Reiner Priggen: „Der beste Koalitionsvertrag“

Aussprache zur Regierungserklärung

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Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Herr Lindner, Sie sind ohne Frage jemand, der hier vorne den begnadeten Unterhalter geben kann. Sie werden aufpassen müssen, dass Sie nicht zur medialen Sternschnuppe werden. Denn die Plattitüden, die Versatzstücke aus alten FDP-Reden, die Sie gebracht haben
(Christof Rasche [FDP]: Das haben Sie schon vorgestern aufgeschrieben!)
– ganz ruhig, hören Sie es sich an! –, Vollkaskomentalität und Ähnliches, das alles hat es immer wieder gegeben. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was Sie machen würden, wenn Sie hier im Land Verantwortung hätten. Dann ist mir aufgefallen, dass Sie jedes Mal, wenn es ernst wurde, abgehauen sind. Sie sind aus Nordrhein-Westfalen abgehauen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der FDP)
Man kann diese forsche Nummer der Kavallerie machen. Ich habe hier in den letzten Jahren ein paar Kollegen erlebt, die ähnlich drauf waren; ich will sie gar nicht alle nennen. Aber ich kann sagen: Es geht nicht gut aus.
Das, was Sie hier gemacht haben, war eine forsche Attacke. Außerdem haben Sie geleugnet, dass Sie auch im Bund für eine ganze Reihe von Sachen Verantwortung getragen haben, die uns hier Probleme machen. Für all das ist Herr Lindner nicht mehr verantwortlich.
(Christian Lindner [FDP]: Sagen Sie mal, welche!)
Ich will Ihnen das mal sagen. Sie haben die Verkehrsinfrastruktur angesprochen. Sie haben auf Bundesebene – das kann man Zahl für Zahl nachweisen – mit dafür gesorgt, dass die Neubaumittel immer überproportional in den Süden abwandern und nicht nach Nordrhein-Westfalen gehen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Es gibt eine faire Verteilung: nach dem Königsteiner Schlüssel. Wir leugnen es doch gar nicht: Wir sind das wichtigste Transitland in der Republik. Wir brauchen eine starke Verkehrsinfrastruktur. Wenn aber Ramsauer – das gilt auch für alle Vorgänger – ungeniert überproportional Mittel nach Bayern umlenkt, dann können wir nachweisen, dass wir die Gelder dafür nicht haben. Das wissen Sie ganz genau. Sie haben dafür Mitverantwortung, stellen sich aber hierhin und tun so, als ob das Problem darin bestünde, dass wir hier zwischen Neubau und Unterhalt entscheiden müssten. Sie haben keine Ahnung davon, wie es im Land aussieht. Wir sind froh, wenn wir den Unterhalt schaffen. Und wir wissen, dass wir mit dem Brückenbau der 70er-Jahre eine Riesenhypothek haben. Die Brücken aus jener Zeit müssen repariert werden. Wir sind froh, wenn wir das halten können.
Wenn es Geld für Neubau gibt: Ja, dann lassen Sie uns neue Strecken bauen. Wir können Ihnen Infrastrukturstrecken – die hat die Ministerpräsidentin gestern angeführt – im Bahnbereich nennen. Da können wir ohne Ende jahrelang bauen. Ich nenne das dritte Gleis der Strecke von Köln über Düren hinüber nach Aachen – oder auch das vierte dazu. Gerne, ja, sofort. Besorgen Sie die Mittel im Bund! Da haben Sie doch Einfluss. Sie sind doch der heimliche Vorsitzende der FDP. Organisieren Sie das! Wir bauen die sofort.
Weiter geht es um die Linie hinüber Richtung Holland. Ob das der Eiserne Rhein auf einer anderen Trasse ist oder ob das dann entlang der Autobahn geht, das wird noch austariert werden müssen. Aber dass wir eine solche Linie brauchen, ist klar. Wir wollen sie gerne haben. Wir brauchen einen Umbau des Knotenpunktes in Köln. Wir brauchen Dortmund und auch die Strecke Richtung Hamm.
Woran liegt es denn? Es liegt daran, dass im Bund systematisch eine Politik gemacht wird, die dazu führt, dass Nordrhein-Westfalen die Mittel dafür nicht erhält. Es ist also nicht so, dass wir keinen Neubau wollten, sondern das Problem ist auf Ihre Untätigkeit zurückzuführen.
Auch will ich Ihnen sagen, Herr Lindner: Sie haben jede Plenarschweinerei im Bund, die zu massiven finanziellen Belastungen des Landes Nordrhein-Westfalen führte, mitgemacht. Sie sind in verantwortlicher Position bei der FDP mit dabei gewesen, als das Wachstumsbeschleunigungsgesetz eingestielt wurde. Sie können sich hier nicht kleinmachen, weil Sie nicht in der Regierung waren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Allein dieser Unsinn, diese eine Milliarde an Mövenpick, auch das wahllose Ausstreuen von Kindergeld und anderen Sachen – das hat für Nordrhein-Westfalen in jedem Jahr zu Belastungen von 880 Millionen € geführt. Davon weiß er nichts mehr, stellt sich hierhin und hält eine große Rede darüber, was andere tun müssten.
