Sigrid Beer: „Die grünen Abgeordneten legen ihre Einkünfte ab dem ersten Euro offen.“

Änderung des Abgeordnetengesetzes

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Zuruf von der CDU)
– Nein, es gibt jetzt nichts zur Gesamtschule. Da kann ich die CDU-Fraktion beruhigen.
Niemand hier im Parlament muss sich Sorgen machen. Es wird eine neue umfassende Transparenzregelung im Landtag von NRW geben. Die Nebeneinkünfte für das Kalenderjahr 2014 werden davon schon erfasst. Am Termin zum Inkrafttreten der neuen Abgeordnetenverhaltensregeln zum 1. Januar 2015 wird nicht gerüttelt.
Wir Grünen haben in der Frage der Offenlegung eine ganz klare Agenda: Seit 2005, der Neuordnung des Abgeordnetenrechts, legen die grünen Abgeordneten ihre Einkünfte ab dem ersten Euro offen. Da kann uns auch keiner treiben.
Vizepräsident Daniel Düngel: Frau Kollegin Beer, darf ich Sie einmal kurz unterbrechen: Der Kollege Biesenbach hat eine Zwischenfrage. Möchten Sie die zulassen?
Sigrid Beer (GRÜNE): Die können wir gerne anschließen. Ich möchte zunächst im Zusammenhang vortragen. Vielleicht ergeben sich auch noch andere Aspekte, von denen sich Herr Biesenbach angesprochen fühlt.
Vizepräsident Daniel Düngel: Sagen Sie Bescheid.
Sigrid Beer (GRÜNE): Die Offenlegung, die wir seit 2005 machen, kann jeder auf unserer Homepage nachlesen.
Ich habe schon vor einem Jahr gesagt – wunderbar recherchiert! –, dass wir die Transparenzregeln ändern werden. Und genau so kommt es.
Übrigens, Herr Marsching: Wenn die Piraten in der Diskussion ganz vorne sein wollen, dann wäre es gut, wenn derjenige, der den Gesetzentwurf hier heute so forsch einbringt, für seine Angaben auf der Piratenhomepage auch diese Transparenzregeln anlegen würde.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Da erfährt man nämlich nur Wolkiges von Herrn Marsching.
Auch in der Koalition haben wir einen gemeinsamen Kurs. Ob der Fraktionsvorsitzende der SPD, der Kollege Herter, oder ich: Wir haben uns früh geäußert. Alle wissen, woran sie sind. Die Koalition ist handlungsfähig.
Wir setzen allerdings noch darauf, und das gemeinsam, dass es gelingen kann, ein von allen Abgeordneten dieses Hauses getragenes Gesetz zu verabschieden. Das ist ein hohes Gut. Und das tut diesem Haus gut.
(Lachen von Dr. Wilhelm Droste [CDU])
Ich verhehle gar nicht, dass die Diskussionsbedarfe, die aus anderen Fraktionen noch angemeldet worden sind, auch meine Geduld strapaziert haben. Ich sage auch: Es dauert länger, als ich es mir gewünscht habe. Aber da es die Chance für umfassende, gemeinsam getragene Transparenzregeln gibt, die in diesem Haus breit gefasst und vertreten werden, habe ich meine Ungeduld noch einmal gezügelt.
Wir räumen CDU und FDP, die ernsthaft Signale gesetzt haben, dass auch sie eine umfängliche Regelung wollen, quasi – ich sage das jetzt so; ich komme aus Paderborn – eine letzte Nachspielzeit ein, damit der gemeinsame Aufstieg in die Transparenz-Liga gelingen kann.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich muss sagen: Ich habe mich schon darüber geärgert, dass sich Schwarz-Gelb nicht genügend um einen Kompromiss mit Rot-Grün auf Bundesebene bemüht hat, sondern sein grobmaschiges Stufenmodell durchgezogen hat. Deswegen wollen wir das hier nicht einfach umgekehrt handhaben.
Ich will aber auch deutlich sagen: Ein Vertagen auf den Sankt Nimmerleinstag wird es mit Rot-Grün nicht geben.
