Sigrid Beer: „Das wirklich Traurige ist aber, dass Kinder dadurch abgehängt werden“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Digitaler Bildung

Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beginnen will ich einmal mit ein bisschen Grammatik, und zwar der Unterscheidung zwischen Indikativ und Konjunktiv. Der Indikativ drückt aus, dass etwas Wirklichkeit ist, dass es tatsächlich geschieht. Der Konjunktiv ist die Möglichkeitsform. Und das, was Sie hier in Ihrem Antrag vorgelegt haben, ist Möglichkeitsform. Das hat nichts mit Indikativ zu tun. Das hat nichts damit zu tun, dass es Realität wird, und zwar bald.
Das will ich Ihnen gerne am Rande Ihres Antrags einmal deutlich machen. Was Sie im Augenblick machen, ist, dass Sie einen großen, flächendeckenden Frustrationstoleranztest mit den Schulen, mit den Eltern und mit den Schülerinnen und Schülern in Nordrhein-Westfalen durchführen. Das hat mit dem Versprechen weltbester Bildung rein gar nichts zu tun.
(Beifall von den GRÜNEN)
Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Zum Erreichen dieser Ziele gilt es, alle Möglichkeiten bezüglich ihrer Realisierbarkeit zu überprüfen“, wenn es um digitale Teilhabe geht.
Es geht nicht mehr darum, Möglichkeiten zu überprüfen. Das Landessozialgericht musste uns insgesamt erst einmal die Leviten lesen. Es musste die Frage der Zuordnung und der Teilhabe beschreiben und festhalten, dass die Umsetzung jetzt passieren muss.
Das ist nichts, was man noch prüfen muss. Diese Mittel müssen jetzt genutzt werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Land ist in der Verantwortung, die Dinge jetzt vorzulegen. Es reicht nicht, auf die Bundesmittel zu warten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Land ist in der Verantwortung, die Voraussetzungen jetzt herzustellen.
Es ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, dass Sie in Ihrem Antrag die Schulministerin auffordern müssen, in den Verhandlungen um die Ausstattung der Lehrkräfte zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Das ist längst überfällig, Frau Ministerin! Das hätte längst geleistet werden müssen!
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Das liegt in Ihrer Verantwortung – und auch in der Verantwortung der regierungstragenden Fraktionen, denen jetzt nicht mehr einfällt, als die Ministerin aufzufordern, ihre Hausaufgaben zu machen. Das ist wirklich beschämend.
Ihr Antrag ist schrecklich innovativ. Im letzten Absatz, in dem es um die Lehrerfortbildung geht, heißt es:
„Dabei soll nicht nur auf Anwesenheits-, sondern auch auf digitale Schulungsmodelle ge- setzt werden.“
Meine Güte! Ist das Neuland für Sie? Natürlich wird längst mit diesen Formaten gearbeitet.
Wichtig wäre, jetzt verbindlich die Frage der Lehrerfortbildung zu regeln und nicht darauf zu hoffen, dass man sich irgendwie durchwursteln kann. Wir müssen vorbereitet sein. Die Schulen müssen vorbereitet sein. Die Kolleginnen und Kollegen müssen unterstützt werden und vorbereitet sein für Situationen, die schneller – auch regional – wieder eintreten können, als wir uns das vorstellen mögen, nämlich auf eine Pandemiesituation und gegebenenfalls auf Schulschließungen, weil es neue Hotspots geben kann.
(Florian Braun [CDU]: Es geht um Lernen auf Distanz! Wo ist Lernen auf Distanz Thema bei der Lehrerfortbildung?)
Sie regeln nichts verbindlich, sondern stellen etwas in Aussicht und sagen: Es muss geprüft werden. Wir wollen vorantreiben. Wir sollten das einmal tun.
Das ist nicht die richtige Haltung. Jetzt ist Handeln gefragt. Jetzt muss die Zeit genutzt werden. In Kooperation mit den Hochschulen hätte das Ministerium längst alles machen können. Das ist Verwaltungshandeln und Aufgabe des Schulministeriums.
Stattdessen bringen Sie hier einen Antrag mit ungewisser Zielperspektive ein und klopfen sich dafür heute auch noch auf die Schultern.
(Florian Braun [CDU]: Glauben Sie, dass das bis morgen alles gelöst ist?)
Ihre Gestaltungsinkompetenz und Ihr fehlender Wille, die Dinge umzusetzen, sind doch ein Offenbarungseid –
(Beifall von den GRÜNEN)
und das in einer finanziellen Situation, in Sie das schon längst hätten machen können.
Die Ausstattung der Lehrerinnen und Lehrer hätten Sie längst regeln können. Das wird verschleppt und ist bis heute nicht geregelt.
Die Kommunikation mit der Datenschutzbehörde des Landes ist desolat. Wären Sie einmal bei dem Gespräch mit der LDI dabei gewesen! Das war erschreckend. Das, was wirklich miteinander besprochen worden ist, und die Frage, ob es da Untätigkeit und eine Kommunikationsbarriere zwischen den Landesbehörden gibt, werden ja heute noch ein Thema sein.
Das wirklich Traurige ist aber, dass Kinder dadurch abgehängt werden. Wir müssen gemeinsam alles tun, um diese Situation zu ändern. Es kommt nicht darauf an, zu prüfen, sondern darauf, es umzusetzen und jetzt alles auf den Weg zu bringen.
Hierfür müssen neue Wege gedacht werden: Coaching von Kollegen und Kolleginnen, die vielleicht auch in Zukunft längere Zeit nicht im Präsenzunterricht eingesetzt werden können, im Umgang mit digitalen Medien; endlich die schulgesetzlichen Vorgaben machen, damit die Geräte nicht nur eingesetzt werden können, sondern auch von allen genutzt werden können.
Dass jetzt in Aussicht gestellt wird, dass es vielleicht irgendwann ein Videotool oder einen Messengerdienst geben soll, möglicherweise an LOGINEO angebunden, an dem zurzeit nur ein Bruchteil der Schulen teilnimmt, reicht nicht aus.
Es tut mir leid: Der Antrag ist absolut enttäuschend.
Dass Sie unseren Entschließungsantrag nicht zur Annahme empfehlen, ist klar; denn dann müssten Sie etwas umsetzen, und das scheint nicht Ihre Stärke zu sein.
(Beifall von den GRÜNEN – Florian Braun [CDU]: Völliger Quatsch! Was wollen Sie denn jetzt schon verstetigen?)