Sie haben, was die Energiepolitik angeht – insofern war das für mich ein sehr schönes Beispiel –, ein Zerrbild dessen dargestellt, wie wir arbeiten. Sie haben den Koalitionsvertrag nicht gelesen. Sie haben überhaupt nicht mitgekriegt, was wir in den letzten beiden Jahren gemacht haben. Das ist Ihnen egal. Ihre Plattitüden gegen Remmel sind das, worum es Ihnen geht. Das ist ein Ritterschlag für den Umweltminister. Damit können wir gut arbeiten. Das aber, was in Wirklichkeit passiert, dass Ihre Partei im Bund das größte Risiko für den Ausbau der erneuerbaren Energien ist, das wischen Sie vom Tisch.
Sie haben – ich will es wirklich so sagen – ein niederträchtiges Papier als Geheimpapier aus Brüderles Haus gestreut. Darin schreiben Sie, dass das EEG durch ein Quotenmodell marktwirtschaftskonform ersetzt werden soll. Der Untertitel – so steht es in Brüderles Papier – lautet: Allein durch die Ankündigung werden wir dafür sorgen, dass die Investoren nicht mehr tätig werden. – Sie wollen, dass der Markt zusammenbricht. Das passt nicht mit der Politik zusammen, die man offiziell als Bundesregierung trägt, wo man zusammen mit Kanzlerin Merkel sagt: Ausbauziel Erneuerbare 40 %; Klimaschutz minus 80 %. Gleichzeitig sabotieren Sie – und zwar die FDP federführend – im Bund jeden Bereich, der da nach vorne geht.
Wer dilettiert denn – um den Punkt mal vorweg zu erwähnen – beim Leitungsausbau? Wer beauftragt eine holländische Firma und muss jetzt die Bürgerinnen und Bürger zur Kasse bitten, weil sie die Leitungen nicht legen kann?
Sie hätten die Deutsche Netz AG gründen sollen. Sie hätten an der Stelle von mir aus marktkonform die Lebensversicherer damit beauftragen sollen, für 4 oder 5 % Netze zu bauen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die hätten es gemacht. Die hätten sich von Siemens die Techniker geholt. Die Politik hätte ihnen sagen müssen, wo die Trassen hinsollen. Dann hätte man ein Ausbaugesetz gemacht.
So haben wir uns auch im Koalitionsvertrag – wie Schwarz-Gelb in Niedersachsen – verständigt. Sie aber stellen sich hierhin und tun so, als ob das an uns scheitern würde. Sie haben dazu im Bund nichts hingekriegt.
Ehrlich gesagt: Sie kommen aus einer Krawallkoalition in Berlin. Wenn man so lange zusammenarbeitet wie Sozialdemokraten und Grüne – für mich sind das, wenn diese Legislatur zu Ende geht, 17 Jahre Koalitionsarbeit mit der SPD –, kommt man zu einem Umgang, der vernünftiger ist, als Sie sich das nach Ihren schlechten Erfahrungen in Berlin vorstellen können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Und dann ist es auch noch in der Sache teilweise falsch. Ich nenne nur eine Zahl. Sie sagten, wir hätten eine Viertelmilliarde Euro Schulden für die Abschaffung der Studiengebühren aufgenommen. Nein! Sie hätten es anders sagen müssen. Wir haben für die beiden Sachen, die wir zu Beginn der Minderheitsregierung gemacht haben – wir haben die Studiengebühren abgeschafft und ein beitragsfreies Kindergartenjahr eingeführt; dazu stehen wir –, die Grunderwerbsteuer erhöht. Das hätten Sie nicht gemacht. Es gefällt Ihnen nicht; das ist in Ordnung. Wir aber haben es gemacht – im gleichen Takt wie die anderen Bundesländer. Das führte zu Mehreinnahmen.
Und dann haben wir einen Punkt gemacht. Da waren wir viel fairer als Sie. Bei Ihnen gibt es eine notorische Gewerkschaftsfeindlichkeit und eine Feindlichkeit gegenüber den Kommunen. Ich weiß noch, wie der Kollege Engel hier gestanden und gesagt hat: Man muss die Kommunen zwingen zu sparen. Die bauen sich doch all ihre Paläste und können nicht mit dem Geld umgehen. – Wir haben im Gegensatz dazu gerade bei der Grunderwerbsteuer fairerweise den Kommunen ihren Anteil wiedergegeben, den Sie ihnen genommen haben.
Ich sage ehrlich: Ich war gar nicht dafür.
(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])
– Ja, Herr Körfges, Sie waren der Haupttäter; aber wir waren fair an der Stelle. An der Stelle hat er sich aber durchgesetzt. Wir haben den Kommunen auch den Anteil an der Erhöhung gegeben. Insofern sind wir da fair gewesen. Es war nicht so, wie Sie es darstellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Kollege Laumann, es ist ja ein spannender Tag. Die Ministerpräsidentin hat gestern die Regierungserklärung gehalten, und wir führen heute die Debatte darüber. Wenn man in der Koalition verhandelt und einen Koalitionsvertrag erstellt hat – von dem ich sage, er ist gut –, dann ist die Debatte darüber natürlich eine spannende. Ich habe Ihnen zugehört. Bei den Finanzen habe ich ein paar Zwischentöne gehört, auf die ich nachher noch eingehen werde. Da habe ich gedacht: Da kommt vielleicht noch etwas. Ansonsten habe ich kein Konzept erkennen können, was Karl-Josef Laumann als Ministerpräsident dieses Landes an dieser Stelle würde machen wollen. Nichts davon!
(Zuruf von der CDU)
– Nein. Ich habe einige Seminaristik aus dem Konrad-Adenauer-Haus – aus der Stiftung – gehört, also alte Töne.
