Sigrid Beer: „Es geht um den individuellen Lernweg“

Antrag der CDU zu Gymnasien

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich jetzt nicht an dem FDP-Entschließungsantrag abarbeiten, weil wir in ihm wie immer nur die tibetanische Gebetsmühle haben. Die Benachteiligung des Gymnasiums existiert in Nordrhein-Westfalen nicht. So ist das.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Alle Gymnasien, die Ganztagsschulen werden wollen, werden Ganztagsschulen. Wir haben den Übergang von G9 zu G8 im ersten Jahr mit 1.000 Stellen abgefedert und obendrauf im zweiten Jahr noch mit 500 Stellen. Die Gymnasien partizipieren von den Vereinbarungen im Schulkonsens. Lassen Sie es einfach. Es kommt nicht an. Es ist immer wieder nur das Gleiche. Es ist vergebene Liebesmüh.
Viel wichtiger ist, dass ich mich gern noch einmal auseinandersetzen möchte mit dem Antrag der CDU, dem wir heute leider nicht zustimmen können. Ich will Ihnen aber auch Hinweise geben, warum nicht. Vielleicht kommen wir an anderer Stelle dann doch noch zusammen.
Die Frage von Leistung im Schulsystem finde ich ganz zentral. Aber das ist nicht nur die Aufgabe der Gymnasien, sondern es geht um eine positive Leistungsentwicklung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das gilt für alle Schulformen und auf allen Schulstufen. Das muss ganz wichtig sein. Das ist kein exklusives Merkmal.
Zu den unterschiedlichen Wegen: Auch die Oberstufen an den Gesamtschulen, auch die beruflichen Gymnasien bereiten auch wissenschaftspropädeutisch miteinander vor.
Sie beginnen ja ihren Exkurs mit dem Hinweis auf die Verankerung der individuellen Förderung im schwarz-gelben Schulgesetz. Ja, das war richtig. Nur leider haben Sie nichts dazu getan, dass das in den Schulen implementiert wurde. Was haben Sie getan? Sie haben das Landesinstitut aufgelöst und eine Fortbildungsbrache angerichtet. Das war auf der einen Seite. Auf der Papierform individuelle Förderung ins Schulgesetz zu schreiben, das hat leider nicht gereicht. Jetzt versuchen wir, systematisch das wieder aufzubauen. Wir versuchen das nicht nur, wir tun es auch.
Es ist wichtig, die Frage der Fortbildung wirklich systematisch anzusetzen. Das gilt in diesem positiven Sinne auch mit dem Umgang mit Verschiedenheit. Das Landesinstitut als Unterstützungsagentur für die Schulen gibt es wieder. Es wird in Nordrhein-Westfalen auch wieder dringend benötigt. Das merken wir. Die Anfragen und die positive Inanspruchnahme sind ja vorhanden.
Dazu gehört dann auch ein bisschen schlichte Argumentation. Das tut dem Antrag wirklich nicht gut. Wenn Sie das Schlagwort vom längeren gemeinsamen Lernen als politische Parole mit auf den Plan zu rufen versuchen und meinen, das hätte mit Gleichheit und Gerechtigkeit nichts zu tun, und Sie machen wieder den alten Schlenker in diese ideologische Debatte über Gleichmacherei. Gemeinsames Lernen heißt nicht Gleichmacherei, sondern gemeinsames Lernen und Bildungsgerechtigkeit heißt, dass jedes Kind seine Chancen wirklich ausformen kann, dass alle Talente gefördert werden. Das ist Bildungsgerechtigkeit.
Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass die Gesamtschulen eine Studie vorgelegt haben, wonach über 70 % – an einigen Standorten sogar über 75 % – der Schülerinnen und Schüler, die dort Abitur im Zentralabitur machen, keine Gymnasialempfehlung hatten. Das sagt alles darüber aus, wie Potenziale in diesem Land nicht genutzt werden und dass wir viel mehr Chancen ermöglichen wollen. Deswegen bitte keine Verengung des Diskurses, wie Sie ihn hier angelegt haben!
Ich will auch noch einmal darauf rekurrieren, dass wir das Thema Notengebung hier viel zu kurz miteinander diskutieren. Wir müssen einmal über Leistungsbewertung in der Schule in der Tat reden. Was ist denn eine positive Rückmeldung? Es geht nicht um den horizontalen Vergleich. Wir wissen doch, wie wenig aussagekräftig Ziffernoten an manchen Stellen sind. Das haben wir schon beim Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen, wenn die Kinder aus den unterschiedlichen Grundschulen ankommen mit Notenbildern, die dann hinterher ganz andere Aussagen treffen, wenn sie wirklich in der Lerngruppe im Unterricht sind. Man weiß, dass eine Zwei und eine Drei überhaupt nicht vergleichbar sind, wenn sie aus unterschiedlichen Schulen kommen. Es geht doch um die individuelle Lernerweiterung, um den individuellen Lernweg. Dazu muss es doch eine Rückmeldung geben, die dann auch nach vorne bringt und die nicht nur eine unzutreffende Momentaufnahme sein kann.
Ich will Sie aber auch an einer Stelle loben. Vielleicht können wir da anschließen bei der gemeinsamen Weiterentwicklung. Sie sagen eindeutig, ja, es ist auch Aufgabe der Gymnasien, im inklusiven Prozess zu arbeiten, sowohl zielgleich wie auch zieldifferent. Sie mahnen die Unterstützung an. Aber da springt der Antrag wieder zu kurz. Die gibt es nämlich. Wir sollten Wert darauf legen, dass wir mehr Gymnasien ermutigen, positive Leistungsentwicklung auch im zieldifferenten Unterricht in Nordrhein-Westfalen Wirklichkeit werden zu lassen.
Heute können wir leider nicht zustimmen. Aber vielleicht gehen wir gemeinsam in einen Prozess, und wir bekommen einen gemeinsamen Antrag hin. Das würde mich sehr freuen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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