Reiner Priggen: „Wenn wir über Digitalisierung reden, dann reden wir über einen Prozess“

Regierungserklärung zur Gestaltung des digitalen Wandels in NRW

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Reiner Priggen (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!
Gestatten Sie mir zwei, drei Vorbemerkungen, Herr Lindner, einfach um Ihrem Alarmismus zu widersprechen.
Erstens. Sie erwecken ja den Eindruck, als ob 2025 in Nordrhein-Westfalen eine Bildungskatastrophe im MINT-Bereich ausbrechen würde.
(Zuruf von den PIRATEN: Nicht nur da!)
Bis dahin werden zwei komplette Durchgänge von Lehrern und Lehrerinnen ausgebildet. Derzeit studieren 26 % derjenigen, die in Deutschland studieren, in NRW, obwohl wir nur 21 % der Gesamtbevölkerung ausmachen. Das heißt, wir sind ein hochattraktives Land für Studierende. Ich bin auch ganz sicher, dass im Rahmen der Schwerpunktsetzung die notwendigen Zahlen innerhalb von zehn Jahren zur Verfügung stehen werden. Insofern ist Gelassenheit angesagt und nicht dieser Katastrophismus.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zweitens. Ich habe eben, lieber Christian Lindner, ein bisschen Spaß gehabt, als du am Anfang deiner Rede etwas von 16 Megabit erzählt hast. In der Vorbereitung habe ich noch mal eine bösartige Anfrage der Abgeordneten Horst Becker und Reiner Priggen vom 19. Februar 2010 herausgesucht; da war die FDP noch in der Regierung, Armin Laschet noch im Kabinett. Da haben wir beide gefragt: „Wird das ‚schnelle Internet‘ 2010 auch nach Linnich-Boslar kommen?“ Die Antwort auf diese Kleine Anfrage findet man in der Drucksache 14/10985. Mit der habt ihr uns damals eine lange Liste mit den Geschwindigkeiten geschickt, die das „schnelle Internet“ hat. Ihr habt da alle Kommunen aufgeführt, auf ganz vielen Seiten. Da steht unter „DSL-Verfügbarkeit 384 Kilobit“ immer 100 % der Haushalte, 99 % der Haushalte usw. Als ihr mit dem Regieren aufgehört hat, war das für euch „schnelles Internet“. So viel dazu, dass du mir gegenüber eben …
(Heiterkeit von den GRÜNEN und der Regierungsbank – Minister Johannes Remmel: Das waren aber drei Elfmeter! Drei Elfmeter waren das!)
– Ist ja gut. – 384 Kilobit!
Jetzt würde ich ganz gerne, um auch das klarzustellen – entschuldigen Sie, Frau Ministerpräsidentin –, einen Satz aus der Regierungserklärung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann vom 15. Oktober 2014 zitieren, nur einen Satz: „Bei der digitalen Infrastruktur liegen wir zusammen mit NRW an der Spitze der Flächenländer.“
(Minister Johannes Remmel: Wunderbar!)
Das sagte der baden-württembergische Ministerpräsident.
Die reale Zahl sieht so aus: Mitte 2014 hatten 70,7 % der Haushalte in NRW eine Übertragungsrate von 50 Megabit. Ich wiederhole: 50 Megabit – nicht 384 Kilobit. Baden-Württemberg hatte 69, 2 %, Bayern 62,4 %. Ministerpräsident Kretschmann muss ja auch nicht in seinem eigenen Parlament sagen: „NRW liegt noch ein bisschen vor uns“, aber er ist an dieser Stelle zumindest fair. Er ist jedenfalls fairer, als Sie beide, Herr Lindner und Herr Laschet, wenn Sie immer als Erstes das Land schlechtmachen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der Regierungsbank – Zuruf von der CDU)
Dann muss ich sagen: Eigentlich hätten wir heute noch zwölf weitere Regierungserklärungen haben können. Denn gucken Sie mal, wie dieser Prozess abläuft, wie er alle Lebens- und Arbeitsbereiche umwälzt, und das nicht nur in diesem Jahr, sondern seit den letzten zehn, 20 Jahren. Wir wissen – ob es nun Guntram Schneiders Ministerium, das Justizministerium oder das Gesundheitsministerium ist, egal welches Haus –: Jedes Haus arbeitet zu diesem Thema seit Jahren akribisch mit sehr viel Elan nach vorne. Das hätte alles angesprochen werden müssen. Das wäre spannend gewesen. Das wäre auch adäquat gewesen, wenn wir darüber sprechen, welche Bedeutung der ganze Prozess für unser Land hat – dieses alte, von Kohle und Stahl geprägte Industrieland.
