Sigrid Beer: „Der Vorgang ist transparent, der Prozess dauert an, und es gibt noch keine Entscheidung“

Antrag auf Aktuelle Stunde von CDU und Piraten zum Effizienzteam

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wedel, die Qualität Ihrer Ausführungen haben Sie mit den ersten Sätzen deutlich gemacht. Dieses Gutachten ist nicht im Auftrag der Präsidentin, sondern der CDU-Landtagsfraktion erstellt worden.
(Beifall von der SPD)
Wenn das die Sorgsamkeit Ihrer Recherchen belegt, haben wir damit einen ganz eindeutigen Beweis, wie ernst dieser Beitrag zu nehmen ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Was die Ernsthaftigkeit der Diskussion angeht, muss ich fragen: Herr Möbius, wo haben Sie eigentlich Ihre Kolleginnen und Kollegen gelassen, die heute Morgen diesem Anliegen des Parlamentarismus doch eigentlich hier folgen sollten? Das ist schon bemerkenswert.
(Zuruf von Christian Möbius [CDU])
Sie versuchen hier eine Sache hochzuziehen …
(Zuruf von Christian Möbius [CDU])
– Das gilt für die Piraten genauso. Sie sind mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den Dingen des Parlamentarismus.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das ist ja billig! – Weitere Zurufe von den PIRATEN)
Wir wollen gemeinsam festhalten, dass natürlich das grundgesetzlich verbriefte Auskunftsrecht der Abgeordneten gegenüber der Regierung von der Regierung zu achten ist. Das eint uns doch. Die Auskunftsrechte sind ein wesentliches Instrument, um die Regierung zu kontrollieren. Es geht um Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen und von Entscheidungen. Für die parlamentarischen Willensbildungsprozesse sind diese Informationen unerlässlich. Das ist sicherlich etwas, was hier Konsens ist, auch heute Morgen.
Aber man muss allerdings nicht erst einen Gutachter bemühen, um zu erfahren, dass genau diese Auskunftsrechte auch Grenzen haben. Da Sie ja – bis auf die Piraten – alle Regierungserfahrung haben, wissen Sie genau, meine Damen und Herren von der CDU, dass es einen Arkanbereich gibt und die Grenzen der Auskunftsrechte der Abgeordneten an der Stelle enden, wo es um noch laufende Entscheidungsprozesse geht. Das ist nachvollziehbar; denn bevor man eine Entscheidung trifft, muss man sie vorbereiten. Vielleicht ist das bei Ihnen ja anders. Wir halten dieses sorgsame Prozedere auf jeden Fall ein.
(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])
Das Bundesverfassungsgericht billigt der Regierung zu, diese laufenden Entscheidungsprozesse nicht offenbaren zu müssen. Nur so gibt es die Freiheit, zu revidieren, sich abzustimmen, Dinge zu bewerten, Informationen einzuholen, auch im Prozess über den Gegenstand zu lernen, um dann eine fundierte Entscheidung zu treffen. Danach und erst danach kommt die Stunde des Parlaments, die Stunde der Opposition, die sie dann natürlich auch wahrnehmen soll.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Effizienzteam bemüht sich darum, Einsparpotenziale zu identifizieren, die einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten können. Das ist ein schwieriges, hochsensibles Unterfangen, und es ist in der Tat ein komplexer Prozess. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.
Meine Damen und Herrn, es gibt auch keine Hinterzimmerpolitik bei der Arbeit des Effizienzteams. Sie wissen, dass es dieses Team gibt, wer daran teilnimmt, Sie haben eine Reihe von Informationen und Gutachten erhalten, und Sie sind in der Lage, darüber zu debattieren und die von Ihnen vorgelegten Gutachten eigenständig auszuwerten. Sie können selbst strukturelle Einsparvorschläge einbringen. Aber was machen Sie stattdessen? – Sie versuchen, einen schwierigen Arbeitsprozess zu skandalisieren. Wir erleben dann in Ihrer Haushaltsmaschinerie immer die Aufwärmung von alten Anträgen, ob es nun die Studienbeiträge sind, die Elternbeitragsfreiheit im Bereich KiBiz oder was auch immer ist: keine eigene Leistung, was strukturelles Herangehen an diesen Haushalt angeht!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Noch etwas, meine Damen und Herren: Wenn es Hinterzimmerpolitik hätte geben sollen, dann hätte man es einfacher machen können. Dann hätte dieser Kreis nämlich im Verborgenen gearbeitet.
