Rolf Beu: „Wir appellieren an die Studierendenschaften und die Verkehrsverbünde, in beidseitigem Interesse die Zukunft der Semestertickets in NRW sicherzustellen.“

Antrag der Piraten zum Semesterticket

Rolf Beu (GRÜNE): Werter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Antragsteller! Wir haben großes Verständnis dafür, dass die vom VRR vorgeschlagenen Preiserhöhungen auf Vorbehalte seitens der Studierenden stoßen. Wir teilen die Auffassung, dass die Preiserhöhungen vor allem in Kombination mit den außergewöhnlichen Erhöhungen und den normalen Tariferhöhungen für viele Studierende zu einer spürbaren Mehrbelastung führen.
Ein nicht unkritischer Punkt des Solidarmodells ist, dass es für Studierende, die direkt an der Hochschule wohnen, häufig das Fahrrad nutzen und selten mit Bus und Bahn fahren wollen, ärgerlich ist, wenn die Preise für Leistungen deutlich erhöht werden, die sie nicht oft in Anspruch nehmen. Nur, das ist der Grundpfeiler des Solidarmodells Semesterticket. Es ermöglicht im Sinne der Solidarität sehr niedrige Preise für Studierende, die auf den ÖPNV angewiesen sind. Denn natürlich ist darauf hinzuweisen, dass für Personen, die den ÖPNV regelmäßig nutzen, ein Ticketpreis von unter 30 € pro Monat sehr günstig ist.
Die einzelnen Studierendenschaften sind grundsätzlich und uneingeschränkt frei darin, das Semesterticket mit dem Solidarmodell in Anspruch zu nehmen oder nicht. Wir werden ihnen dahin gehend keine Empfehlungen oder gar juristische Zwänge auferlegen. Denn dies würde der Autonomie der Studierendenschaften widersprechen.
Dieses eindeutige Bekenntnis zur Autonomie betrifft das gesamte Verhältnis der Vertragspartner beim Semesterticket. Die im Verkehrsverbund organisierten Kommunen mit ihren Verkehrsunternehmen machen ein Angebot, bei dem die Studierenden entscheiden können, ob sie dieses annehmen oder nicht. Das Land kann und will hier keine konkreten Vorgaben zur Preisgestaltung machen abseits dessen, dass es mit seinen jährlichen Zahlungen aus dem Landeshaushalt den Preis nochmals niedriger hält, als er sonst wäre.
Neben allgemeinen rechtlichen Fragen einer weitergehenden Einmischung des Landes wäre eine weitere gravierende Folge, dass nicht ansatzweise eine Betrachtung des Angebots nach Preis und Leistung möglich wäre. Das ÖPNV-Angebot ist an den unterschiedlichen Hochschulstandorten verschieden ausgestaltet, und dies sollte sich auch in den Preisen widerspiegeln.
Insgesamt zeigt die Lage an verschiedenen Hochschulstandorten innerhalb und außerhalb von Nordrhein-Westfalen ein sehr heterogenes Bild. So kostet ein Semesterticket in Aachen beispielsweise 17 €, in Paderborn 28 € und in Mainz über 30 €. Von daher dürfte sich auch der zukünftige Ticketpreis im VRR angesichts des vergleichsweise guten ÖPNV-Angebots in diesem Tarifgebiet im Rahmen halten.
Auch die vorgesehene außerordentliche Erhöhung der Preise ist grundsätzlich nachvollziehbar, wenn man sich die Preisentwicklung bei vergleichbaren normalen Tickets oder Tickets für Auszubildende ansieht. Das Problem ist allerdings die kumulative Wirkung bei den normalen Preiserhöhungen. Nach unseren Berechnungen würde dies dazu führen, dass im Jahr 2019 bei angenommenen 3,5 % normaler Preiserhöhung pro Jahr ein Endpreis von rund 26 € zustande käme. Ungefähr die Hälfte des Zuwachses im Vergleich zum Status quo entstünde durch die üblichen Tarifanhebungen. Hier sehen wir vor allem einen Ansatz, um die Preisentwicklung des Semestertickets, aber auch aller anderen Tickets zu begrenzen.
Jahr für Jahr wird Nordrhein-Westfalen beim Kostenausgleich für die Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs benachteiligt. Aufgrund von Regelungen noch vom Beginn der 1990er-Jahre erhält NRW gerade einmal 15,8 % für den SPNV, obwohl es knapp 22 % der Bevölkerung stellt. Die Differenz liegt bei ungefähr 440 Millionen € jährlich. Hinzu kommt eine mangelhafte Fortschreibung der Mittel von derzeit 1,5 %, obwohl die Preise für die Nutzung von Schienen und Infrastruktur deutlich stärker steigen.
Wir haben uns als Grüne auf Bundesebene intensiv für eine Erhöhung der Mittel und einen angemessenen Anteil des Landes NRW eingesetzt. Das Verfahren läuft noch. Wir erhoffen uns daraus explizit neue Spielräume für eine attraktive Tarifgestaltung der Verbünde und deutlich geringere Preissteigerungen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Ungeachtet dessen bemühen wir uns ständig um Verbesserungen im ÖPNV. Wir sehen durchaus, dass die Struktur der Verkehrsverbünde hinterfragt werden kann. Dies diskutieren wir gerade in der Enquetekommission zur Finanzierung, Innovation und Nutzung des Öffentlichen Personenverkehrs. Diese Diskussionen müssen jedoch auch die besondere Rolle der Kommunen und ihrer Verkehrsbetriebe berücksichtigen. Daher möchten wir darauf hinweisen, dass eventuell daraus resultierende Lösungen auf die Fragen zum Semesterticket aktuell keine Antworten geben können, sondern erst mittelfristig.
Jede weitere überproportionale Vergünstigung des Semestertickets würde heute die Verteuerung der anderen Fahrkartenarten zur Folge haben. Es wäre nicht sozial, wenn beispielsweise eine Verkäuferin oder eine angestellte Friseurin, die mit ihrem Verdienst knapp über den Grenzen für ein Sozialticket liegt und die keine Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Jobtickets hat, am Ende den vierfachen Preis für ihre normale Monatskarte zahlen müsste.
Wir appellieren an die verfassten Studierendenschaften und an die Vertreterinnen und Vertreter in den kommunal verfassten Verkehrsverbünden, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein und in beidseitigem Interesse die Zukunft der Semestertickets in NRW sicherzustellen.
Das Land kann hier keine Ausputzerrolle übernehmen; die Zuständigkeiten sind klar geregelt. Deshalb kann der Piratenantrag nur abgelehnt werden.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)