Sigrid Beer: „Das größte Sparschwein des Finanzministers steht im Büro der Schulministerin, und das kann nicht sein!“

Zum Antrag der Fraktion der SPD für eine Personaloffensive im Bildungsbereich

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich am Anfang sagen: Wir müssen aufhören mit der Geschichtsklitterung. Etwas wird nicht richtiger, nur weil man es hier vorträgt.

Ich begrüße es außerordentlich, dass jetzt in kurzfristigen Abständen Lehrerbedarfsprognosen durchgeführt werden. Das hat Schwarz-Gelb in den Jahren 2005 bis 2010 nicht in anderen Abständen gehandhabt als Rot-Grün. Dass diese jetzt kürzer anzusetzen sind, ist richtig, aber Sie haben es damals nicht anders gemacht.

Noch etwas zu der Situation im Jahr 2015: Bis dahin wurde ein Schülerrückgang prognostiziert. Erst danach kam die Wende, die noch durch die Zuwanderung verstärkt wurde. Alle Dinge und Stellenreserven, die für Sozialindizes und dergleichen vorgesehen waren, sind auf diese Situation gestoßen. Es ist bewusst gesagt worden, dass wir uns genau anschauen, welche Bedarfe bestehen, um anschließend zu planen. Das galt auch für die Stellen, die kw-gestellt waren.

Anders war es in der Mittelfristigen Finanzplanung von Schwarz-Gelb vor unserer Regierungsübernahme in 2010. 10.000 Stellen waren gestrichen, 1.000 Stellen waren im Haushalt gar nicht ausfinanziert.

Jetzt aber von der Rückwärtsbetrachtung zurück in die Gegenwart: Frau Schlottmann, Sie haben gesagt, es gebe einen Aufwuchs von 2,7 Milliarden Euro. Das ist prima, ich begrüße jeden Cent, der in den Bildungshaushalt fließt. Nur leider sind mehr als 515 Millionen Euro an den Finanzminister zurückgegeben und gar nicht wirksam geworden. Das ist es doch! Ich habe es schon einmal gesagt. Das größte Sparschwein des Finanzministers steht im Büro der Schulministerin, und das kann nicht sein!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ziehen Sie das also bitte nicht nur im Geiste wieder ab, sondern das ist die Situation, wie sie sich in den Schulen widerspiegelt.

Bei Ihrem Ansatz, der eigentlich im Haushalt vorgesehen war, ist doch überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum Sie es nicht geschafft haben, die Attraktivitätssteigerung umzusetzen, nämlich die A13-Besoldung für Lehrkräfte an Grundschulen und in der Sek. I.

Warum haben Sie nicht mit einem Kamineffekt gearbeitet? Warum haben Sie nicht die Weiterbildungsmöglichkeiten für Fachlehrkräfte, für Werkstattlehrkräfte, für technische Lehrkräfte geöffnet, damit da etwas nachkommen kann?

So sind die Stellen weiterhin blockiert, und die Kolleginnen und Kollegen in den niedrigen Einkommensgruppen müssen die Arbeit machen. Sie wissen, dass dies ein rechtlicher Graubereich ist, weil die Berufskollegs aus der Hilfesituation heraus Aufgaben übertragen, die sie eigentlich gar nicht übertragen können. Da ist nichts gekommen, überhaupt nichts.

Dann sprechen Sie die Problematik der Studienplätze an. Ich bin dankbar über jeden einzelnen Studienplatz. Das haben wir 25-mal erzählt. Bei den Universitäten war die Finanzierung überhaupt noch nicht sichergestellt, es wurden keine Verhandlungen geführt, alles wurde erst sehr spät eingesetzt. Die Studienplätze sind längst noch nicht so vorbereitet und wirksam, wie es hätte sein können. Da gab es eine massive Verzögerung, und dafür haben Sie die Verantwortung zu tragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich habe gestern mit großen Augen gelesen, was die FDP in ihrem Positionspapier zu dem Thema, was nach Corona kommen wird, ausgeführt hat. Man hatte den Eindruck, sie habe die Pandemie schon für beendet erklärt. Ich meine, wir haben heute Morgen gehört, dass dies nicht der Fall ist.

Hier wird plötzlich von einer Kooperation mit Lehramtsstudierenden gesprochen. Seit einem Jahr bringen wir das hier vor, tibetischen Gebetsmühlen gleich, wie ein Mantra, um zu betonen, dass dies wichtig ist, dass die Ministerin mit den Hochschulen, mit den Kollegen aus dem Wissenschaftsbereich ins Gespräch kommen muss, um einen gemeinsamen Weg zu finden. Die Hochschulen haben uns in Anhörungen gebeten, mit ihnen darüber zu sprechen.

