Sigrid Beer: „Deswegen war das letzte Mittel, damit der Unterricht überhaupt anlaufen konnte, auch die Maskenpflicht“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Schulpolitik in Coronazeiten

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich setze da an, wo ich heute Morgen aufgehört habe, weil wir von der Ministerin wieder keine Antwort erhalten haben:
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Was wird eigentlich zum Ende der Woche zur Maskenpflicht verkündet werden? – Dazu haben Sie sich nicht geäußert. Ich will noch einmal darauf eingehen.
Am 3. August 2020 haben Sie die Entscheidung für die Maskenpflicht getroffen. Wir hatten damals 276 Fälle pro 100.000 Einwohner und eine 7-Tage-Inzidenz von 10,1. Am gestrigen Tag gab es 319 Fälle pro 100.000 Einwohner, und die 7-Tage-Inzidenz betrug 11,3.
Wie geht es denn jetzt weiter? Sie haben in der Aktuellen Stunde gesagt, der Trend sei jetzt besser, die Lage sei stabil. Ich finde, wir sprechen erst einmal über gegenüber dem 3. August erhöhte Werte.
Ich habe heute Morgen schon klargemacht, dass die Maskenpflicht das einzige Mittel war, damit Sie überhaupt in den sogenannten Regelunterricht starten konnten, weil die anderen Dinge versäumt worden sind.
Sie haben nicht dafür gesorgt, dass genügend Unterstützungspersonal vorhanden ist, um stabile und kleine Lerngruppen gestalten zu können.
Sie haben nicht dafür gesorgt, dass Räume akquiriert worden sind.
Sie haben keine Sorge dafür getragen, mehr in außerschulische Lernorte hinauszugehen.
Deswegen war das letzte Mittel, damit der Unterricht überhaupt anlaufen konnte, auch die Maskenpflicht.
Wenn der Ministerpräsident am vergangenen Wochenende schon verkündet hat, dass es auf Dauer so nicht gehe, wie geht es denn dann ab der nächsten Woche?
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist doch die große Frage. Ich denke nicht, dass Sie jetzt noch die letzten drei Tage nutzen werden bzw. nutzen können, um genau diese Lernbedingungen herzustellen.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Es gilt, zivilgesellschaftliche Kräfte und alle, die bereitstehen könnten, um anders zu unterrichten – Lehramtsstudierende, Praxissemesterstudierende – zu mobilisieren und den Schulen die Freiheit zu lassen, anders zu denken.
Es gibt eine Realschule, die ein wunderbares Modell entwickelt hat: eine Woche Präsenzunterricht, eine Woche Digitalunterricht. Sie haben das dort gut eingespielt. Allen Kindern, die zu Hause keine Unterstützung haben, werden entsprechende Lernräume in der Schule angeboten, um das sicherzustellen.
Warum kann diese Schule nicht weiter so verfahren? Sie kann die Lerngruppen teilen, und es ist dort eingespielt. Das ist aber nicht möglich. Warum geben Sie den Schulen nicht die Freiheit, Epochen- oder Blockunterricht zu erteilen und fächerübergreifend in kleinen stabilen Lerngruppen zu arbeiten, damit Infektionsrisiken gering gehalten werden, aber Lernen Spaß macht, Lernen gelingen kann und Lernen kontinuierlich angesetzt werden kann?
All das riskieren Sie, weil wir dauernd Aussetzer haben: Für 14 Tage muss die eine Lerngruppe nach Hause und für eine Woche die andere. So kann nicht kontinuierlich gearbeitet werden.
(Zuruf von Angela Freimuth [FDP])
Sie haben das, was eigentlich möglich wäre, an verschiedenen Stellen auch mit einem wirklich schlechten Handling versemmelt. Das sind nicht nur die Ferienangebote, das ist auch die digitale Ausstattung.
Es gibt heute immer noch keine Standards für die digitale Ausstattung an Schulen und keine Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Wir haben Ihnen schon im April gesagt, dass es eine Möglichkeit wäre, Digitalmittel zu öffnen und vorzufinanzieren. – Dann ist das Sonderbudget gekommen, und Sie haben es tatsächlich hingekriegt, die Förderrichtlinie mitten in den Sommerferien herauszugeben.
Ähnliches gilt für die Ausstattung mit digitalen Endgeräten. Seit zwei Jahren diskutieren wir, seit zweieinhalb Jahren liegt das Gutachten vor. Nur wegen des Drucks durch Corona sind die Mittel freigesetzt worden.
Das war, was die Beschaffung angeht, aber auch sehr spät. Deswegen werden Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte noch lange darauf warten müssen, bis sie wirklich Geräte in den Händen haben, aber die Kommunen sind schon angewiesen, bis zum 31. Dezember die Verwendungsnachweise vorzulegen.
(Zuruf)
So geht es nicht.
Was passiert ab nächster Woche, Frau Ministerin? Wo sind die kleinen stabilen Lerngruppen, die auch die Eltern einfordern? Wie kann das hergestellt werden? – Wir würden gerne mithelfen, einen solchen Bildungspakt voranzubringen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich mache hier nochmals das Angebot: Lassen Sie uns in dieser Lage zusammen daran arbeiten. Aber es ist wie in einem Tunnel: Was Sie nicht sehen wollen, sehen Sie auch nicht mehr. Sie graben sich immer mehr ein.
(Bodo Löttgen [CDU]: Das gilt auch für Sie!)
– Herr Löttgen, ich habe manchmal das Gefühl, dass wir uns mit den Kästen, in denen wir sitzen, auch Tunnel gebaut haben.
(Bodo Löttgen [CDU]: Mit Tunneln kennen Sie sich aus!)
Da ist es ganz schwierig, noch den Durchblick zu behalten, weil sich das doch alles etwas schwierig gestaltet.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Das ist schade. Anstatt die Kräfte zu bündeln und gemeinsam für die Schulen zu arbeiten, wird jegliche Kooperation verwehrt. Das führt zu traurigen Dingen und offensichtlich auch zu keiner sehr guten Atmosphäre bei der Sitzung im Ministerium in dieser Woche.
(Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Ich bin immer erstaunt, wie Leute, die gar nicht dabei waren, darüber reden!)
– Das ist interessant, weil diejenigen, die dabei waren, empört darüber reden, dass sie nicht wirklich einbezogen würden und sich außen vor gelassen fühlen.
Vor allem kann ich das nachvollziehen, wenn es um die Kinder mit Behinderungen geht; da wenigstens bin ich bei Ihnen und froh darüber, dass Sie sofort Stellung bezogen haben. Was im LVR zurzeit läuft und das Aussetzen der Beförderung der Kinder zu den Förderschulen ist skandalös. Das kann nicht bei den Familien abgeladen werden. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das sofort eingestellt wird.
Ich biete Ihnen nochmals Gemeinsamkeit und Unterstützung an: Lassen Sie uns für kleine stabile Lerngruppen sorgen, damit Bildung wirklich gelingt und individuelle Förderung bei allen Kindern ankommt.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)