Sigrid Beer: „Ein offeneres Verfahren als das, was wir heute so in die Debatte eingebracht haben, gibt es nicht“

Antrag von SPD und GRÜNEN zum Integrationsplan für NRW

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Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Güler, Ihr Beitrag gibt mir die Gelegenheit, noch einmal das Verfahren zu erläutern, und vielleicht beleuchtet das noch einmal vieles von dem, was hier geäußert worden ist.
Dieser Antrag ist so angelegt, dass wir ihn heute nicht beraten, weil wir die Diskussion über die einzelnen Themen in den Fachausschüssen mit Ihnen und mit Experten und Expertinnen, die wir dazu einladen, intensiv führen wollen.Ein offeneres Verfahren als das, was wir heute so in die Debatte eingebracht haben, gibt es nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Frau Güler, dann wird auch in einzelnen Punkten noch einmal darum zu ringen sein, was Priorität hat und was auch für den Lebensalltag der Menschen wichtig ist. Vielleicht sei mir nur eine kleine Bemerkung zur Frage der Handytarife erlaubt: Es ist zum Teil unanständig,
(Beifall von den GRÜNEN)
wie die Geflüchteten zurzeit über den Tisch gezogen und ausgenommen werden und dass es sogar in den Flüchtlingsheimen Menschen gibt, die versuchen, ihnen Beraterverträge für das Beantragen von Kindergeld mit mindestens 400 € in Rechnung zu stellen. Lassen Sie uns auch darauf einen Blick werfen; denn das ist keine Bagatelle oder Petitesse.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das hat seinen Bestand neben den anderen Themen, die Sie zu Recht genannt haben. Aber genau deswegen lautet unser Vorschlag – ich bitte heute die Obleute im Integrationsausschuss, genau so zu beschließen; mein Kollege Arif Ünal wird das auch so ansprechen –, dass in den Fachausschüssen mit den Menschen, die im Land hauptamtlich und ehrenamtlich die Arbeit tragen, Gespräche dazu stattfinden können, damit wir das Thema entfalten.
Wir haben am 20.02. hier als Fraktion einen großen Integrationskongress veranstaltet, und dieser hat gezeigt, dass gerade dieses Bedürfnis besteht, mit uns darüber zu reden. Insofern rate ich uns, in der Gemeinsamkeit der Demokraten und Demokratinnen das Zeichen zu setzen, dass wir gemeinsam in diese Debatte hineingehen, dass wir uns den Anforderungen und Problemlagen stellen. Integration ist kein Zustand. Integration ist ein Prozess, und da werden wir jeden Tag aufs Neue herausgefordert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dann gehört auch dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen – und das gilt für Herrn Stamp genauso wie für Frau Güler oder Herrn Kuper –: Wir müssen gemeinsam herausarbeiten und klarlegen, wo die Zuständigkeiten liegen. Integration kann nur gemeinsam auf allen Ebenen gelingen. Da ist der Bund mit in den Blick zu nehmen. Da sind die Länder und wir als Land mit in den Blick zu nehmen. Da sind die Kommunen mit in den Blick zu nehmen. Das gehört zusammen, und dann muss man auch sauber trennen. Wir müssen uns gegenseitig stützen, statt „Schwarzer Peter“ zu spielen und Verantwortung hin- und herzuschieben – das haben Sie heute Morgen leider versucht; das ist nicht zuträglich –, und endlich einen gemeinsamen Blick entwickeln.
Der Antrag im Bundesrat – die stellvertretende Ministerpräsidentin hat darauf hingewiesen – ist auf große Zustimmung gestoßen. Auch in der Ministerpräsidentinnen- und Ministerpräsidentenkonferenz und im Austausch mit der Bundeskanzlerin ist deutlich geworden, dass es eines Integrationspaketes bedarf, und das ist auch mit einer Arbeitsgruppe versehen. Daher sollten wir nicht so tun, als ob der Bund mit der ganzen Sache nichts zu tun hätte.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben als Land unsere Hausaufgaben gemacht. Ich will darauf hinweisen: 4 Milliarden € sind nicht Nichts. Das ist die Verantwortung des Landes, die wir sehen und die wir übernommen haben. Also noch einmal: Integration ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Daran arbeiten wir weiter, und das hat auch der Finanzminister betont. Daher wundere ich mich, welche Töne Sie zum Teil heute Morgen angeschlagen haben; das war nicht ganz vermittelbar.
Gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, gilt auch für das Engagement in der Zivilgesellschaft. Ich meine die vielen Menschen, die in beeindruckender Weise Unterstützung leisten. Diese Menschen gehören zum demokratischen Rückgrat unserer Gesellschaft. Sie brauchen es und sie verdienen es, dass wir ihre Arbeit unterstützen, dass wir mit ihnen hier gemeinsam diskutieren, um dann zu einer Umsetzung und zu einem breit getragenen Integrationsplan für Nordrhein-Westfalen zu kommen.
Dabei ist auch ganz klar: Integration kann nur gemeinsam unter den Menschen gelingen, und damit meine ich die, die da sind, und die, die ankommen. Toleranz und Respekt müssen auf Gegenseitigkeit beruhen, und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist die Basis und die Richtschnur für alle.
Deswegen ist es gut, wenn wir die Anhörung auf den Weg bringen. Es ist auch gut, wenn in dieser Debatte Themen oben auf die Agenda gesetzt werden, die sowieso sozialpolitisch und gesellschaftspolitisch behandelt werden müssen. Ich will das noch einmal betonen: Die fast 5.800 Lehrerinnen und Lehrer kommen allen Kindern zugute. Wenn wir uns für sozialen Wohnungsbau und mehr bezahlbare Wohnungen in diesem Land einsetzen, dann kommt das allen Menschen in NRW zugute. So werden wir das für jedes Feld durchdeklinieren, und dafür stehen wir als rot-grüne Koalition. Ich hoffe, dass Sie das genauso unterstützen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Was wir jetzt anstrengen, was wir jetzt investieren, kommt allen Menschen in NRW zugute, und das muss das Credo sein, das wir gemeinsam für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hier auf den Weg bringen. Denn dieser gemeinsame Prozess kann dann ein starkes gemeinsames Signal sein auch gegen die, die die repräsentative Demokratie verachten, die fremden- und menschenfeindliche Parolen auf den Straßen brüllen und ehrenamtliche Helferinnen als nützliche Idioten beschimpfen.
Ich will auf die „Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat – gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt“ hinweisen. Sie beruht auf Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Sie wird getragen von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, dem Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem DGB, dem Deutschen Kulturrat, dem Deutschen Naturschutzring, dem Deutschen Olympischen Sportbund, dem Koordinationsrat der Muslime und dem Zentralrat der Juden in Deutschland. Ich zitiere aus dem Aufruf dieser Allianz:
„Die menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen, ihre Integration und die Verhinderung von sozialer, kultureller und gesellschaftlicher Spaltung sind eine Gemeinschaftsaufgabe. Bund, Länder und Kommunen, Wirtschaft und Gewerkschaften, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Organisationen der Wohlfahrtspflege sowie die gesamte Zivilgesellschaft müssen auch weiterhin Verantwortung tragen. Wir sind überzeugt, dass wir die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, gemeinsam bewältigen können.“
Wir als rot-grüne Regierungsfraktionen teilen diese Überzeugung. Deswegen haben wir diesen Antrag auf den Weg gebracht, und wir meinen es ernst, meine Damen und Herren. Nehmen Sie das bitte ernst! Lassen Sie uns gemeinsam die notwendigen Schritte für die Aufgaben beschreiben und um die besten Lösungen ringen. Das erwarten die Menschen in Nordrhein-Westfalen von diesem Haus. Deswegen sollte dieses Signal und keine Irritation heute von hier ausgehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)