Ich habe ein Versprechen gehört, erstmals konkret belastbare Vorschläge zu liefern. Zwei Haushaltsdebatten lang habe ich Ihnen zugehört, wo Sie das immer angekündigt haben. Dabei ist nicht ein einziger konkreter Vorschlag herausgekommen. Ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass Sie hier nur so lange geredet haben, damit Armin Laschet nicht mehr ans Pult kann.
(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
So redet jemand, der von der Abschiebung nach Berlin bedroht ist, und nicht jemand, der eine Alternative darstellen will.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zwei Jahre Minderheitsregierung, der Koalitionsvertrag und jetzt der Beginn der Zusammenarbeit in dieser Legislaturperiode sind eine Zäsur. Das ist für mich schon der Anlass, ganz kurz noch mal zu reflektieren, wie wir auf diesen Stand gekommen sind.
Wir haben zwei Jahre lang einen sehr spannenden Prozess gehabt, der unglaublich anstrengend war. Aber er war auch eine Herausforderung für alle – das hat Norbert Römer gesagt –, und ich meine, er ist in der Bilanz gut.
Für mich war inhaltlich herausragend das Schulgesetz. Ich teile überhaupt nicht Ihre Auffassung – da irrt die Konrad-Adenauer-Stiftung, die manchmal gute Analysen macht –, dass es ein Fehler der CDU war, den Schulkompromiss mit SPD und Grünen zu machen. Da hat sich die FDP ins Abseits gestellt. Das ist eben in aller inhaltlichen Breite wiederholt worden. Das Schulgesetz war richtig, weil es von den Kommunen Druck gab und wir eine Situation hatten, in der man nicht anders handeln konnte. Insofern ist es richtig gewesen, da über den Schatten zu springen und zu widerstehen, populistisch Opposition zu machen; denn das wäre auf dem Rücken der Kinder und auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen worden.
Wir haben den Stärkungspakt Stadtfinanzen – das hat der Kollege Römer auch angesprochen – mit Herrn Dr. Papke als Ansprechpartner der FDP gemacht. Auch das war richtig, weil das eine notwendige Korrektur war. Es kostet viel Geld; aber wir wissen, dass die Kommunen in einer so kritischen Situation sind, dass Kommunen wie Wuppertal nur dadurch jetzt eine Chance haben.
Insofern kann ich nur sagen: Danke schön für diesen offenen Diskurs und die Ergebnisse.
Ich würde von hier gerne einen persönlichen Gruß an einen Kollegen richten, der nicht mehr im Parlament ist, weil die Fraktion Die Linke nicht wieder hereingekommen ist: Das ist Wolfgang Zimmermann. Sie wissen, dass er sehr, sehr schwer krank ist, zwei Chemotherapien überstanden hat. Ich weiß, dass er zuguckt. Ich wünsche ihm von hier aus alles Gute und gute Genesung.
(Allgemeiner Beifall)
Ich kenne das aus früheren Zeiten: Anträge und Anliegen der Opposition waren immer falsch. Solch ein Antrag wurde einmal in den Absätzen gedreht und dann als Weisheit der Mehrheitsfraktionen verkauft, und der Opposition wurde erklärt, dass sie die Problematik nicht richtig sehe. Ich hoffe – und wir wollen unseren Teil dazutun; das hat Norbert Römer gesagt –, dass das, was in der Dialogkultur in den letzten beiden Jahren praktiziert worden ist, ein Stück weit bleibt. Wir werden das machen: am Freitag bei einem Antrag, den die FDP zur Abschaffung der Praxisgebühr vorschlägt, und bei anderen Gelegenheiten. Ich werbe wirklich dafür – ich bin mir bei den beiden Fraktionen aber sicher –, dass wir das objektiv betrachten, offen für einen Diskurs sind und da, wo es vernünftig ist, Wege ein Stück weit oder auch komplett zusammen gehen.
Die Verfassungskommission ist das beste Beispiel. Es ist unser Ziel, die Quoren für Volksabstimmungen zu senken. Das können die beiden Koalitionsfraktionen allein nicht. Wir brauchen Partner dafür. Dann ist es so: Die CDU geht mit, oder die anderen beiden gehen mit, oder es klappt nicht. Wir werden es versuchen. Wir werden Angebote machen. Man muss Kompromisse ausloten. Dann werden wir sehen, ob es geht. Ich bin auf diesen Prozess der Diskussion gespannt.
Meine Damen und Herren, ich würde gerne zur Wirtschafts- und Energiepolitik eine Reihe von Ausführungen machen, weil ich bei den Beiträgen der Oppositionsfraktionen in Teilen den Eindruck hatte, dass sie überhaupt nicht verstanden haben, wie die Koalition arbeitet, und auch nicht, wie die Situation gesehen werden muss.
Wir beginnen mit den faktischen Hintergründen. Wir haben eine Situation, in der das traditionsreiche Energieland und Industrieland Nordrhein-Westfalen mit den alten, prägenden Bereichen Kohle, Stahl und Stromerzeugung in einem sehr, sehr starken technologischen Wandel ist. Wir wissen, dass dieser Wandel gerade den Bereich der Kohle sehr stark erfasst hat. Wir haben dazu Vereinbarungen getroffen.
Wir haben einen hohen Innovationsschub genau aus diesen Bereichen. Niemand hat angenommen, dass die modernen Kommunikationstechniken in allen industriellen Bereichen so stark durchgreifen und dass wir deswegen auch an der Stelle solche enormen Schübe haben.