Wenn man das Ganze ein bisschen genauer einordnen will, dann muss man sich fragen: Was haben herausragende technische Neuerungen immer wieder an durchgreifenden Veränderungen gebracht für unsere Arbeitsweise, aber auch für die private Umgehensweise? Ich sage mal: Es war der Buchdruck, der als Urknall der Moderne überall die Möglichkeit geschaffen hat, sich Bildung anzueignen.
Gerade wir in diesem Land haben mit solch durchgreifenden Veränderungen große Erfahrungen gemacht. Die erste industrielle Revolution hat in Nordrhein-Westfalen ihren Ursprung gehabt. Die Dampfmaschinen wurden entwickelt, und mit den Dampfmaschinen war es möglich, die Kohle aus großen Tiefen zu fördern und obendrüber Stahl zu produzieren. Das ist eine der Gründungstatsachen des modernen Industrielandes Nordrhein-Westfalen gewesen. Danach kamen die Fließbandfertigung, der Einsatz elektrischer Energie. Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts kam die Automatisierung der Produktion hinzu.
Wenn wir über Digitalisierung reden, dann reden wir über einen Prozess, der mit nie geahnter Geschwindigkeit alles, was wir an Arbeit machen, was wir an Ausbildung machen, bis hin in unsere privaten Verhältnisse ändert und umwälzt.
Frau Ministerpräsidentin, ich habe mich sehr gefreut, dass Sie in den ersten fünf Minuten Ihrer Rede dreimal die Technische Hochschule Aachen erwähnt haben; Sigrid Beer hat sich über Paderborn gefreut, aber Aachen war insgesamt fünfmal dabei. Ich kann mich noch gut erinnern – es ist spannend, wenn wir das Thema in der Fraktion diskutieren und ich als über Sechzigjähriger dabei bin – an meinen Studienbeginn als Maschinenbauer an der TH Aachen. Wenn ich Matthi Bolte, der bei uns im Netzbereich arbeitet, und der 32 Jahre später geboren ist als ich, den Rechenschieber zeige, mit dem ich im ersten Semester angefangen habe – er versteht diese logarithmischen Hieroglyphen gar nicht; er meint, das sei eine Grabbeigabe aus dem Pharaonengrab.
(Heiterkeit von der Regierungsbank)
Und ich weiß noch: Ich war stolz wie Bolle; das war damals ein ganz modernes Ding, das war wie der Zauberstab von Harry Potter. Das ist jetzt alles Geschichte.
Norbert Römer hat mir irgendwann mal erzählt, dass er noch Bleidruck gelernt hat. Im Zusammenhang mit solchen Dingen erkennen wir – und das ist auch die Alterserfahrung –: Viele Menschen, die arbeiten, erleben diese Prozesse auch als Bedrohung, als radikale Veränderung ihres Lebens.
