Rolf Beu: „Wir brauchen einen funktionierenden Wettbewerb der Verkehrsunternehmen“

Antrag der CDU zu Sicherheit in Bussen und Bahnen

###NEWS_VIDEO_1###
Rolf Beu (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele Faktoren tragen zu einem gelingenden öffentlichen Personenverkehr bei. Dafür braucht es eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Verkehrsverbünde brauchen Informationen über das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer, um attraktive Angebote anbieten zu können. Wir brauchen einen funktionierenden Wettbewerb der Verkehrsunternehmen.
Derzeit reden wir im Verkehrsbereich viel über weitergehende Zusatzleistungen für die Kundinnen und Kunden. Aber es ist noch mehr: DB AG und GDL verdanken wir wieder die nicht neue Erkenntnis, dass das Wetter und das Personal, dass die Kolleginnen und Kollegen auf der Lok und am Lenkrad, im Stellwerk und an den Gleisen für das Gelingen des Fahrbetriebs essenziell sind.
Doch es braucht vor allem eines: Geld. Denn alles steht und fällt mit einer auskömmlichen Finanzierung des öffentlichen Personenverkehrs. Hier will ich die Aufzählung beenden, auch wenn ich weit von Vollständigkeit entfernt bin. So viele Faktoren braucht es für einen guten öffentlichen Personenverkehr.
Nun haben die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion einen zweifelsohne sehr wichtigen Punkt aus dieser großen Vielzahl herausgepickt und dazu einen Antrag gestellt. Als regelmäßige Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Verkehrs ist den Damen und Herren der antragstellenden CDU-Fraktion die Sicherheit ganz besonders wichtig. Dies kann ich durchaus nachvollziehen.
Das ist jedoch ein altes und nicht per Verordnung lösbares Problem. Ich persönlich kann mich noch gut an eine Heimfahrt von einem Fußballspiel eines rheinischen Vereins erinnern, der damals noch auf europäischer Ebene gegen einen Klub aus Schottland spielte. Damals flogen nicht nur Scheiben aus der KVB-Bahn. Das Ganze ist aber 35 Jahre her.
Es verwundert schon ein wenig, dass die antragstellende Fraktion gerade jetzt das Thema wieder in den Fokus stellt. Wie bereits gesagt, ist die Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln ein ernstzunehmendes und wichtiges Thema sowohl für die Fahrgäste als auch für das Personal.
Schauen wir uns also die vier Forderungen im Einzelnen an. Da wäre erstens ein Sofortprogramm für mehr Sicherheitspersonal. Die Ausstattung mit und der Einsatz von Sicherheitspersonal im Schienenpersonenverkehr werden seit vielen Jahren von den Zweckverbänden in den Vergabeverträgen mit den Verkehrsunternehmen vertraglich festgeschrieben. Das ist zudem laut Gesetz eine Aufgabe der kommunalen Hoheit. Sollen wir als Landesgesetzgeber die kommunale Selbstständigkeit vom Tisch fegen und etwas von oben herab flächendeckend anordnen? Das würden sich zuerst Ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde lautstark verbitten. So kenne ich sie zumindest in den Gremien der Aufgabenträger.
Anders verhält es sich lediglich bei der Deutschen Bahn. Durch die unterlassene Unterhaltung etlicher Bahnhöfe und Bahnsteige durch das Bundesunternehmen in NRW – an manchen Orten kann man fast von Verwahrlosung sprechen – entstanden erst die zu kritisierenden Angsträume. Gleichzeitig wurde das Bahnpersonal flächendeckend zurückgezogen. In diesem Zusammenhang könnte man auch die Rolle der Bundespolizei erwähnen, welche für die Sicherheit an den Bahnhöfen zuständig ist. Das blendet die CDU hier aus; vielleicht weil Antworten auf die Frage nach der Personalausstattung der Bundespolizei die Bevölkerung verunsichern könnten.
Die zweite Forderung ist ein Sicherheitskonzept für den ÖPNV in NRW. Da haben wir die gleiche Situation. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Verkehrsverbünde und fordert das KompetenzCenter Sicherheit, das gute Arbeit macht. Hier werden Daten von Verkehrsunternehmen über sicherheitsrelevante Vorfälle zusammengeführt. Anhand dessen können die Sicherheitspartner vor Ort auf Probleme reagieren und diese lösen. Damit ist eigentlich auch die Forderung der FDP nach Unterstützung von Ordnungspartnerschaften landesseitig bereits erfüllt. Vielleicht wäre es hilfreich, die Verkehrsunternehmen und kommunalen Aufgabenträger noch einmal gesondert auf diese Möglichkeiten hinzuweisen.