Der Bereich, in dem das in ganz herausragender Weise passiert, ist der Energiebereich, einer der politisch immer am stärksten umkämpften Bereiche.
Die Energiepolitik läuft unter einer Reihe von Parametern, die vorgegeben sind, gar nicht nur von Rot oder Grün, sondern auch von der Bundesregierung Merkel/Westerwelle bzw. im Moment Merkel/Rösler.
Energiepolitik ist langfristig. Sie muss verlässlich sein. Kraftwerke werden für 40 Jahre gebaut, jedenfalls in der Regel. Die Investoren müssen sich auf politische Parameter verlassen können.
Und die Energiepolitik muss die Herausforderungen des Klimaschutzes meistern. 80 % CO2-Reduktion in vier Dekaden – das ist das Ziel der Bundesregierung. Manchmal habe ich ehrlich gesagt den Eindruck, dass es nur noch das Ziel von Frau Merkel ist und einige andere sich da schon wieder einen schlanken Fuß machen, das nicht mehr wahrhaben wollen und mehr nach der Methode fahren: Was tut die Merkel uns da an?
Beschlossen ist der Ausbau der Erneuerbaren bis zur Vollversorgung, 40 % im Bund 2020. Wir sind etwas vorsichtiger, aus guten Gründen, wollen unser Ziele nicht zu hoch setzen. Unser Ziel ist aber noch anspruchsvoll genug. Wir wissen auch um die Begrenztheit der Rohstoffe, vor allem des Öls.
Es kommt ein Parameter dazu: der Atomausstieg. Er ist von den Fraktionen CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne im Bundestag beschlossen worden. Das muss man berücksichtigen. Es war immer ein ganz, ganz wichtiger, zentraler Bereich in Nordrhein-Westfalen. Es war auch immer ein Bereich – das will ich doch gar nicht bestreiten –, bei dem Grüne und Sozialdemokraten miteinander gerungen haben.
Ich habe jetzt den vierten Koalitionsvertrag mit Sozialdemokraten ausverhandelt, und ich sage aus voller Überzeugung: Es ist gerade im Energiebereich der beste, den wir je gemacht haben. Ich will eines klar sagen: Es ist nicht der beste in dem Sinne, dass wir messen, wer mehr oder weniger verloren hat. Ich glaube – ich werde das gleich erklären –, es ist das Beste, was wir in dieser Situation der gesamten äußeren Parameter je für dieses Land gemacht haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben eine Entwicklung miteinander. Ich kann mich an den ersten Koalitionsvertrag erinnern, damals noch mit Johannes Rau, wo Hans Berger, der legendäre Vorsitzende der IG BAU, zu uns kam, wir uns bei ihm vorstellen mussten und Mühe hatten, ihn zu verstehen. Wir hätten damals nie über einen Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau reden können. Nie! Dann wären die Gespräche ganz schnell vorbei gewesen.
In dieser Legislatur sind wir in der Situation, dass wir genau diesen Prozess in aller Fairness und allem Anstand abwickeln, sozialverträglich mit den Beschäftigten, fair gegenüber denen, die vom Bergbau und dessen Schäden betroffen sind, wissend, dass wir uns um die Stiftung kümmern müssen, weil sie die Ewigkeitslasten garantieren muss. Da ist viel passiert.
Fünf Jahre später, vor zwölf Jahren, haben wir den Koalitionsvertrag mit Wolfgang Clement verhandelt. Wolfgang Clement hat sich massiv gegen ein GuD-Kraftwerk im Chemiepark InfraServ in Hürth-Knapsack gewehrt. Ich kann mich noch erinnern, wie ich in den Verhandlungen gebettelt habe: Ein einziges modernes Gaskraftwerk im Neubau! – Er wollte das nicht. Die Engländer haben damals aufgegeben und ihre Pläne an die Norweger verkauft. Die Norweger haben es gebaut, und Jürgen Rüttgers hat es eingeweiht – Jahre später.
Jetzt wird im Chemiepark das zweite moderne Gaskraftwerk gebaut. Vermutlich wird die Ministerpräsidentin – oder Herr Duin oder Herr Remmel – demnächst die Inbetriebnahme feiern können. Das ist das Zweite.
Genau davon haben wir eine ganze Reihe. Da zeigt sich auch, dass Herr Lindner überhaupt keine Ahnung hat von dem, was in Nordrhein-Westfalen zurzeit läuft.
(Zurufe von der FDP)
– Im Energiebereich! Oder er weiß zu wenig, um es ein bisschen vorsichtiger zu sagen.
(Hans-Willi Körfges [SPD]: Nicht zu viel zurück!)
– Nicht zu viel zurück, nein. Aber Sie haben recht: Wir sind Kollegen und wollen vernünftig miteinander umgehen. Ich will dennoch versuchen, ein paar Punkte dazu zu sagen; denn ich finde es wichtig für das Gesamtbild.
Wir haben damals in Hürth-Knapsack angefangen, um den Chemiestandort zu sichern. In wenigen Tagen wird wahrscheinlich der Kraftwerksbau der RheinEnergie in Köln-Niehl beschlossen werden. Das ist eine ganz wichtige Sache; denn das ist mit einer ganz hohen Wärmeauskopplung nach Köln hinein verbunden.