Die Frage ist doch: Wie können wir diese Prozesse gestalten? – Dafür sind wir als Politik verantwortlich. Wie können wir sie so gestalten, dass die Menschen mitgenommen werden, dass wir die Arbeitsplätze erhalten, dass wir in diesem Wandel, der in unserem Land stattfindet, die modernen Arbeitsplätze hierher holen? Das genau ist unsere Aufgabe. Dazu habe ich von beiden Oppositionsführern nicht ein einziges konstruktives Wort gehört.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Lassen Sie mich noch etwas sagen: Altbundespräsident Horst Köhler hat in seiner Berliner Rede am 24. März 2009 einen ganz bemerkenswerten Satz gesagt, nämlich: „Nehmen wir uns deshalb die nächste industrielle Revolution bewusst vor: diesmal die ökologische industrielle Revolution.“
Und das ist das, was aus meiner Sicht jetzt passiert – mit allen Ängsten, die damit verbunden sind. Wir erleben nichts anderes als den Übergang vom fossilen zum elektrischen Zeitalter. Das dauert, das streckt sich über einen bestimmten Zeitraum, aber das ist genau der Prozess, der gerade abläuft.
Dabei haben viele Menschen Ängste, zum Beispiel um ihren Arbeitsplatz. Das sind immense Herausforderungen. Aber das ist genau die Chance, die wir haben.
Die Digitalisierung ist die ganz große Chance bei der Umsetzung der ökologischen industriellen Revolution. Das ist ein Umbruch in der Geschichte der Technik und der menschlichen Kommunikation. Manchmal ist das hart. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir einmal zu viert zu Hause am Tisch sitzen und alle auf diese Dinger gucken, die immer irgendwie am Hupen und am Piepen sind. Aber es ist ein Teil dessen, was wir erleben. Das das sich auch durch viele andere Bereiche.
Aus meiner Sicht müssen wir – das ist das Faszinierende für jemanden, der aus der Technik kommt – die Chancen, die in diesem Prozess liegen, in allen Bereichen sehen und nutzen, die Interessenauseinander­setzungen dahinter austragen und die Probleme dabei ansprechen. Auch dazu habe ich nichts gehört.
In der heutigen Gesellschaft müssen diejenigen, die ausgebildet werden, immer wieder gucken, dass sie mit ihrem Wissen standhalten. Es ist nicht wie früher, als der Meister das Know-how bei der Arbeit an den Gesellen weitergegeben hat. Das ändert sich so radikal, dass erhebliche Risiken darin liegen, wenn Unternehmen diese Prozesse nicht mitmachen.
Wir erinnern uns alle noch gut an einen namhaften Weltmarktführer, Triumph-Adler, der die besten Schreibmaschinen der Welt hergestellt hat. Wie viele Literaturnobelpreisträger haben auf einer Triumph-Adler geschrieben? Das war wie Clapton auf seiner Fender. Dieses Unternehmen hat den Übergang zur Computertechnik nicht erfolgreich geschafft; es ist heute nicht mehr da.
Genau diese Diskussion führen wir an vielen Stellen. Der Kollege Guido van den Berg, den wir alle als jemanden kennen, der sich engagiert für die Arbeitsplätze im Braunkohlenrevier einsetzt, hat mich eingeladen. Wir sind zusammen nach Berlin gefahren und haben uns Younicos angesehen. Norbert Römer ist seit Langem im Aufsichtsgremium des Regionalversorgers WEMAG in Mecklenburg-Vorpommern, in Schwerin. Da bin ich letzte Woche gewesen und habe mir den Batteriespeicher angesehen, den Younicos entwickelt hat – ein faszinierendes Instrument, um tatsächlich Netzstabilität zu erzeugen. Die Ministerpräsidentin hat von einem Unternehmen in Wuppertal gesprochen.
Ich finde, genau so etwas, was Younicos entwickelt hat, was in Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt wird, müssen wir nach Nordrhein-Westfalen holen. Wir müssen Netzstabilität über Batteriespeicher herstellen. Das Entscheidende an der Stelle ist der Prozessrechner. Der wird so gut gesteuert, dass der Hersteller 20 Jahre Garantie auf die Batterie gibt. Wenn Sie sich die Batterietechnik ansehen, dann erkennen Sie, dass es das sonst nicht gibt. Er gibt 20 Jahre, weil die Software der Steuerung so genial ist, dass die Batterien, Tausende von Einzelzellen, optimal be- und entladen werden. Das ist eine hervorragende Lösung.
