Sigrid Beer: „Das ist Mobbing gegenüber den Menschen, die gruppenbezogen hier niedergemacht werden“

Antrag der "AfD"-Fraktion zu Mobbing an Schulen

Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rock, ich wünsche Ihnen ein glückliches Händchen in der neuen verantwortungsvollen Position und gratuliere dem zukünftigen Landrat. Es war wirklich ein großzügiges Angebot, doch ich habe die Befürchtung, dass wir beide das nicht ausdiskutiert bekommen. Das hat hier nicht geklappt, und das wird im Rhein-Erft-Kreis auch nicht klappen. Deswegen bleibe ich hier, wo die Dinge gravierend zu regeln sind. Ihnen wünsche ich, wie gesagt, ein glückliches Händchen zum Wohle des Rhein-Erft-Kreises und, wie ich hoffe, auch einer qualitätsorientierten Bildung. Danke schön.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Ich möchte gern den 18.04.2018 in Erinnerung rufen. Dr. Catarina Katzer vom Institut für Cyberpsychologie & Medienethik hat in der Anhörung zum Thema „Cybermobbing“ wie folgt ausgeführt:
„Wir haben es heute mit einer vollkommen neuen Opfersituation zu tun. … Es gibt eine große Öffentlichkeit, die es vorher nicht gab. Viele Menschen können sehen, was passiert. … Die Täter sind sozusagen 24 Stunden in der Hosentasche dabei. Zudem gibt es eine Endlosviktimisierung. Das heißt, die Dinge, die im Netz sind, werden wir eigentlich nicht mehr los, selbst dann nicht, wenn wir Fakeprofile, Videos und Fotos löschen. Sie können irgendwann wieder auftauchen, weil sie sich auf anderen Festplatten befinden.
Das heißt, die Dramatik für die Opfer nimmt zu. Das lässt sich auch anhand von Zahlen belegen. Auch internationale Forschungen belegen, dass durch die dauerhafte Belastung mehr als 20 % der Cybermobbingopfer unter Depressionen leiden. Unsere deutsche Studie hat gezeigt, dass jedes fünfte jugendliche Cybermobbingopfer suizidgefährdet ist. Die Problematik ist also da.“
Weil diese Problematik da ist und sie so gravierend ist, haben wir sie mit einem Antrag aufgegriffen, der schließlich von den vier demokratischen Fraktionen hier auch getragen und weiterentwickelt worden ist. Deswegen haben wir uns als Landtag sehr ernsthaft mit dieser Problematik auseinandergesetzt, und das Ministerium hat die Dinge, die in dem Antrag niedergeschrieben sind, auch entsprechend konsequent weitergeführt.
Anja Niebuhr aus dem Zentrum für Schulpsychologie in Düsseldorf hat ausgeführt:
„Was ist das Wichtigste, was die Schule tun kann? Da sehe ich das Übernehmen von Verantwortung als zentralen Punkt an.“
Das ist in der Tat so: Verantwortungsübernahme auf allen Ebenen. Deswegen müssen wir die Menschen in den Schulen stärken, damit diese Verantwortung gelingen kann.
Von dieser ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema ist aber leider in dem vorliegenden Antrag nichts zu finden. Ich würde ihn als unappetitlich charakterisieren, und er ist sogar scheinheilig. Ich kann das nicht anders bezeichnen, wenn gerade Sie ausführen, dass Gerichte – ich zitiere aus dem Antrag – „sogar sexualisierte Bezeichnungen von Politikerinnen mit Begriffen aus dem Niveau der Gossensprache nicht als Beleidigungen einstufen.“
Abgesehen davon, dass das im Fall Renate Künast in der nächsten Instanz kassiert wurde, stellt sich die Frage, wer hier eigentlich wen beklagt. Wer hat denn in der Sprache der politischen Auseinandersetzung immer wieder mit Grenzüberschreitungen und Tabubrüchen hantiert? Wer sorgt für gruppenbezogene Diffamierungen? Wer hat Hate Speech als Teil seiner politischen Strategie etabliert, manchmal garniert mit einer mehr oder weniger halbgaren Entschuldigung?
(Andreas Keith [AfD]: Die Grünen!)
Völlig entlarvend ist Ihr Satz auf Seite 5 des Antrags. Da heißt es, und ich zitiere: „… zeigt jede für sich eigenständig getätigte pejorative“ – also abwertende – „Bewertung vieles …“ – Jetzt könnte man denken: Ja, da kommt jetzt viel Negatives hinterher, vieles, was eine enorme Bedrückung auslöst. Aber dieser Satz geht anders weiter, und das ist widerwärtig. Ich sage jetzt den ganzen Satz:
„… zeigt jede für sich eigenständig getätigte pejorative Bewertung vieles über die menschliche Natur des Adressaten.“
Also über die Natur des Mobbingopfers! Der ist nämlich der Adressat. Da wird der Bezug völlig umgedreht. Das ist Mobbing gegenüber den Menschen,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
die gruppenbezogen hier niedergemacht werden. Das ist Mobbing gegenüber Migranten und Migrantinnen. Dieser Antrag ist Mobbing, und das wagen Sie tatsächlich hier dem Plenum vorzulegen. Ich finde das widerwärtig und abstoßend.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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