Rolf Beu: „Ohne umfassende Sicherheitskonzepte wäre es unverantwortlich, tagtäglich Millionen Menschen quer durch die Republik zu transportieren“

Aktuelle Stunde auf Antrag der Piraten zu Videoüberwachung

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Rolf Beu (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist kein Zufall, dass die Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion uns in ihrem Antrag direkt ansprechen, denn wenn es um Grundrechte geht, sind Bündnis 90/Die Grünen die kompetente Partei.
(Heiterkeit von den PIRATEN)
Manche Grundrechte haben wir schon verteidigt, als sie noch nicht allgemein akzeptiert oder noch nicht in Gesetzen festgeschrieben waren, beispielsweise den Umwelt- und Naturschutz oder beispielsweise auch den Datenschutz. Die Bürgerrechtsbewegungen der 1970er-Jahre waren Anlass zur Gründung unserer Partei, der westdeutschen Grünen.
(Zuruf von den PIRATEN: Stimmen Sie nachher gegen den Haushalt?)
Diese Werte und diese Menschen bilden das Fundament, auf dem meine Fraktion steht: Die Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Deshalb begrüßen wir Grüne die Orientierungshilfe zur Videoüberwachung des Düsseldorfer Kreises von September 2015. Sie ist ein wichtiger Leitfaden für die Weiterentwicklung des Datenschutzes im öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland.
Weil nicht jeder weiß, worüber sich der Düsseldorfer Kreis – der Düsseldorfer Kreis ist bekanntlich die Arbeitsgemeinschaft der Datenschützerinnen und Datenschützer des Bundes und der Länder – Gedanken im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Thema gemacht hat, möchte ein paar Stichworte nennen.
In dieser Orientierungshilfe für die Videoüberwachung im ÖPNV geht es erstens um die generelle Zulässigkeit der Videoüberwachung, zweitens die Maßnahmen vor Einrichtung einer Videoüberwachung und drittens die Grundsätze zur Durchführung dieser Videoüberwachung. Diese Erwägungen werden detailliert vollzogen und weitreichende Forderungen werden formuliert.
Dem wird ein Grundsatz vorangestellt, den auch diese Landesregierung immer vertreten hat und weiterhin vertreten wird. Wir sagen: Jede optisch-elektronische Überwachung des öffentlich zugänglichen Raumes muss dem Bundesdatenschutzgesetz und dem Landesdatenschutzgesetz entsprechen. Dies gilt natürlich auch für die Bahnhöfe, für die Haltestellen, für die Stadtbahnen und für die Busse – für alle Anlagen des ÖPNV.
Damit sind wir an dem entscheidenden Punkt angelangt: Diese Orientierungshilfe ist eine Seite der ewigen und unverzichtbaren Abwägung bei staatlichem Handeln zwischen Freiheit und Sicherheit. Eine zweite Seite ist der Wunsch jedes Fahrgastes des öffentlichen Personennahverkehrs, sein Fahrtziel gesund und ohne unzulässige Einschränkung seiner Grundrechte zu erreichen.
Das ist nicht automatisch gewährleistet, dazu braucht es Rahmenbedingungen. Die Landesregierung muss dafür Sorge tragen, diese zu gewährleisten. Die Aufgabenträger des öffentlichen Nahverkehrs müssen dafür Sorge tragen, die Verkehrsunternehmen und deren Beschäftigte müssen dafür Sorge tragen, die Fahrzeughersteller und ‑lieferanten müssen dafür Sorge tragen, nicht zuletzt tragen die Kolleginnen und Kollegen der Bundes- und der Landespolizei täglich dafür Sorge, diese Rahmenbedingungen zu gewährleisten.
Deshalb ist es legitim, wenn der Landesverkehrsminister dieser Koalition über Verbesserungsmöglichkeiten im ÖPNV nachdenkt. Es braucht die ständige Beobachtung, Evaluation und Überarbeitung aller rechtlichen und technischen Zusammenhänge, um das komplexe System der öffentlichen Verkehre am Laufen zu halten. Ohne umfassende Sicherheitskonzepte wäre es unverantwortlich, tagtäglich Millionen Menschen quer durch die Republik zu transportieren. Zweifelsohne ist dies auch ein Thema für die Verkehrsministerkonferenz.
Ein Baustein – ich betone: ein Baustein – eines Sicherheitskonzepts kann auch die Videoüberwachung sein; ein Baustein von vielen. Mehr Personal vor Ort in den Tagesrandzeiten bleibt unverzichtbar. Wo nötig, werden die Wartungs- und Reinigungsintervalle verkürzt. Es gibt das vom Land eingerichtete Kompetenzcenter Sicherheit. Es gibt die Datenbank der Zentralstelle für Regionales Sicherheitsmanagement und Prävention, in der alle sicherheitsrelevanten Vorfälle erfasst werden. Die Aufgabenträger sind bereits auf vielen Ebenen aktiv.
Wenn man diese Anforderungen an den ÖPNV mit der Orientierungshilfe des Düsseldorfer Kreises zusammendenkt, dann werden schnell einige Punkte sichtbar, über die wir in der heutigen Zeit diskutieren müssen. Genau das tun wir – fortwährend. Ich darf sagen, dass wir es begrüßt hätten, wenn sich, wie vor 15 Jahren, alle Beteiligten – die Datenschutzbeauftragten, die Verkehrsunternehmen, die Verbände – zusammengesetzt und gemeinsam eine möglichst konsensuale Position zum Thema „Sicherheit und Videoüberwachung im ÖPNV“ ausgearbeitet hätten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist kein Geheimnis, dass beide Seiten aktuell auseinander liegen, was ihre Sicht der Dinge betrifft. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, also der Dachverband der öffentlichen Verkehrsunternehmen, der VDV, fordert die Aufhebung aller Einschränkungen, die Datenschützer dagegen fordern eher ihre Verschärfung. Es wäre im Interesse aller und ein positives Zeichen gewesen, diese Klärung zu leisten und gemeinsam die stattgefundenen technischen Weiterentwicklungen auf Basis der Erfahrungen der letzten 15 Jahre nachzuvollziehen. Vielleicht gelingt es noch – wir Grüne würden uns sehr darüber freuen.
Diese Diskussion ist aber kein Konflikt innerhalb der Koalitionsfraktionen, weshalb die Initiative der Piraten hier ins Leere läuft. Die Bürgerinnen und Bürger lassen sich mit solchen Anträgen, Anfragen und auch Aktuellen Stunden nicht beeindrucken – das gilt auch für den hier wiederholten CDU-Antrag.
Wir stehen für die Freiheit und für die Sicherheit der Bevölkerung des Landes Nordrhein-Westfalen, und Sie können sicher darauf zählen, dass wir dies auch weiterhin tun. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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