Ich habe im Übrigen auch immer wieder betont: Das Abgeordnetengesetz wird nicht jede Woche angefasst. Wenn, dann werden alle notwendigen Veränderungen zusammengeführt. Und das tun wir; denn wir wollen nicht nur die Nebeneinkünfte umfänglich offenlegen, wir wollen auch die Regeln für die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und von Verwandten neu fassen. Darüber haben wir ja geredet.
(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Also doch Sankt Nimmerleinstag!)
Des Weiteren haben wir die erfreuliche Notwendigkeit, dass wir den Beitritt des Landtags Brandenburg zum Versorgungswerk im Gesetz nachvollziehen müssen.
Deswegen will ich zum vorliegenden Gesetzentwurf der Piraten nur kurz das Wichtigste anmerken: Es fehlen ganze Teile, die notwendig geregelt werden müssen, er ist handwerklich leider unzureichend.
(Unruhe von den PIRATEN)
Rot-Grün hat mit seinem Entschließungsantrag Eckpunkte vorgelegt, die aus unserer Sicht mehrere Dinge zusammenbringen: Das Mandat muss im Zentrum stehen und ist Haupttätigkeit. Wir wollen alle Berufsgruppen im Parlament vertreten haben. Ein Weiterführen der beruflichen Existenz für eine Tätigkeit nach der Parlamentszeit muss gewahrt bleiben. – Ich will noch mal darauf hinweisen, dass die durchschnittliche Dauer der Abgeordnetentätigkeit im Landtag von Nordrhein-Westfalen bei zehn Jahren liegt.
Nebeneinkünfte, die aus einer solchen beruflichen Tätigkeit neben der zentralen Abgeordnetentätigkeit erzielt werden, sollen in einem engmaschigen Stufenmodell Jahreseinkünfte dargelegt werden, das alle Einkommensstufen erfasst und nicht einfach das aus unserer Sicht unzureichende Bundesmodell überträgt. Dieses hat nämlich weite Spielräume und zieht eine Grenze ein, wo nur noch registriert werden kann, dass Nebeneinkünfte „darüber liegen“. Im Bund wird nicht dargelegt, in welcher Region sich solche Nebeneinkünfte bewegen.
Ein besonderes Augenmerk legen wir auf die sogenannten sonstigen Einkünfte, die auf Interessenverknüpfungen hinweisen könnten, zum Beispiel durch Beratungen, Gutachten, Vortragstätigkeiten, Tätigkeiten in Aufsichtsräten und Vorständen, die dann auf Euro und Cent bezogen auf den Monat anzugeben sind.
Bei einem solchen Kombimodell, wie ich es gerade noch einmal skizziert habe, gibt es keine Nebelregionen. Es wird nichts verschleiert, es ist für die Öffentlichkeit gut nachvollziehbar …
Vizepräsident Daniel Düngel: Ihre Redezeit.
Sigrid Beer (GRÜNE): … und spiegelt die Vielfältigkeit im Landtag wider.
So, jetzt nehme ich gerne die Frage vom Kollegen Biesenbach auf.
Vizepräsident Daniel Düngel: Wunderbar! Ich darf schon mal ankündigen, dass der Kollege Marsching eine Kurzintervention angemeldet hat.
Sigrid Beer (GRÜNE): Na wunderbar!
Vizepräsident Daniel Düngel: Zunächst aber die Zwischenfrage des Kollegen Biesenbach.
Sigrid Beer (GRÜNE): Meine Redezeit wäre ohnehin zu Ende gewesen. Ich danke dem Kollegen.
Vizepräsident Daniel Düngel: Genau.
Peter Biesenbach (CDU): Frau Kollegin Beer, für uns hat Herr Spiecker bereits mitgeteilt, dass wir uns natürlich gerne an der Suche nach einer Lösung beteiligen wollen. Lediglich Ihre Diktion provoziert mich, eine Frage zu stellen. Sie haben gesagt, Ihre Geduld sei zu Ende; jetzt müsse eine Lösung gefunden werden.
Zu meiner Frage: Nach meiner Erinnerung hat der Bundestag alle diesbezüglichen Regelungen immer zu Beginn einer neuen Periode eingeführt. Haben Sie mal verfassungsrechtlich klären lassen, ob das auch während einer laufenden Periode zulässig ist? Bisher hat sich dazu kein Gericht geäußert.