Vor wenigen Tagen, am 10. September, habe ich die Mitteilung gelesen, dass gegen die Planungen von REpower, in Leverkusen ein Kraftwerk zur Absicherung des Chemiestandorts zu bauen, nur zwei Einwendungen eingegangen sind und dass der Erörterungstermin dazu abgesagt wurde, weil das konsensual ist.
Direkt neben uns haben wir die Lausward: Wir – Sozialdemokraten und Grüne – haben uns in Baden-Württemberg dafür eingesetzt, dass die EnBW hier eine Investition zulässt. Die Bürgerinnen und Bürger haben mit ihrem Protest gegen ein Kohlekraftwerk dafür gesorgt, dass die Stadtwerke an einem der besten Standorte das modernste Gaskraftwerk Deutschlands mit Wärmeauskopplung unter dem Rhein hindurch planen: eine Kathedrale moderner Kraftwerkstechnik mit der Weltrekordturbine, die von Siemens aus Irsching kommt. Das wird hier gemacht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben mit Krefeld-Uerdingen einen weiteren Chemiestandort, wo die Trianel einen Doppelblock Gas, also zwei Gasturbinen, plant, auch mit Wärmeauskopplung.
All diese Projekte werden von der Regierung unterstützt. Deswegen, Herr Kollege Lindner, brauchen wir nicht erst noch eine Kraftwerksplattform zu etablieren – damit Sie dann darüber reden –, sondern wir arbeiten schon genau an diesen Baustellen. Die Genehmigung für Köln-Niehl liegt vor. Die Genehmigung für Düsseldorf liegt ebenfalls vor. In Krefeld wird das Verfahren beschleunigt. Die Sachen laufen alle. Das heißt, wir kriegen eine ganze Reihe hochmoderner Kraftwerke mit Wärmeauskopplung, die in Ergänzung zu den erneuerbaren Energien hervorragend in der Lage sind, eine langfristige Stromversorgung sicherzustellen.
Dann steht im Koalitionsvertrag, dass wir die Bemühungen um den Schwerpunkt Kraft-Wärme-Kopplung intensivieren und die alten Nah- und Fernwärmenetze ausbauen wollen. Angefangen hat man damit 1981: Fernwärmeschiene Ruhr, Fernwärmeschiene Niederrhein. Das ist ganz hervorragend. Wir haben uns darauf verständigt, 250 Millionen € in diese Infrastruktur zu investieren, weil sie eine sinnvolle Ergänzung ist. Das ist das Ziel von Sozialdemokraten und Grünen. Daran arbeiten wir, und zwar im Konsens.
Wir haben das Ziel, die Windkraft auf 15 % auszubauen, sofern uns nicht Herr Brüderle und die FDP mit ihren Ankündigungen alle Investitionen kaputtmachen. Wir wissen schließlich, dass für diese Anlagen drei bis vier Jahre Vorlauf in der Planung notwendig sind.
Wenn Sie fragen, wovon in Nordrhein-Westfalen nicht genug gemacht worden ist, kann ich Ihnen nur empfehlen, das legendäre Interview mit Oliver Wittke in der „Zeit“ zu lesen. Daran sieht man nämlich, warum wir in Nordrhein-Westfalen nicht weitergekommen sind. Eine seiner ersten Tätigkeiten als zuständiger Minister war nämlich, während einer Autofahrt zu sagen: Windkraft – das ist das Erste, was wir kaputtmachen werden. – Ich will gar nicht alles dazu vorlesen.
Wie reagieren Investoren auf so etwas? Indem sie sich an der Stelle zurückhalten und nicht mehr tätig werden. Und genau das ist passiert. Diesen Rückstand müssen wir aufholen.
Unsere Zusammenarbeit wird von den Medien und von der Opposition – das haben wir gerade erlebt – immer wieder kritisch begleitet. Die Energiewende sei auf einmal „Chefin-Sache“, das sei eine Entmachtung von Herrn Remmel. Es gebe eine Klima-Expo 2020, die bei der Staatskanzlei federführend angesiedelt sei. Auch das sei eine Entmachtung des Grünen. Jetzt gibt es auch noch einen Energieminister – wobei man denjenigen, die das meinen, sagen muss: Leute, guckt in die alten Organigramme, den gab es immer, nur sind jetzt in seinem Namen explizit noch die Bereiche Industrie und Handwerk enthalten.
Dann versteht keiner – weil der Vertrag nicht richtig gelesen wird und man nicht kapiert, dass wir vernünftig arbeiten –, wie wir das tatsächlich machen. Wir brauchen, um die Klimawende und den Klimaschutz wirklich hinzukriegen, alle Ressorts. Ohne den Bauminister, Michael Groschek, können wir keine vernünftige Energiewende machen, weil der Löwenanteil der Energie, die wir brauchen, in Gebäuden verbraucht wird. Ohne den Verkehrsminister – um seine andere Schulter anzusprechen – können wir es auch nicht machen; denn wir können da nicht tätig werden, ohne dass die Mobilität weniger emissionsträchtig wird. Auch ohne die Wissenschaftsministerin mit all den Forschungsbereichen können wir keine Energiewende machen. Wir brauchen den Wirtschafts-, Industrie- und Handwerksminister, wir brauchen den Klimaschutzminister. Alle werden das zusammen machen müssen; das ist keine One-Man- oder One-Woman-Show.
Und wir werden das nur hinbekommen, wenn Kabinett und Fraktionen das mittragen. Ich persönlich bin stolz darauf, dass der Kollege Remmel die Zuständigkeiten für KWK, Nah- und Fernwärme und auch für die erneuerbaren Energien hat. Der Wettbewerb wird es sein.