Bei der dritten Forderung nach einem Testprogramm für Fahrerschutzkabinen fühlt man sich gedrängt zu fragen, ob der CDU das Wohl der Fahrgäste weniger schützenswert erscheint als das der Fahrerinnen und Fahrer.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Boah!)
Um aber bei der Sache zu bleiben, möchte ich hinzufügen: Fahrerschutzkabinen sind ein Thema, das wir schon verschiedentlich diskutiert haben. Das ist auch eine Aufgabe, die die Arbeitgeber, nämlich die Verkehrsunternehmen, nach § 618 Abs. 1 BGB selber lösen müssen. Sie haben darüber dann in Gesprächen mit den Betriebsräten und auch den anderen Playern vor Ort jeweils im Einzelfall zu entscheiden, und das wollen und werden wir hier auch nicht zentral landesweit regeln. Ich möchte wiederum feststellen, dass es keine Lösung von oben herab gibt, die für alle passt und die man verordnen kann.
Kommen wir zum nächsten Thema.
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Beu, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Rehbaum würde Ihnen gern eine Frage stellen.
Rolf Beu (GRÜNE): Ja, wenn die Zeit angehalten wird, gern.
Präsidentin Carina Gödecke: Ja, die wird immer angehalten. Das ist gar keine Frage.
Henning Rehbaum (CDU): Vielen Dank, dass ich diese Frage stellen darf. – Die Aussage, wir könnten von oben herab nichts anordnen, die Sie schon mehrfach getroffen haben, passt natürlich nicht zu dem, was Sie ansonsten alles gern von oben, von Landesseite, anordnen. Es geht an dieser Stelle auch nicht um eine Anordnung, sondern um die Möglichkeit
(Dietmar Bell [SPD]: Frage!)
– ja, ja –, zum Beispiel ein Testprogramm für Fahrerschutzkabinen oder zusätzliches Zugbegleitpersonal zu finanzieren. Sind Sie sicher – jetzt stelle ich die Frage –, dass die Verkehrsunternehmen ausreichend vom Land finanziert sind, um zusätzliche Sicherheit zu schaffen?
Rolf Beu (GRÜNE): Sie wissen doch selber, Herr Rehbaum, dass die entsprechenden kommunalverfassten Aufgabenträger praktisch selber bestimmen können, was sie mit den durchgereichten Regionalisierungsmitteln anfangen.
(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
Sie hätten letztendlich auch die Möglichkeit, in den Ausschreibungen entsprechendes Sicherheitspersonal nicht nur für die Abendstunden – das wird schon heute in den meisten Verkehrsverbünden praktiziert –, sondern auch für andere Zeiten zu suchen. Dass sie dann unter Umständen nur Angebote bekommen, die ungünstiger sind als die heutigen, muss in den zuständigen Gremien diskutiert werden. Das heißt, Gelder stehen im Prinzip zur Verfügung.
(Henning Rehbaum [CDU]: Genug!?)
Wie die Gelder eingesetzt werden, Herr Rehbaum, ist dann Sache der Aufgabenträger. Das ist gesetzlich auch so geregelt.
Die vierte Forderung schließlich erledigt sich von selbst, denn sie ist bereits heute erfüllt. Wir haben schon heute eine Förderung der Videoüberwachung im ÖPNV durch das Land NRW. Auch die Verkehrsunternehmen sind großflächig aktiv geworden. Sie haben in Kameras und Videoanlagen für Bahnen und Busse, Bahnsteige und Aufzüge investiert. Wir konnten vor Ort selbst im Prinzip feststellen, dass trotzdem die Privatsphäre und der Datenschutz gewährleistet sind. Dies funktioniert. Ich sage nur zur Erinnerung: Maßnahmen der Sicherheit sind nach dem ÖPNV-Gesetz NRW explizit förderungsfähig.
Die Erhöhung der Sicherheit im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel, auch der subjektiven, ist und bleibt eine permanente Aufgabe. Der beantragte Förderungskatalog ist dabei aber genauso wenig hilfreich wie der Entschließungsantrag der FDP-Fraktion. Wir fordern, dass wir das tatsächlich im Konsens behandeln, …
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Rolf Beu (GRÜNE): … und zwar alle gemeinsam mit gegenseitigem Respekt im Verkehrsbereich und überall in diesem Lande. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehr zum Thema

Innenpolitik, Verkehr