Sigrid Beer (GRÜNE): Wenn wir gemeinsam diesen Entwurf vorlegen, sehe ich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das ist im Übrigen auch in der Anhörung nicht in dieser Weise vorgetragen worden. Wir werden es prüfen, Herr Biesenbach. Ich sehe diese Gefahr aber absolut nicht. Wir werden den Entwurf jetzt auch vorlegen.
Sie haben gefragt, warum ich mit dieser Diktion gesprochen habe. In der Tat muss sich in diesem gesamten Prozess jetzt etwas tun. Wir haben uns das auch gemeinsam vorgenommen. Es sind immer wieder Austausche vorgenommen und Einzelgespräche geführt worden. Nun nehme ich nicht zu jedem Gespräch Herrn Marsching mit. Trotzdem haben wir an vielen Punkten miteinander darüber geredet, wie die Entwicklungslinien gezogen werden können.
Deswegen sollten wir unseres Erachtens den Versuch unternehmen, eine gemeinsame Lösung hinzubekommen, in die alle Aspekte mit einfließen. Daher haben wir unseren Vorschlag vorgelegt. Wir sind gegen ein Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Vor der Sommerpause werden wir hier einen Gesetzentwurf vorliegen haben.
Dann hatte sich noch der Kollege Marsching gemeldet.
Vizepräsident Daniel Düngel: Genau. – Herr Kollege Marsching, bitte drücken Sie sich einmal ein. Dann kann ich Ihnen das Wort erteilen. – Bitte schön. Sie haben 90 Sekunden Redezeit für Ihre Kurzintervention.
Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Am Ende haben Sie ja quasi meine Rede gehalten. Das fand ich schon beeindruckend.
Ich möchte natürlich nicht unkommentiert stehen lassen, dass Sie mir gerade vorgeworfen haben – Ihnen war aber auch klar, dass ich mich dazu äußern würde –, meine Angaben auf der Webseite der Piratenfraktion entsprächen nicht dem, was ich hier äußere. Ich kann das kurz vorlesen. Es sind vier Punkte.
Erstens habe ich geschrieben, dass die selbstständige Tätigkeit, die ich vor dem Landtagsmandat ausgeübt habe, seit dem 14. März 2012 ruht. Das entspricht den Tatsachen.
Zweitens. Die Gewinnanteile aus der selbstständigen Tätigkeit für 2012 stehen nach wie vor noch nicht fest. Die Unterlagen sind beim Steuerberater. Daran kann ich nichts machen. Okay; das ist eine komplizierte Situation, die da im Moment herrscht. Sobald ich die Zahlen habe, werde ich sie veröffentlichen.
Drittens: die Einnahmen aus dem Betrieb einer Fotovoltaikanlage. Diese Angabe ist jetzt einen halben Monat alt. Das habe ich gerade erst aktualisieren lassen. Dort steht sogar die Größe. Daher kann man sich ausrechnen, wie viel ich ungefähr verdienen könnte.
Viertens. Dass ich außer den Zinsen, die es auf Rücklagenkonten gibt, keine weiteren Kapitalerträge habe, stimmt auch.
Ich bin in einem Verein Mitglied. Das kann man nachlesen.
Mein regelmäßiger zeitlicher Aufwand für Nebentätigkeiten beträgt ca. vier Stunden pro Monat.
Ich weiß nicht, an welcher Stelle meine Angaben unvollständig sein sollen. Das können Sie mir aber gerne in Ihren 90 Sekunden erklären. – Danke schön.
Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Marsching, das ist der Unterschied. Ich war auch Selbstständige. Mit der Übernahme des Mandats habe ich meine Selbstständigkeit auslaufen lassen. Bezogen auf das Jahr der Mandatsübernahme habe ich meine Einkünfte, die ich bis dahin hatte, auf Euro und Cent auf unserer Homepage veröffentlicht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Michele Marsching [PIRATEN]: Das mache ich auch, sobald die Zahlen vorliegen! Danke schön! – Simone Brand [PIRATEN]: Dann war Ihr Steuerberater eben schneller, Frau Beer! Meine Güte!)