Die speichern damit Windstrom und nutzen ihn für die Netzstabilisierung. Sie bewerben sich im Wettbewerb. Die Netzstabilisierung wird jede Woche auktioniert. Seitdem das Ganze in Betrieb ist, haben sie die Auktion jede Woche gewonnen. Das heißt, sie sind in der Lage, im Wettbewerb mit den großen alten Kraftwerksblöcken tatsächlich zu bestehen.
Wir werden noch 30 Jahre einzelne Kohlekraftwerke haben – das ist gar nicht die Frage –, aber es werden weniger. Die, die jetzt Netzstabilisierung über die Schwungmassen der Kohlekraftwerke machen, stehen mit denen dann immer mehr im Wettbewerb.
Nachdem wir in Berlin waren, hat Guido van den Berg versucht, bei den großen regionalen Unternehmen durchzusetzen, dass sie das im Rheinischen Revier einsetzen. Die haben uns ihrerseits vorgeschlagen, CO2-Freilandbegasung von Rüben und Kartoffeln zu machen, sind nicht darauf eingegangen. – Da hast Du Dir die Abfuhr geholt.
Für das modernste Elektrofahrzeug, das in NRW gebaut wird, den Streetscooter in Aachen, wurde eine Beteiligung über 6 Millionen € gesucht. Dafür sollten 50 % abgegeben werden. Deshalb bin ich wenig später bei dem gleichen Unternehmen gewesen und habe gefragt: Ist das nicht etwas für die Innovationsregion Rheinisches Revier? – Kein Interesse. Automobilherstellung ist nicht ihr Bereich. Jetzt hat die Post es aufgekauft. Genau das ist der harte Kampf in der Realität.
Die Chancen, die Möglichkeiten, die in dem Prozess liegen – ich könnte jetzt aus den ganzen Jahren, in denen ich mich mit Energiepolitik beschäftigt habe, eine Kette von Unternehmen aufzählen –, müssen wir nutzen. Es ist die Frage, wo wir unterstützen können, worauf wir hinweisen können. Wir waren wie ein Missionswerk unterwegs. Letztendlich entscheidet das Unternehmen. Es ist natürlich eine harte Situation, wenn all die neuen Bereiche, auf die wir hinausmüssen, von den Unternehmen abgelehnt werden. Trotzdem müssen wir weiterkommen. Deswegen ist es genau richtig, das virtuelle Kraftwerk hierher zu holen. Wir wollen zusammen dafür kämpfen, dass wir die neuen Chancen und Möglichkeiten, die wir im Rahmen der Energiewende brauchen, hierhin bekommen.
Ich sage auch ganz klar: Ohne die Möglichkeiten der Digitalisierung wäre der Ausbau der Erneuerbaren überhaupt nicht möglich gewesen. Die erneuerbaren Energien mit ihren Potenzialen, die heute Primärenergieträger Nummer eins in Deutschland sind, gäbe es sonst nicht. Das ist genau das revolutionäre Gemisch. Ich kann die Steuerung, den Einsatz dieser Technik nutzen, Zug um Zug aufbauen und damit sowohl Arbeitsplätze, Entwicklungsmöglichkeiten als auch eine reduzierte Abhängigkeit von Rohstoffimporten herstellen. Wenn wir die Kette so erfolgreich fortsetzen, dann muss ich vor keinem Ölscheich auf den Knien rumkrabbeln und ihn darum bitten, dass er uns Öl oder Gas liefert. Ich muss bei niemandem, der Menschenrechte verletzt, anstehen. Dann haben wir eine gerechte Verteilung der kostenlosen Energiezubringer Sonne und Wind für alle.