Da, Herr Hovenjürgen, Sie sind eingeladen, im Wettbewerb dafür zu sorgen, dass wir vorankommen, dass der alte Blockadekurs von Oliver Wittke wirklich erledigt ist, dass Anlagen aufgestellt werden. 300 Windkraftanlagen pro Jahr bedeuten 1,5 Milliarden € Investitionen, die wir hinkriegen müssen. Wir können das – solange Brüderle uns das nicht kaputtmacht – nur schaffen, wenn wir da tatsächlich vorwärtsgehen. Deswegen brauchen wir da Unterstützung.
Was sollte ich dagegen haben, dass die Energiewende Chefin-Sache ist? Ich müsste ja verrückt sein. Es ist vernünftig, wenn fünf oder sechs Kabinettsmitglieder daran arbeiten müssen und sich die Ministerpräsidentin darum kümmert; denn die Energiewende wird in Berlin wirklich dilettantisch gemacht.
Wir brauchen das ganze Land. Wir wollen eine Klima-Expo 2020 machen. Die machen wir in ganz Nordrhein-Westfalen. Zentral ist das Ruhrgebiet mit Veranstaltungen dabei. Und das ist richtig; denn es ist das Kernstück Nordrhein-Westfalens. Aber wir brauchen die Beispiele im ganzen Land. Wir brauchen Lemgo mit seinen 73 % KWK. Wir brauchen die Trianel-Stadtwerke in Aachen. Wir brauchen Kommunen wie Saerbeck, wir brauchen Miele in Gütersloh.
Herr Kollege Laschet, Sie haben darüber sinniert, dass die CDU, was die Wirtschaftskompetenz betrifft, nicht mehr so hoch angesehen ist. Ich war am Freitag letzter Woche bei TRILUX in Arnsberg. Das ist – ich wusste es vorher auch nicht – einer der Weltmarktführer für Leuchtmittel: 5.000 Beschäftigte weltweit, davon 1.500 allein in Arnsberg. Wenn Sie mit denen diskutieren, dann merken Sie richtig, was die für einen Spaß daran haben, ihre neuen Leuchtmittel als LED-Leuchten in einer hervorragenden Technik weiterzuentwickeln. Die sind schon klasse, aber sie sollen noch weiter entwickelt werden. Da muss nicht erst Herr Brockes mit seinem Gedröhne über den Mittelstand hin oder irgendjemand anders, der die alte Litanei erzählt.
(Zurufe)
– Ich habe Sie nicht verstanden. – Gut. Entschuldigung, Herr Hovenjürgen.
Die sind technologisch so nach vorne unterwegs, dass die das, was wir energiepolitisch machen, als Unterstützung und CDU und FDP im Bund eher als Bedrohung empfinden. Wenn Sie mit denen über das Glühbirnenverbot der EU reden, dann antworten die Ihnen, das sei ein hervorragender Benchmark gewesen, um Innovation in Gang zu bringen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Garrelt Duin hat recht, wenn er genau diese Benchmarks fordert.
Mir macht das Spaß. Wir könnten jeden Tag zu solchen Firmen fahren. Es gibt so viele hervorragende Mittelständler. Ich habe auch gefragt, wie es kommt, dass rund um Arnsberg eine solche Kompetenz für Leuchtmittel existiert. – Das gehe zurück auf die alten technischen Anforderungen aus dem Bergbau, wurde mir gesagt. Die zuliefernden Mittelständler hätten sich darauf konzentriert, diese Anforderungen zu erfüllen, und hätten sich dann im Weltmarkt immer weiter entwickelt.
Genau diese Innovationsfähigkeit gilt es, einzubinden und zu gewinnen.
Ich habe die Kollegen aus der Geschäftsführung gefragt, ob sie Interesse hätten, als Partner der Klima-Expo 2020 mitzuwirken. Darüber haben die sich richtig gefreut und gesagt, das wäre genau etwas, an dem sie sich gerne beteiligen würden. Wenn dann irgendwann die Ministerpräsidentin oder der Klimaschutzminister kommt und diese Firma in unser Projekt mit einsteigt, ist das ein Beispiel für das, was wir im Land nach vorn bewegen wollen.
Dass das Chefinnensache ist, dass die Staatskanzlei das organisiert, dazu sage ich: Ja, sofort und schnell. Es wird eines unserer Leitprojekte sein, und wir haben sehr viele Bündnispartner. Sie werden lange arbeiten müssen, um bei denen industriepolitische Kompetenz herzustellen. Ich glaube, da sind wir viel schneller.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Frage ist, wo in der Energiepolitik die Opposition steht. Es ist ein unglaublicher Schlingerkurs. Ich habe im Bund noch nie eine derartig dilettantische Regierung erlebt.
Im Oktober 2010 gab es die Laufzeitverlängerung. Dann kam es zur Katastrophe von Fukushima. Es war die richtige Konsequenz, zu entscheiden: Diese Technik ist in der Zivilgesellschaft nicht mehr vermittelbar, lasst uns geordnet aussteigen. – Bis dahin völlig d’accord.
Dem folgte die Energiewende.
