Rolf Beu: „Die Binnenschifffahrt könnte vor allem auf dem Rhein deutlich mehr Güter transportieren und unsere überfüllten Straßen und Schienen entlasten.“

Gemeinsamer Antrag zu modernen Wasserwegen

Rolf Beu (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! NRW ist das Binnenschifffahrtsland Nummer eins. Fast die Hälfte des Güterumschlags im deutschen Binnenschifffahrtsverkehr findet in nordrhein-westfälischen Häfen statt. Dazu kommt die Bedeutung für den Transitverkehr. Der Rhein ist mit großem Abstand die bedeutendste Schifffahrtsstraße Europas. Das Binnenschiff ist eines der umweltfreundlichsten Verkehrsmittel – vor allem im Vergleich zu dem weiter stark anwachsenden Güterverkehr auf der Straße. Ein modernes Binnenschiff hat die Kapazität von 150 Lastkraftwagen.
Die Realität sieht aber nicht so rosig aus. Die Beförderungsleistung der Binnenschifffahrt stagniert seit Jahrzehnten, und der Anteil am gesamten Güterverkehr sinkt langsam und kontinuierlich und beträgt deutschlandweit gut 9 %. Es bestehen Kapazitätsreserven. Die Binnenschifffahrt könnte vor allem auf dem Rhein deutlich mehr Güter transportieren und unsere überfüllten Straßen und Schienen entlasten. Aber die Binnenschifffahrt dümpelt vor sich hin.
Die Gründe für die Probleme wurden vor allem in der Anhörung zu den beiden Anträgen deutlich: zum Beispiel die Überalterung der Schiffsflotte, mangelnder Nachwuchs, Konkurrenzsituation und gesamtwirtschaftliche Entwicklung, Kapazität und Zustand der Kanäle.
Zum Letzteren sei hier deutlich angemerkt: Es handelt sich um Bundeswasserstraßen, welche die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes verwaltet. Die Kernprobleme sind: defekte Schleusen, fehlendes Personal, Unterfinanzierung.
Es kann nicht sein, dass – wie es in der Anhörung hieß – Mitarbeiter froh sind, wenn häufig die Schleuse ausfällt, damit Überstunden abgebaut werden können. Es kann nicht sein, dass bayerische Bürgermeister deutlich bessere Chancen auf ihre Ortsumgehung haben als das Land NRW auf eine Stärkung seiner zentralen Hafenstandorte. Es kann nicht sein, dass die zuständige Wasserstraßenverwaltung personell hoffnungslos unterbesetzt ist und mehr mit internen Reformen beschäftigt wird als mit Kanälen und Schiffen.
Der Bund muss dafür sorgen, dass die Bundeswasserstraßen in Nordrhein-Westfalen funktionieren und bedarfsgerecht ausgebaut werden. Es darf nicht länger auf Sicht gefahren werden. Es braucht einen klaren Kompass für funktionierende Wasserstraßen.
Neben dieser grundsätzlichen Verantwortung des Bundes müssen wir als Land NRW ein Maßnahmenpaket schnüren, um den Kahn wieder flottzubekommen. Wer glaubt, das wäre einfach, ist auf dem falschen Dampfer. Lassen Sie mich hier vier Punkte hervorheben:
Erstens. Die Schifffahrtsstraßen müssen kalkulierbar befahrbar sein. Für uns Grüne ist dabei wichtig: Jegliche wasserbaulichen Maßnahmen müssen mit dem Gewässerschutz vereinbar sein. Dass das geht, wenn man will, hat die Anhörung gezeigt. Es wäre aber absurd, wenn man die Umweltvorteile des Binnenschiffs mit Umweltschäden an unseren Flüssen erkaufen würde.
Zweitens. Häfen müssen für Hafennutzungen gesichert werden. Das macht die rot-grüne Landesregierung zum einen über den Entwurf des Landesentwicklungsplans. Wir müssen aber auch im Detail dafür sorgen, dass an den Hafenstandorten eben auch Hafennutzungen realisiert werden – vor allem für den Umschlag zur Straße und zur Schiene und für Unternehmen, die gut zur Binnenschifffahrt passen. Nur so können wir die Rolle des Binnenschiffs stärken und den Verkehr von der Straße auf Bahn und Schiff verlagern.
Drittens. Innovation bei der Binnenschifffahrt muss unterstützt werden. Dazu zählt eine Umstellung der Kraftstoffversorgung. Das ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch vernünftig. Gleiches gilt für eine funktionierende Landstromversorgung, deren Aufbau das Land NRW ebenso anschieben und koordinieren kann.
Viertens. Wir müssen, wie im Verkehrssektor insgesamt, verstärkt europäisch denken. Die belgischen und niederländischen Häfen sind für Nordrhein-Westfalen und die Binnenschifffahrt von zentraler Bedeutung. Wir hoffen auch hier auf Initiativen und Unterstützung vonseiten der Europäischen Union.
Der vorliegende Antrag aller Fraktionen enthält dies und vieles mehr. Er gibt den richtigen Kurs vor. Einig ist man sich, dass mehr für die Binnenschifffahrt getan werden muss. Über das Wie wird man dann bei den einzelnen Projekten diskutieren, wenn ein Konzept vorliegt. Die Leitplanken – hier sollte man vielleicht sagen: die Flussufer – für dieses Konzept werden wir heute beschließen.
Die grüne Fraktion dankt allen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit zur Erstellung des gemeinsamen Antrags. Das ist ein richtiges Signal; denn gerade bei diesem Thema sitzen wir in NRW doch alle im selben Boot. Nun hat der Minister das Ruder in der Hand und kann auf dieser Basis ein Konzept zur Stärkung der Binnenschifffahrt in NRW zum Wohl von Umwelt und Wirtschaft vorlegen. Uns erwarten also noch spannende Diskussionen dazu. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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