Sigrid Beer: „Das ist ein Zugeständnis an die Kommunen, weil wir keine Prinzipienreiterei auf Kosten der Kinder betreiben wollen.“

Unterrichtung der Landesregierung zur Inklusion

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Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Betrachtung der Debatte, die wir heute Morgen erlebt haben, möchte ich Herrn Lindner nur eine Sache sagen, und das gilt auch für die gesamte FDP-Fraktion: Dass sich ausgerechnet diejenigen, die hier im Parlament die Fragen der Inklusion gerade zwischen 2005 und 2010 in allen Anträgen und Belangen blockiert haben, zu Gralshütern des Inklusionsprozesses aufschwingen, ist wirklich ein Treppenwitz, den wir heute erleben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Lindner gehört zu den Mittätern, die das zu verantworten haben, dass hier die damalige CDU-Bildungsministerin das Wort „Inklusion“ zunächst nicht einmal in den Mund nehmen durfte. Sie wurde von der FDP ausgebremst, und dafür trägt Herr Lindner die Verantwortung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Lindner [FDP]: Die alleinige Verantwortung!)
Was ist Inklusion? – Inklusion ist nicht mehr und nicht weniger als das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung bzw. unterschiedlicher Herkunft. Und was macht die FDP bis zum heutigen Tag hier im Parlament? – Sie bekämpft das gemeinsame Lernen von Kindern in unseren Schulen.
(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von der FDP)
Ich erinnere daran, was Frau Schmitz noch vor Kurzem hier zu den PRIMUS-Schulen erklärt hat. Jedes Mal diffamieren Sie das gemeinsame Lernen als Einheitsschule, als leistungslose Schule. Das ist Ihr Vortrag mit Herrn Lindner an der Spitze.
(Widerspruch von der FDP – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das ist eine Unverschämtheit! Unglaublich!)
Insofern ist das, was Sie hier sagen, unglaubwürdig, und das werden wir überall sagen. Sie sind nicht diejenigen, die das Wort in dieser Angelegenheit schwingen dürfen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Und noch eines, Herr Laschet und Herr Lindner: Sie haben nichts zu dem gesagt, was Sie im Haushalt mittragen würden. Wo waren diesbezüglich Ihre Erklärungen? – Nichts. Was Sie hier heute vorgetragen haben, war substanzlos.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von der FDP)
Herr Laschet, was war denn der Aufschlag der CDU, nachdem wir dankenswerterweise 2010, als Sie Ihren Koalitionspartner los waren, weil Sie selbst in der Opposition waren, den gemeinsamen Antrag zur Inklusion hier verabschiedet haben?
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das ist unglaublich!)
Die CDU einen eigenen Entschließungsantrag im Rahmen der nächsten Beschlussfassung vorgelegt. 30 Millionen € standen in Ihrem Antrag. Dann müssten Sie doch eigentlich sagen: Klasse, was das Land hier macht! Da sind wir dabei, und das tragen wir auch im Haushalt mit, wenn es hinterher in der Vereinbarung aufgenommen wird. – Wir haben kein Wort von Ihnen dazu gehört. So machen Sie sich hier aber mit einem leichten Fuß vom Parkett. Sie haben hier heute nichts Substanzielles vorgelegt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Laschet, ich weiß ja, dass Sie eigentlich dagegen waren, den Schulkonsens zu beschließen. Aber wir haben mit der CDU in den Schulkonsens geschrieben, dass zum Schulsystem von Nordrhein-Westfalen auch die Förderschulen gehören, soweit sie trotz Inklusion noch erforderlich sind. Denn die Demografie hat schon längst auch in den Förderschulen ihre Zeichen gesetzt, und auch die meisten Förderschulen im Bereich Lernen waren schon längst unter der Mindestgröße, bevor wir die Mindestgrößenverordnung hier miteinander diskutiert haben. Das sollten Sie bitte nicht vergessen. Schließlich obliegt auch Ihnen die Verantwortung, diesen Schulkonsens mitzutragen und umzusetzen.
(Armin Laschet [CDU]: Aber mit Qualität!)
Das ist das fachliche Votum von Karl-Josef Laumann, Norbert Röttgen und Ihrer Fraktion gewesen,
(Armin Laschet [CDU]: Mit Qualität!)
und das haben wir hier gemeinsam so beschlossen. Machen Sie sich auch hier bitte nicht vom Acker.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Da hier gerade von der FDP-Fraktion vorgetragen wurde, das Land würde nichts tun, will ich noch einmal daran erinnern: Es gibt nicht nur das jetzt vorliegende Angebot mit den 175 Millionen €, im Rahmen dessen wir sagen: Eigentlich sind das die Schulträgeraufgaben, und der Prozess ist im Gang.
Vielmehr wollen wir den Kommen trotzdem helfen und sie unterstützen. Deshalb sind wir sogar bereit, im Hinblick auf Korb I – das sind die originären Schulträgeraufgaben, die Herrn Biesenbach nicht mehr ganz präsent sind, aber darüber können wir noch einmal reden – zu sagen – und das tun wir, damit die Kommunen Sicherheit haben –, dass wir der Konnexität zustimmen. Das ist ein Zugeständnis, weil wir keine Prinzipienreiterei auf Kosten der Kinder betreiben wollen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn Sie das nicht anerkennen, dann ist das nur noch eine Verstellung und ein Hochjazzen Ihrerseits, weil Sie ein Thema für den Kommunalwahlkampf suchen und weil es Ihnen eben nicht darum geht, dass der Inklusionsprozess gelingt. Das wird dabei sehr deutlich. Sie haben hier nichts Substanzielles vorgelegt, und Sie haben auch nicht gesagt, welche finanziellen Aufwendungen Sie mitzutragen bereit wären. Inhaltlich entfernen Sie sich weit von all dem, was richtig und gut ist.
Von daher will ich noch einmal daran erinnern, dass neben diesen Mitteln, die den Kommunen dann zugutekommen, eben auch die Investitionen von insgesamt 850 Millionen € – betreffend die originären Landesaufgaben – über die Legislatur hinweg bestehen. Wer sagt, dass das, was das Land leistet, nichts ist, darf sich hier in diesem Parlament eigentlich nicht mehr verantwortungsvoll blicken lassen. Es ist auch wirklich eine Unverschämtheit, so durch das Land zu gehen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben doch vorgehabt, 10.000 Lehrerstellen überhaupt nicht mehr im Haushaltsplan auftauchen zu lassen. Die waren in der mittelfristigen Finanzplanung bereits weg. Wir in der Koalition haben sie wiedergeholt und stellen sie den Schulen zur Verfügung. Insbesondere stellen wir sie in einem großen Rahmen auch der Inklusion zur Verfügung – neben den allgemeinen Rahmenverbesserungen, die dann in Schule zu konstatieren sind.
Das war aus meiner Sicht ein enttäuschender Auftritt heute Morgen. Bei Herrn Lindner war es – das wissen wir – Show ohne Substanz. Bei Herrn Laschet war es, finde ich, ausbaufähig. Insofern kommt es, wenn wir hier in den Haushaltsdebatten stehen, vor allen Dingen darauf an, was sie dann wirklich unterstützen, wenn wir zu einer Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden kommen. Wenn das Land etwas für die Kommunen tut, dann müssen Sie auch springen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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