Dann aber wurde das, was mit dem Ausstiegsgesetz noch konsensual beschlossen worden ist, nicht fortgesetzt, indem man hinterfragt hat, was es denn heißt, die unglaubliche technische Herausforderung zu meistern, die Erneuerbaren auszubauen, die Kraft-Wärme-Kopplung auszubauen und alles in ein Gerüst hineinzubringen. Ich habe den Leitungsausbau schon angesprochen. Seitdem gibt es in Berlin nur noch ein Dilettieren.
Ich stimme ja den von Frau Merkel gesetzten und von dem früheren Landesvorsitzenden Röttgen vertretenen Zielen zu. Man muss diese aber auch umsetzen. Man muss gar nicht 10 % grün draufsetzen, aber man muss diese Ziele umsetzen.
Ich erlebe, was die FDP an Destruktivität in die Berliner Regierung hineinbringt; und die CDU vermittelt mir auch nicht mehr den Eindruck, als stände sie hinter der Bundeskanzlerin. Das gilt gerade für Sie, Herr Kollege Laschet, mit Ihrer Aussage „etwas weniger Umwelt, mehr Wirtschaft“, die nur so verstanden werden kann, dass Sie von diesem Kurs abrücken wollen. Bei den Mittelständlern – TRILUX war ein Beispiel; ich könnte Ihnen reihenweise Unternehmen aufzählen – gewinnen Sie mit dem Kurs nicht.
Die wissen ganz genau, dass es nicht nur die Erneuerbaren betrifft, sondern es die gesamte Effizienzkette durch die chemische Industrie, durch alles hindurch, was daran hängt, durch die Kraftfahrzeugindustrie und so weiter ist. Kollege Duin hat recht, wenn er die Elektromobilität als die Chance bezeichnet. Daran hängt ganz Südwestfalen. Das ist alles nicht alte Politik, sondern das ist moderne Industrie- und Umweltpolitik.
Wenn Horst Köhler, der vorvorige Bundespräsident – ich habe bei den Wahlen jeweils mitgestimmt – gesagt hat, die industriell-ökologische Revolution stehe an, dann hat er das nicht als Grüner gesagt, aber er nennt damit genau die Herausforderung für unser Land.
(Beifall von den GRÜNEN und von einigen Abgeordneten der SPD)
Ich habe Zutrauen, dass wir das zusammen schaffen. Ich weiß, dass wir immer Auseinandersetzungen hatten. Wir sind zwei Parteien und zwei Fraktionen, aber das, was wir als gemeinsames Ziel vereinbart haben – beim Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, beim Ausbau der Fernwärme, beim Ausbau der ganzen modernen Kraftwerke und beim Ausbau der Erneuerbaren –, ist verbunden mit einer sehr, sehr langen Arbeitsstrecke, auf der es sehr viel für viele Mitglieder der Regierung zu tun gibt. Sich an diese Aufgabe zu begeben, ist vernünftig und im Interesse der Beschäftigten.
Bei der Frage, ob TRIMET als Aluminiumbetrieb in Nordrhein-Westfalen bleiben muss, weil an der Produktion die ganzen Zulieferer in Südwestfalen hängen, die so Produkte mit hoher Qualität bekommen, haben wir keinen Dissens. Ich muss Herrn Remmel da eher bremsen, dass der in der Fraktion nicht nur mahnt: Energieintensiv, energieintensiv. – Das gilt für uns, und nicht das Gegenteil, um das ganz klar zu sagen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das heißt: Es gibt genug Baustellen, genug lohnende Aufgaben und ausreichend Gemeinsamkeiten, die vernünftig voranzuschreiten und damit anders zu agieren, als es CDU und FDP mit ihrem konfusen Handeln tun.
Meine Damen und Herren, noch einige wenige Worte zur Schulpolitik: Frau Löhrmann, es war – ich habe schon eine Reihe von Schulministerinnen erlebt – eine Titanenleistung von Ihnen. Ich empfinde das alles als sehr wohltuend – bis auf den eben wieder von Herrn Lindner unternommenen Versuch, den alten Stellungskrieg ums Gymnasium in die Debatte zu bringen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dieses Thema ist tot. Es war wirklich wohltuend, dass dieser uralte Stellungskrieg – 1918 wiederholt sich ja in wenigen Jahren – Gymnasium gegen Gesamtschule vom Tisch ist, wir nicht mehr darüber streiten, sondern einfach feststellen: Es gibt eine Strukturreform, und dann ist Ruhe. Es war gut, Herr Kollege Laschet, dass wir das und wie wir das zusammen gemacht haben. Das Ergebnis muss jetzt umgesetzt werden; das ist völlig richtig. Frau Löhrmann ist da eine zuverlässige und vertragstreue Partnerin.
Die Ministerpräsidentin hat gestern auch gesagt, dass das Ausgehandelte Lehrerressourcen kostet. Deswegen die Vereinbarung, das Personal im System zu belassen, weil die Schulen ausreichend mit Lehrern versorgt werden müssen. Wir sind vertragstreu.