(Daniel Sieveke [CDU]: Dann hätten Sie dafür kein Geld bekommen!)
Ich hätte von Ihnen einmal gerne gewusst, wie es eigentlich bei der Zukunftskommission war. Wie waren denn da die Fraktionsvorsitzenden eingebunden? Könnten Sie uns darüber heute ein bisschen Aufklärung geben, wie das eigentlich gelaufen ist?
(Zuruf: Die kennen die doch gar nicht mehr!)
Also: Der Vorgang ist transparent, der Prozess dauert an, und es gibt noch keine Entscheidung, die das Parlament dann natürlich zu bewerten und – hier ist die Legislative – gegebenenfalls auch zu beschließen hat.
Lassen Sie mich noch bitte etwas zu den „Abgeordneten erster und zweiter Klasse“ sagen. Ich will gar nicht zu der Höhe der Fraktionszulagen etwas sagen. Wenn Sie diesem Pfad im Gutachten einmal nachgehen würden, würde Ihnen das Ergebnis dann vielleicht gar nicht so schmecken.
Ja, es ist richtig, dass es enge Grenzen für die Ungleichbehandlung im Hinblick auf den Status des Abgeordnetenrechtes gibt. Das bedeutet aber eben nicht, dass jede Differenzierung gleich verfassungswidrig ist. Gerade im Hinblick auf die besondere Funktion von Fraktionsvorsitzenden hat das Bundesverfassungsgericht eine Differenzierung, wenn auch in engen Grenzen, für zulässig erachtet.
(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])
Das Bundesverfassungsgericht erkennt an – das sollten Sie auch tun; denn Sie wissen doch über Regierungspraxis eigentlich genau Bescheid –, dass die die Regierung tragenden Fraktionen die Linien der Regierung stützen und dass der Willensbildungsprozess durch Fraktionen maßgeblich geformt und gestaltet wird. Dieser Abstimmungsprozess muss aber auch stattfinden können, und zwar in geschützten Räumen, eben nicht immer und überall auf dem Markt und auf der politischen Bühne.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Hinterzimmer! – Zuruf von Christian Möbius [CDU] und Daniel Sieveke [CDU])
Dabei kommt den Fraktionsvorsitzenden eine herausgehobene Stellung zu; denn sie bündeln die Entscheidungsprozesse und bereiten diese auch vor, auch mit Mitgliedern der Regierung, wie beispielsweise im Koalitionsausschuss oder eben im Effizienzteam. Dabei kommt den Regierungsfraktionen eine andere Funktion zu als den Oppositionsfraktionen. Das erkennt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an. Diese Rechtsprechung sollten Sie auch kennen, Herr Wedel.
Im Falle des Effizienzteams unterstellen Sie einen Skandal mit der Formulierung „Missachtung der Parlamentarierinnenrechte“. Das kann ich nicht nachvollziehen. Wenn man Ihre Gedanken konsequent zu Ende denkt, dann müssten zumindest die Vorsitzenden aller Fraktionen an allen Gremiensitzungen teilnehmen, die Regierungspolitik vorbereiten und koordinieren. Wenn eine funktionale Differenzierung zwischen den Abgeordneten grundsätzlich verfassungswidrig wäre, dann müssten sie alle Gremien sogar parlamentsöffentlich tagen lassen.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Tolle Idee! Super Idee!)
Vielleicht führt das die Große Koalition in Berlin ein. Ich wäre für entsprechende Hinweise dankbar. Liebe CDU, es kann doch nicht Ihr Ernst sein! Sie wissen doch über Regierungshandeln genau Bescheid. Also, lassen Sie das Effizienzteam seine Arbeit machen!
(Daniel Sieveke [CDU]: Macht es ja nicht!)
Ich schlage Ihnen vor: Gründen Sie doch selbst eines! Und wenn dann alle mit der Arbeit fertig sind, dann können wir die Ergebnisse hier gemeinsam im Plenum bewerten, analysieren, um die besten Lösungen streiten und hier die Entscheidungen treffen. Das werden wir uns als Parlament auch nicht nehmen lassen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Daniel Sieveke [CDU]: Das ist verlorene Zeit!)

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