Ihre Ausführungen hinfällig.
Ich habe deutlich gesagt: Wir haben Schulen, deren Curricula verpflichtenden Unterricht in den MINT-Fächern vorsehen. Und es ist doch selbstverständlich, dass der Lehrer oder die Lehrerin diesen Unterricht dann dort auch gibt. Aber das Angebot für die Schüler, der Stellenwert in der Schule, das ist etwas Wesentliches. Das sollten wir auf alle übertragen. In der Realschule gehören die MINT-Fächer leider nur zum Wahlpflichtbereich. In den Realschulen gibt es zwar viele Angebote, die werden aber längst nicht von allen angenommen. In den Gymnasien haben wir Wahlpflichtbereiche.
Die Frage ist, wie man das weiter stärken kann, damit es überall ankommt. Die Gymnasien haben sich mit guten Initiativen auf den Weg gemacht und nehmen zum Beispiel an der bundesweiten Aktion auch der Telekom-Stiftung teil – es gibt 10.000 € Fördergelder –, beteiligen sich an der Junior-Ingenieur-Akademie. Nordrhein-Westfalen stellt da das Gros aller Schulen aus der Bundesrepublik: von 68 beteiligten Schulen sind 34 aus NRW.
Wir haben also vieles zu bieten. Aber nehmen Sie auch mal zur Kenntnis, dass es da in bestimmten Schulformen ganz besondere strukturelle, gute Vorbereitungen gibt. Darüber sollten Sie sich eigentlich freuen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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