Jetzt hat man eine Idee und verkauft sie so vage. Nein, konkrete Arbeit ist gefragt. Man muss darüber nachdenken, wie man das Studium und die Praktikumsphasen miteinander aufsetzt. All das haben Sie nicht getan. Das sind Versäumnisse. Deswegen nützt es Ihnen nichts, immer wieder auf Rot-Grün zu verweisen und so zu tun, als ob Sie hier überhaupt keine Regierungsverantwortung gehabt hätten.

(Jochen Ott [SPD]: Vier Jahre! – Marlies Stotz [SPD]: So sieht es aus!)

Sie haben es nicht in dem Maße bewegt, wie Sie es hätten bewegen können. Erkleckliche Summen sind, wie gesagt, an den Finanzminister zurückgeflossen.

Sie haben nichts unternommen, um die Zertifikatskurse auszuweiten. Sie haben nichts unternommen, um den Seiteneinstieg zu qualifizieren. Sie haben nichts unternommen, um die Schulen wirklich flächendeckend mit entsprechender Verwaltungs- und Schulleitungsassistenz auszustatten, damit man entlasten kann.

Es gab keine Attraktivitätssteigerung. Es gelingt Ihnen ja nicht einmal, die zugesagten Beförderungsstellen in den Bezirksregierungen umzusetzen.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Darauf warten die Kolleginnen und Kollegen, und sie sind ziemlich sauer, dass es nicht weitergeht.

(Jochen Ott [SPD]: Nach 15 Monaten!)

Es passiert keine Attraktivitätssteigerung, es passiert keine Entlastung, und es wird auch nichts ermöglicht.

Ich fand es gestern überraschend, dass die FDP davon sprach, es gebe jetzt ein Schulfreiheitspaket. Womit haben Sie denn hier regiert? – Sie haben mit Verboten regiert. Sie haben Solingen dichtgemacht und jegliche pädagogische Souveränität abgesprochen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD -Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Sie haben den Schulen die Möglichkeit genommen, die Situation innovativ zu bewältigen. Sie haben sie überbordend mit Regulativen zugeschüttet.

(Marlies Stotz [SPD]: Heiße Luft!)

– Genau.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sagt die Richtige!)

– Der CDU-Generalsekretär lacht, aber die Leute in der Fläche und in den Schulen lachen nicht.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ich lache über die Selbstgerechtigkeit! – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Denen stehen die Tränen in den Augen.

Letzte Woche haben wir im Schulausschuss tatsächlich noch eine weitere Verengung der Ausbildungsmöglichkeiten erlebt, indem CDU und FDP beschlossen haben, jetzt auch im BK-Lehramt die sonderpädagogische Ausbildung zusammenzufahren.

Sie machen das Gegenteil von dem, was Sie versprochen haben. Sie haben die Schulen bitter enttäuscht. Die Bilanz, die Sie jetzt nach vier Jahren hier vorzuweisen haben, entspricht leider weder den Ansprüchen noch den Worthülsen noch den Fensterreden von bester Bildung, dass Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt stehen. Ich denke, darüber werden wir uns noch oft unterhalten müssen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön. – Herr Präsident! Herr Minister Stamp, ich möchte Sie doch bitten, präzise zu sein. Ja, ich engagiere mich bei „No COVID“ und fühle mich mit Professorinnen wie Melanie Brinkmann und Sandra Ciesek, mit Clemens Fuest, der ja immerhin Präsident des Münchener ifo Institutes ist, oder mit Menno Baumann, Intensivpädagoge hier aus Düsseldorf, da gut aufgehoben.

Hätten Sie auf die „No-COVID“-Gruppe gehört, die eine Öffnungsstrategie vorlegt, wäre es in NRW im November nicht so gelaufen, und es wäre im Oktober und November nicht so dramatisch in den Lockdown gegangen. Hätten Sie mal auf diese Wissenschaftlerinnengruppe gehört. Das haben Sie aber leider nicht. Das genau ist Ihr Versagen, auch bei der Steuerung.

Die Ministerin spricht jetzt schon wieder von Regelbetrieb nach den Ferien. Es ist aber nicht gewährleistet, dass wir einen sicheren Schulbetrieb haben werden. Wir wissen nicht, wie die Schulen vorbereitet werden.

Christof Rasche, ich habe in Ihrem Papier nur gelesen, was nach Corona kommt, aber nichts zur Sicherung der Übergangszenarien, die wir in den Schulen noch haben werden. Im Herbst werden wir aufgrund der Delta-Variante und anderer Dinge gegebenenfalls eine vierte Welle erleben. Ich kann nur hoffen, dass sie so gering wie möglich ausfällt, aber Vorbereitungen dafür haben Sie noch nicht getroffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

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