Sigrid Beer: „Das hat mit gutem Föderalismus nichts zu tun“

Antrag der FDP zur Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bund

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat aus einer Stellungnahme des Hannoveraner Kreises der FDP aus dem Jahr 2011. Die Kollegin Pieper-von Heiden hat es damals mit unterschrieben. „Wir FDP-Bildungspolitiker werden mit aller Leidenschaft dagegen kämpfen, dass uns irgendjemand in der Bildungspolitik zur fünften sozialdemokratischen Partei machen will. Wenn wir die gleichen Lösungen anbieten, wie alle anderen, wofür braucht es uns dann noch?“
(Christian Lindner [FDP]: Damit meinte sie mich! Das war gegen mich gerichtet!)
– Ja, das war gegen Herrn Lindner gerichtet, der sich all das jetzt zu Herzen genommen hat. – Aber es stimmt: Wofür braucht es die FDP? Auf jeden Fall nicht zur Einreichung von Bundesratsinitiativen. Das hat nämlich diese Landesregierung schon mehrfach gemacht, zuletzt im Jahr 2014. Leider ist die Bundesregierung dem nicht gefolgt.
(Zuruf von der FDP)
Sie haben auch die Unterstützung mit Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen nicht aufgenommen. Da sind wir als Land mit eingestiegen. Deswegen finde ich es schon amüsant, dass uns die FDP auffordert, endlich mal eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen.
(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: Macht das doch!)
Ja, das finde ich ganz toll.
Also: Wir Grüne kennen seit vielen Jahren die Bedeutung des Ganztagsschulausbaus. Zusammen mit der SPD und der rot-grünen Bundesregierung haben wir 2004 ein 4-Milliarden-Programm aufgelegt – ich will nur noch mal daran erinnern –, um bundesweit den Aufbau von Ganztagsschulinfrastrukturen zu unterstützen. Das war ein wichtiger und produktiver Beitrag zur Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen in der Bildungspolitik, der für Nordrhein-Westfalen einen ganz enormen Schub gerade im Ausbau in der Grundschule mit sich gebracht hat.
Von der damaligen Opposition gab es dafür eigentlich nur Kritik und Häme. So wie bei den Kitas hatte man eigentlich auch das Besteigen des Zuges der Ganztagsschule verschlafen. Übrigens kam die Speerspitze dieser Bewegung dann aus dem Land. Der Kollege Laschet ist jetzt nicht mehr da. Er sagt aber häufig, dass aus Bayern Milch und Honig fließen. Na, in der Sache ist Bayern auch nicht die Speerspitze der Bewegung, sondern eher das Schlusslicht. Das hat uns die Bertelsmann-Stiftung noch einmal deutlich aufgeschrieben. Also richtet den Blick auf Nordrhein-Westfalen. Wir sind nämlich als Flächenland führend, was den Ganztagsschulausbau angeht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Damals wurde aber – das ist mit aus Bayern gekommen – das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen verursacht. Das ist wirklich die kapitalste Fehlentscheidung in diesem Jahrzehnt gewesen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn man das jetzt noch einmal Revue passieren lässt, muss man aber auch sagen, welcher Anteil an dieser Entscheidung der FDP zuzurechnen ist.
(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])
– Frau Gebauer, Sie kommen spät! Willkommen im Klub! Schön, dass wir jetzt darüber reden. Sie sollten aber nicht so tun, als ob Sie damit nie etwas zu tun gehabt hätten; denn damals, 2006, war es die hier mitregierende FDP, die bei der Abstimmung über die Föderalismusreform im letzten Moment umgekippt ist. Heute brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, um das wieder herzustellen, was Sie mit versemmelt haben. Das muss man doch einmal ganz deutlich sagen!
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der FDP)
– Sie zeigen auch wieder mit Fingern auf andere Leute!
Kommen wir jetzt aber zu Ihnen, Herr Lindner. Dieser Zentralismusansatz, den Sie uns jetzt hier in neuer Bonbonverpackung liefern, ist total klasse! Die Kollegin Birkhahn hat ja darauf hingewiesen: Dann wird demnächst die Frage, wie die kleinen Grundschulstandorte im Hochsauerlandkreis gestaltet werden sollen, in Berlin entschieden. Oder in Berlin wird über die Frage entschieden, wie sich das letzte Gymnasium im Kreis Höxter aufgrund der wirklich enormen demografischen Entwicklung entwickeln soll. Herr Lindner, das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Das ist reiner Stammtisch, den Sie da fabrizieren! Das hat mit seriöser Bildungspolitik und der Gestaltung in einem Flächenland wie Nordrhein-Westfalen überhaupt nichts zu tun!
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn Sie mit uns ernsthaft über die Abschaffung des Kooperationsverbotes und darüber reden wollen, das zu einem Kooperationsgebot zu gestalten, dann herzlich willkommen! Dann können wir das wirklich gemeinsam machen. Diese anderen Dinge aber sollten Sie weglassen. Das tut dem Bildungsföderalismus nicht gut.
Ich zitiere noch einmal aus dem Beschluss des Hannoveraner Kreises. Damals wurde Cornelia Pieper beschimpft. Da wurde gesagt: Sie
„spaltet und polarisiert … mit ihren ständigen öffentlichen Forderungen nach einem Zentralabitur, nach der Aufhebung des Kooperationsverbotes, nach mehr Bundeskompetenz und mit ihrer Sehnsucht nach dem DDR-Schulsystem.“
Ich will jetzt gar nicht Herrn Hirche mit ins Feld führen. Der hat ja von einem Reichsschulministerium gesprochen, als es um das FDP-Programm ging. So weit will ich nicht gehen.
Ich will aber doch sagen: Herr Lindner, diese Gedanken sind absurd. Packen Sie das wieder ein. Das hat mit gutem Föderalismus nichts zu tun – auch nichts damit, Qualität in der Bildung hier im Land nach vorn zu bringen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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