Es ist noch eine Strecke, aber die Entwicklung dahin geht mit der Digitalisierung Meter um Meter voran. Das sollten wir zusammen machen und das Land aufstellen, aber auch die Ängste derjenigen aufnehmen, die da jetzt noch beschäftigt sind und diese Perspektive noch nicht so sehen, und ihnen Lösungsmöglichkeiten anbieten. Aber der Weg muss eindeutig sein. So sind wir verabredet, und genau das machen wir.
Zur gesamten Energiepolitik habe ich von beiden Oppositionsführern nicht ein einziges Wort gehört.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich führe das nur exemplarisch auf; wir waren da bei vielen Firmen.
Alles gilt genauso für den gesamten Bereich der Mobilität, für das, was Mike Groschek macht. Es geht um die spannenden Projekte im Bereich der Mobilität, die Umstellung der Mobilität Zug um Zug in Richtung Elektromobilität –
(Christof Rasche [FDP]: Aufs Fahrrad!)
mit besseren Batterien, mit Möglichkeiten zum Be- und Entladen. Ein Beispiel ist die Krankenschwester, die aus der Eifel 30 km zum Klinikum nach Aachen fährt. Das Auto steht elf Stunden zu Hause und neun bis zehn Stunden am Klinikum. In der Zeit kann es angeschlossen werden. Es hat einen mobilen Speicher, den man laden kann. Das ist genau die richtige Einsatzmöglichkeit und kostet einen Bruchteil dessen, was Benzin kostet.
Das geht nicht so schnell, die Entwicklung braucht Zeit, aber genau das ist die Perspektive. Auch da muss niemand Angst haben. Unsere hervorragende Motorentechnik wird noch über lange Zeit die Basis sein. Aber wenn wir in den anderen Bereichen nicht entwickeln, nicht aufpassen, nicht forcieren, dann geht uns die Weltmarktführerschaft, die wir in der Technik haben, verloren. Auch das ist ein Bereich, in dem wir darum kämpfen, dass wir die Wertschöpfung in Nordrhein-Westfalen behalten und sogar ausbauen. Deswegen ist das so wichtig.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Das gilt im Verkehrsbereich – „Smart City“ – und auch in allen anderen Bereichen. Im Gesundheitssystem – Kollege Bolte wird es gleich noch ansprechen – bieten sich immense Möglichkeiten. Die Bevölkerung wird immer älter. Da geht es um vernünftige Pflege und Unterstützung. Wir könnten es für alle Bereiche durchdiskutieren. Es ist, glaube ich, eine sehr interessante und spannende Diskussion und eine – gerade wenn Sie eine Affinität zur Technik haben – herausfordernde Möglichkeit.
Grundlage von allem – das war ja der Ausgangspunkt – ist natürlich, dass wir den Netzausbau hinbekommen. Der Netzausbau ist doch nichts anderes als der Ausbau von Stromleitungen und Wasserleitungen. Der Netzausbau in Nordrhein-Westfalen ist laut Kretschmann – ich glaube, der gilt da als unabhängiger Zeuge – sehr gut. Aber wir müssen noch viel besser werden und auch die Schwächen klar benennen.
Wenn wir in Nordrhein-Westfalen sagen: „Wir brauchen den Breitbandanschluss“, dann müssen wir natürlich die Differenzierung vor allen Dingen zwischen Ballungsraum und ländlichem Raum sehen. Es kann nicht sein – das ist der entscheidende Punkt –, dass wir unsere Bemühungen nicht ganz, ganz hoch ansetzen, dem ländlichen Raum die gleichen Chancen zu geben. Denn der schnelle Breitbandanschluss ist im ländlichen Raum Existenzgrundlage für Mittelstand, für Handwerk, für Firmen; er ist Bildungszugang. Es gibt nicht einen einzigen Grund, warum wir das dort nicht machen sollten.
Genau deswegen hat die Regierung die Schwerpunkte so gesetzt. Kollege Lindner hat eben eventuell die Programme durcheinandergebracht; denn die ELER-Mittel sind an der Stelle deutlich aufgestockt worden. Und es wird intensiviert. Auch wenn wir unter allen Ländern führend sind, wird da noch deutlich aufgestockt.
