Sigrid Beer: „Der Schulkonsens wird in allen Punkten verlässlich umgesetzt“

HH 2012 Schule und Weiterbildung

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Kollegin Hendricks dankbar, dass sie schon einmal die Basisdaten vorgetragen hat. Denn ich würde mich jetzt lieber auf die Replik zu den Beiträgen von Frau Vogt und Frau Gebauer konzentrieren.
Wir wissen, dass Demokratie manchmal schmerzhaft sein kann, aber dass mit Neuwahlen dann auch Amnesie über fünf Jahre ausgelöst wird, ist mir doch eine neue Erkenntnis und muss hier konstatiert werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist doch unglaublich! Haben Sie vergessen, dass Sie fünf Jahre in Raubmanier durch die Kommunen gezogen sind? Das ist doch heute Morgen bereits mehrfach angesprochen worden. Wollen Sie das nicht wahrhaben? Haben Sie das nicht wahrgenommen, als Sie noch nicht hier im Hause waren? Dann bitte ich, schauen Sie doch noch einmal in das Handeln der Landesregierung von 2005 bis 2010 hinein. Das wäre erstens ganz wertvoll.
Zweitens. Schauen Sie sich doch bitte auch die mittelfristige Finanzplanung des ehemaligen Finanzministers Linssen an. Da werden Sie Demografieeffekte nach 2010 gar nicht mehr finden. Die waren nämlich alle einkassiert. Es ist Rot-Grün gewesen, die genau dafür gesorgt haben, dass diese Ressourcen wieder dem Bildungssystem in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Angela Freimuth [FDP])
– Ja, wir kommen jetzt noch zu vielen anderen Dingen.
Frau Gebauer, was beklagen Sie denn jetzt? – Beklagen Sie, dass wir in den Schulentwicklungsprozessen Beteiligungen für Eltern eingeräumt haben? Beklagen Sie, dass Eltern sagen können, ob sie ein Schulangebot akzeptieren werden, ja oder nein, ob das die Schule ihrer Wahl für Kinder ist? Ist das Ihre Kritik? Es ist doch klar, dass man dann auch aushalten muss, dass an bestimmten Standorten Schulangebote angenommen werden oder nicht.
Sie haben aber über fünf Jahre versucht, den dokumentierten Elternwillen nach Gesamtschulen restriktiv zu beschränken, und haben versucht, den Gesamtschulen ihren Ganztag wegzunehmen und ihnen überall Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Versuchen Sie doch nicht, hier verkehrte Welt darzustellen!
Den Vortrag von Ihrem Vorgänger und Ihrer Vorgängerin über die Privilegierung der Sekundarschulen kenne ich zu Genüge. – Wir haben nie von der Privilegierung der Hauptschulen gesprochen, die einen 30-prozentigen Ganztagszuschlag erhalten haben, weil wir das als gut investiert ansehen. Das soll bei den Kindern ankommen. Wir würden uns nie erlauben, über Privilegierung in dem Rahmen zu sprechen. Wir haben den bestehenden Hauptschulen diesen Ganztagszuschlag auch nicht wieder genommen. Schön, dass Sie dann entsprechend rechnen.
(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
– Herr Stamp, Sie haben die Realität immer noch nicht akzeptiert: Die Eltern akzeptieren die Schulform Hauptschule nicht mehr!
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Weil Sie sie kaputtgemacht haben!)
Das ist genau der Effekt. Sie haben über fünf Jahre versucht, das zu beatmen, zu beatmen und zu beatmen. All Ihre Versuche haben nicht gefruchtet. Sie haben den Kommunen zum Teil Bauruinen hinterlassen, weil da Gelder hineingeflossen sind. Wenn Sie uns erzählen, wir sollten die Mittel effizient einsetzen, dann frage ich, was Sie denn gemacht haben. Sie haben die Gelder an die Kommunen in Schulprojekte lanciert, die keinen Bestand haben. Solche Schulen mussten jetzt geschlossen werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dort sind die Mittel nicht effizient eingesetzt worden.
Sie sind gescheitert und abgewählt worden, weil Ihre Bildungspolitik verfehlt war. Arbeiten Sie Ihre Vergangenheit auf und schauen Sie in die Zukunft. Das tun wir mit diesem Entwurf für den Einzelplan 05.
Ich will mir die Zeit nehmen, um noch einige Sachverhalte zu klären.
Wertgeschätzte Frau Kollegin Vogt, wir nehmen alle Kapazitäten im Rahmen der Berufskollegs in Anspruch. Alle Lehrer sollen dort unterrichten. Sie haben zu Recht auf das Problem in Bezug auf die Rekrutierung gerade von Kolleginnen und Kollegen für das Berufskolleg für die gewerblich-technischen Bereiche aufmerksam gemacht. Daran arbeiten wir seit Längerem. Diese Landesregierung – Schulministerium und Wissenschaftsministerin zusammen – hat allerdings einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, damit wir diesem Problem begegnen können.
