Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke erst mal der SPD für den Antrag, weil sehr viele Dinge darin stehen, die wir miteinander besprechen müssen, allerdings sehr differenziert.
(Jochen Ott [SPD]: Richtig!)
Was uns nicht hilft, sind solche Reden nach dem Muster: „Bratwurst statt Sozialismus“, wie wir sie eben gehört haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das war jetzt kein Plädoyer gegen die Bratwurst, um das deutlich zu sagen.
(Jochen Ott [SPD]: Vom Bio-Schwein!)
– Genau.
(Dietmar Brockes [FDP]: Da wäre ich mir nicht sicher!)
Hier steht jetzt jemand, der sich vor Ort – genau wie der Kollege Müller gesagt hat – engagiert. Ich fühle mich auch gar nicht abgewatscht.
In unserer Schule, einer sechszügigen Gesamtschule, ist es genauso gewesen, dass wir Eltern das in die Hand nehmen mussten. Wir haben es gepackt. Wir haben ein gutes Konzept. Bei uns gibt es ein Menüangebot für die Kinder, die täglich frisch auswählen können. Es gibt ein Tellergericht, ein Getränkeangebot, Obst, ein Salatangebot und ein Nudelangebot. Der Förderverein hat 18 Beschäftigte, die in der Mensa arbeiten. Wir haben täglich bis zu 1.000 Essen.
Wie kommt man zu solch einer Akzeptanz? Das ist der Fall, wenn man mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam das Programm macht,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
wenn man mit den Eltern gemeinsam das Programm macht.
Aber ich sage dem Antragsteller auch: Ich mache das als Vorsitzende des Fördervereins gern. Aber es gibt Schulen, die keinen solch starken Förderverein haben, die keine solche Elternschaft haben, die das nach vorne bringen. Das darf nicht sein.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es darf nicht dem Glücksfall überlassen bleiben, ob es solche Initiativen gibt oder nicht.
Herr Rock hat vom Vertrauen in das Fachpersonal gesprochen. Ja, natürlich, das gilt da, wo es vorhanden ist. Nur das Fachpersonal ist nicht überall vorhanden; machen wir uns doch nichts vor.
Jetzt möchte ich Ihnen noch etwas zum Bildungs‑ und Teilhabepaket sagen. Ich beschäftigte extra eine Teilzeitkraft nur für die Abwicklung der Anträge. Wenn es jetzt zu einer Änderung kommt, muss diese bürokratiefrei und diskriminierungsfrei in der Schule umgesetzt werden,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
damit die Kinder das Essen auch erhalten und es wirklich nach vorne gehen kann.
(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Das machen wir doch! – Gegenruf von Jochen Ott [SPD]: Das macht ihr nicht!)
Das ist etwas, was wir zusammen mit dem Schulträger in Paderborn entwickelt haben. Wir als Förderverein haben Geld hineingesteckt, und auch die Stadt hat Geld hineingesteckt, damit wir eine Frischküche vor Ort entwickeln konnten.
Wir müssen bei der Fortführung von „Gute Schule 2020“ – und diese Fortführung brauchen wir – auch daran denken, dass eine solche Infrastruktur auch bezuschussungsfähig ist und man sie entwickeln kann. Das ist kein Programm, das man von heute auf Morgen umsetzt, sondern es gehört zur Entwicklung von Schule dazu.
Darüber hinaus eröffnet es Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ort, auch in inklusiven Beschäftigungsgesellschaften. Ganz viele Dinge sind denkbar, und darüber müssen wir uns unterhalten.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ein Punkt, der hier noch gar keine Rolle gespielt hat, ist die steuerliche Benachteiligung der Schul‑ und Kita-Verpflegung.
(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das ist ein Ding, ja!)
Ich weiß gar nicht, ob Ihnen das klar ist, dass zwar die Uni-Mensa steuerbefreit ist, die Gemeinschaftsverpflegung in Kita und Schule aber nicht. Auch das ist ein Feld, das wir beleuchten müssen, und darüber müssen wir reden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Frau Müller-Rech, Sie haben gesagt, dass Sie keinen Eingriff in die Trägerhoheit möchten. Nein, das hat Frau Asch damals nicht gemeint, und das meinen wir auch heute nicht. Wir haben vielmehr dafür gesorgt, dass Hauswirtschaftskräfte überhaupt in die Kita gekommen sind.
Allerdings brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen und die Sicherstellung, dass solche Möglichkeiten gegeben sind, damit es sich entwickeln kann, auch in der Trägervielfalt, in der Pluralität. Darüber müssen wir miteinander reden, und ich rechne damit, dass wir eine Anhörung dazu durchführen werden, in der all diese Aspekte aufgegriffen werden.
(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])
Wie gesagt, die Kinder müssen einen Anspruch auf ein leckeres, ein gesundes, ein attraktives Essen haben. Dabei müssen sie einbezogen werden. Das hat mit Mitwirkung, mit Beteiligung und der Sicherstellung der unterschiedlichen Lebensverhältnisse zu tun. Es darf allerdings nicht dazu führen, dass es ein Glücksfall ist und sich nur etwas entwickelt, wenn es eine starke Elternschaft in der Schule gibt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Beer, Frau Abgeordnete Müller-Rech möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie diese zulassen?
Sigrid Beer (GRÜNE): Aber gerne.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr.
Franziska Müller-Rech (FDP): Vielen Dank, Frau Kollegen, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Ich bin etwas verwirrt, was das Thema „grüne Positionen zu festgelegten Standards“ angeht. Wir haben eben vom Kollegen Rüße gehört, dass er sich eigentlich wünschen würde, dass es mehr regionales und Bioessen in den Schulen gäbe.
(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Ja!)
Ich habe Ihre Position nicht ganz verstanden. Sind Sie diesbezüglich beim Kollegen Rüße, oder sagen Sie wie Ihre Kollegin Andrea Asch, dass es eben keine verbindlichen Qualitätsstandards brauche, um das Schulessen vor Ort tatsächlich zu verbessern?
(Josefine Paul [GRÜNE]: Sie haben weder das eine noch das andere verstanden!)
Sigrid Beer (GRÜNE): Sie verwechseln etwas. Das schließt sich gegenseitig überhaupt nicht aus. Sie haben eben über die Eingriffe in Trägerhoheit und Trägervielfalt gesprochen, außerdem über die DGE-Standards, die im Augenblick überarbeitet werden, wie die Ministerin eben gesagt hat, und nach denen viele Schulen arbeiten. Ob sie zertifiziert sind oder nicht, hat damit gar nichts zu tun.
Ich unterstütze meinen Kollegen ausdrücklich in seiner Aussage, dass wir vor Ort regionale Erzeugergemeinschaften stärken müssen, damit die Schulen und auch wir unseren Bioanteil beim Essen weiter steigern können.
Das stellt uns aber vor Probleme. Wir beziehen nämlich beispielsweise unsere Milcherzeugnisse von einem Milchbauern vor Ort. Allerdings ist es für ihn nicht einfach, diesen Bezug für 1.000 Mahlzeiten pro Tag sicherzustellen. Deswegen müssen wir daran arbeiten.
Wie gehen wir das Thema „Lebensmittelverschwendung“ an? Wie kommen wir dahin, dass zum Beispiel die krummen Gemüse insbesondere diesen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden?
Es gibt also viele Themen, die wir gemeinsam anpacken müssen, und das widerspricht sich überhaupt nicht. Das sortieren wir für Sie aber gerne noch einmal im Ausschuss.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)