Wenn die Auktionsmittel hereinkommen – wir wissen nicht genau, wie viel es ist; man kann aber nüchtern davon ausgehen, dass mindestens 1 Milliarde € reinkommen –, dann werden wir nach dem Königsteiner Schlüssel mindestens 100 Millionen € bekommen, die direkt umgesetzt werden sollen.
Zu dem großartigen Beschwören der immensen bayerischen Leistung von 1,5 Milliarden € – das habe ich jetzt zweimal gehört –: Die Realität sieht anders aus. Es fließen deutlich weniger Mittel ab, lieber Armin Laschet, keine 50 Millionen €, weil die Kommunen auch in Bayern die Gegenfinanzierung nicht hinbekommen. Horst Seehofer bläst es in jeder Regierungserklärung – zwei Regierungserklärungen habe ich mir durchgelesen – als Ziel der bayerischen Politik auf. Aber die Realität sieht ganz anders aus. Ich glaube, wir können uns da gut blicken lassen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema hat außerordentlich viele Facetten. Ich habe eingangs gesagt, wir könnten eigentlich zwölf Unterrichtungen – eine aus jedem Ressort – machen.
Und es geht nicht nur um den technischen Teil. Ich will noch einen zweiten Bereich ansprechen: Das ist ganz eindeutig alles, was mit Verbraucherschutz zu tun hat. Wir alle erleben immer wieder, dass Bürgerinnen und Bürger uns anschreiben oder ansprechen. Wer einmal in die Verbraucherzentralen vor Ort geht und fragt, welche Probleme von den Menschen dort am meisten angesprochen werden, der erfährt, dass das immer mit Telekommunikation, mit Digitalisierung zu tun hat. Die Menschen kommen mit den Vertragskonditionen, mit dem Gebaren der Unternehmen nicht klar.
Also wissen wir auch, dass wir eine Beratungseinrichtung brauchen und Gesetze anpassen müssen, damit der Verbraucherschutz an der Stelle gewährleistet ist. Das ist unsere Aufgabe. Auch da hat die Landesregierung eine sehr gute Arbeit geleistet. Die Ministerpräsidentin hat vorhin erklärt, Ziel ist der Ausbau auf 62 Beratungsstellen, damit überall im Land auch diejenigen, die mit diesen Angeboten noch nicht klarkommen – das muss man ja auch erst lernen –, die Chance haben, damit umzugehen.
Es gibt ein riesiges Spektrum an Themen. Wir könnten hierzu sehr lang und sehr detailliert diskutieren. Es ist ein laufender Prozess. Die Digitalisierung ist nicht mit der Regierungserklärung erfunden worden, natürlich nicht. Ich habe die Veränderungsprozesse in den Ausbildungen beschrieben. Wir wissen, dass das seit langer Zeit durch alle Betriebe, durch alle Ausbildungsbereiche geht. Es wird auch noch lange so weitergehen. Es ist ein unglaublich faszinierender Prozess, weil genau damit auch die Chance besteht, für die Menschen insgesamt etwas zu erreichen, was für sie eine Steigerung der Lebensqualität bedeutet. Das muss unser Ziel sein. Da sind wir in der Verpflichtung, Technologie sich entwickeln zu lassen und gleichzeitig die notwendigen Schutzrahmen zu setzen, damit die Menschen dem nicht hilflos ausgeliefert sind. Ich meine, da machen wir eine vernünftige Arbeit.
Wenn der baden-württembergische Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen lobt, dann wollen wir das mal so stehen lassen. Dass die Oppositionsführer pflichtgemäß kritischer sein müssen, nehmen wir in dem üblichen Wettbewerb, den wir hier haben, gelassen hin. Das muss dann so sein. Aber wir machen die Arbeit und werden die weiteren Debatten zusammen führen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)