Wenn wir aber damit anfangen, die Jugendlichen besser auf den Beruf vorzubereiten, wenn wir früh mit der Berufsorientierung ansetzen und wenn wir diese Maßnahmen zusammenbinden, damit es für Jugendliche im Übergang von Schule zu Beruf nicht in Warteschleifen hineingeht, dann ist dies doch das, was wir damit meinen, einen Bildungsweg ohne Brüche zu unterstützen, damit die Jugendlichen eine Lebensperspektive und eine Berufsperspektive bekommen.
Wir sagen doch nicht, dass das von heute auf morgen passiert. Deswegen ist auch nur ein geringer Ansatz für die Präventionsrendite im Haushalt enthalten. Natürlich muss das wachsen. Frau Vogt, wir werden uns das dann auch anschauen. Das ist in der Tat etwas, wo wir schauen müssen, wie das funktioniert, was in den Modellregionen passiert.
Ich habe die Rückmeldung aus den Arbeitsagenturen, dass sich da etwas tut, dass es in der Tat gelingt, Jugendliche schneller in Ausbildung zu vermitteln. Das hat einerseits etwas mit Konjunktureffekten zu tun, aber auf der anderen Seite auch mit einer konzentrierten Schulentwicklungsarbeit, die wir mit Stellen für den Ausbildungskonsens und mit Stellen für die Berufsorientierung in den Schulen unterstützen. – Auch davon haben Sie eine sehr verzerrte Wahrnehmung.
Ich will noch einmal die Frage an die CDU richten: Was wollen Sie eigentlich? – Wir setzen den Schulkonsens konsequent um. Von daher hätte ich mir gewünscht, dass sie ein eigenständiges Votum zu diesem Schulhaushalt abgeben würden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Man muss doch feststellen, dass der Schulkonsens in allen Punkten verlässlich umgesetzt wird: Wir senken die Klassenfrequenzrichtwerte bei den Grundschulen ab, wir gewähren das an Leitungszeit, was von den Schulen im Rahmen der Sekundarstufe I gebraucht wird, und wir haben schon 2011 mehr als 340 Stellen für die Grundschulen zur Verfügung gestellt, weil dort die Probleme am größten waren.
Sie haben hier auch das Thema Inklusion aufgerufen. – Okay, das ist ein wichtiges Thema, das im Land diskutiert wird. Sie müssten aber auch den Ablauf von Gesetzgebungsverfahren kennen. Im Augenblick gibt es einen Referentenentwurf, der sich in der Verbändebeteiligung befindet, aber noch keinen Gesetzentwurf, der in diesem Haus vorliegt und der mit einem Kostenblatt versehen ist. Eines kann ich Ihnen garantieren: Wie in unseren Gesprächen zum Schulkonsens vereinbart, rund 1.700 Stellen für die Absicherung der kleinen Grundschulstandorte vorzusehen, werden wir auch das Thema Inklusion ausstatten.
(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
– Herr Stamp, wenn wir uns auf Sie hätten verlassen müssen: Sie haben jahrelang nichts dafür getan.
(Beifall von den GRÜNEN)
Seit dem Jahre 2010 hat die Schulministerin mit dafür gesorgt, dass die Stellen für den gemeinsamen Unterricht verdoppelt worden sind, damit eine entsprechende Ausgestaltung möglich ist. Das ist etwas, was Sie jahrelang verschleppt haben. Ihre Fraktion hat die Konsensfindung zum Thema „Inklusion“ verschleppt und uns Knüppel zwischen die Füße geworfen. Sie hätten viel früher in die Vorsorge gehen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das sind Ihre Versäumnisse, Herr Stamp. Das Lamentieren hilft an der Ecke nicht. Rot-Grün fasst nämlich das Thema an. Wir haben es auf die Schiene gesetzt, und wir werden alles verlässlich umsetzen.
Noch einmal zum Verfahren: Nach der Verbändebeteiligung und natürlich auch nach den anstehenden Konnexitätsgesprächen kommt das entsprechende Papier in dieses Haus. Dazu können Sie sich dann – hoffentlich qualifiziert – einlassen. Dann werden wir darüber reden.
Jetzt bin ich froh, dass Rot-Grün die Schulen verlässlich weiter begleitet und dass wir den Weg fortgesetzt haben. Ich sehe, dass wir noch eine Menge an gemeinsamer Aufarbeitung zu leisten haben, damit wir in der Bildungspolitik wirklich vielleicht einmal an einem Strang ziehen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)