Ich habe es als sehr negativ empfunden, dass Herr Lindner wieder versucht, einen Keil hineinzutreiben. Das kann er machen. Ich glaube aber, dass das nicht verfangen wird, weil keinerlei Absichten in dieser Hinsicht existieren. Die Kinder von fast allen von uns haben Gymnasien besucht oder besuchen sie. Es gibt keinerlei Absichten. Es wäre auch absurd, da wieder einen Konflikt anzufangen. Wir stehen jedenfalls zu dem, was zusammen mit der CDU beschlossen worden ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Noch eine kurze Anmerkung: Ich finde es auch sehr gut, dass wir einen islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen einführen, einen richtigen Religionsunterricht, um diejenigen, die im muslimischen Glauben eine Religionsunterweisung haben wollen, aus den Hinterhöfen herauszuholen. Dass das im Konsens der evangelischen und katholischen Kirche geschieht und ein Stück weit ein Angebot ist, das der Lebensrealität von mehr als einer Million Menschen muslimischen Glaubens entspricht, die bei uns leben, ist einfach nur vernünftig. Hamburg hat etwas Ähnliches getan. Vielleicht haben wir zu wenig Theater darum gemacht. Aber es war richtig, und es war ein guter sowie gemeinsamer Weg, den wir konzentriert weiterverfolgen sollten. Da ist noch viel zu tun.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Und es gibt eine neue große Aufgabe – das hat der Kollege Laumann angesprochen –: die Inklusion, und zwar nicht nur bezogen auf die Schule, sondern auch auf viele andere Bereiche.
Ich habe mir zur Vorbereitung noch einmal Herrn Laumanns Rede zur letzten Regierungserklärung durchgelesen. Das fand ich schon bemerkenswert.
(Karl-Josef Laumann [CDU]: Ja!)
Er hatte damals drei Felder angesprochen – ich fand das sehr gut – und sinngemäß ausgeführt: Wir stehen in einem harten politischen Wettbewerb miteinander, aber in bestimmten Bereichen sollten wir ihn nicht austragen. Wir können um Konzepte ringen, aber der harte politische Wettbewerb darf nicht sein bei Standorten für die forensischen Kliniken, weil er auf dem Rücken von Betroffenen ausgetragen würde.
(Zustimmung von Karl-Josef Laumann [CDU])
Und er darf nicht sein in den Bereichen Inklusion und Integration. – Ich fand das damals sehr gut, denn Sie hätten das nicht sagen müssen. Ich habe mir gedacht, dass das auf Ihrer Tätigkeit als Sozialminister beruht.
Ich meine, das sollte weiterhin gelten. Ich habe eben Zwischentöne bei der Frage der Inklusion gehört, die eine gewisse Heftigkeit vermitteln konnten. Ich fände es jedenfalls gut, wenn wir die seinerzeit von Ihnen vorgetragene Linie weiterverfolgen würden.
Bei der Inklusion zum Beispiel im Beruf und auf den anderen zahlreichen Feldern ist für viele Kabinettskollegen etwas zu tun. Das ist eine der ganz großen Aufgaben. Im Aktionsplan „NRW inklusiv“ sind mehr als hundert Maßnahmen angekündigt.
Wir werden nicht alles in der Geschwindigkeit schaffen können, die sich viele wünschen. Aber wir werden Zug um Zug weiter daran arbeiten und uns darauf konzentrieren, das zu schaffen. Das ist keine kleine Minderheit – ich habe das nicht gewusst –, sondern es sind 2,6 Millionen Menschen mit Behinderung, die bei uns in Nordrhein-Westfalen leben. Bei einer Gesamtbevölkerung von 18 Millionen Menschen sind das rund 14 % unserer Bevölkerung. Insofern lohnt es sich, diesen Weg weiterzugehen und zwar, soweit möglich, im Konsens, weil es das wert ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Ich will einen negativen Punkt ansprechen. Im nächsten Jahr jährt sich zum 20. Mal der Tag des Solinger Brandanschlags. Das und auch die Morde sowie die Gewaltspur, die die NSU in Nordrhein-Westfalen gezogen hat, zeigen, dass Gewalt von Rechts kein ganz neues und unbekanntes Phänomen ist.
In Nordrhein-Westfalen ist schon im Jahre 2001 bei einem Sprengstoffanschlag in der Kölner Propsteigasse eine junge, 19-jährige Deutsch-Iranerin schwer verletzt worden. Wir haben 2004 in der Kölner Keupstraße, einer Straße, in der viele Menschen mit Migrationshintergrund wohnen, einen Nagelbombenanschlag mit 22 Verletzten gehabt. Am 4. April 2008 wurde der Kioskbesitzer Mehmet Kubasik in Dortmund ermordet.
Herr Kollege Laschet, als klar war, dass Mehmet Kubasik von der NSU ermordet worden war, haben wir darüber geredet. Ich fand in Ihrer Rede wirklich hervorragend, dass Sie gesagt haben: Man stelle sich einmal vor, die Polizei kommt und überbringt die Mitteilung: „Dein Sohn ist ermordet worden.“ Dann aber gerät die Familie durch Polizei und auch durch Medien in den Verdacht, sie könnte irgendetwas damit zu tun haben. – Das ist eine fürchterliche Situation.
Gamze Kubasik, die Tochter des Opfers, hat an der Bundespräsidentenwahl teilgenommen. In diesem Zusammenhang wurde nochmals viel darüber gesprochen. Es war richtig, deutlich zu machen, dass wir in Nordrhein-Westfalen an der Seite der betroffenen Familien stehen und dass sie zu uns gehören.
Es ist auch richtig, die Kritik und die Erkenntnis, wo Fehler gemacht worden sind, anzunehmen und zu versuchen, konstruktive Lösungen zu finden. Diesen Weg sollten wir weitergehen. Das will auch diese Koalition.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD sowie von Minister Ralf Jäger – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Wir haben – natürlich kann man darüber streiten, wenn das Geld knapp ist – zwei Opferberatungsstellen eingerichtet: eine in Dortmund für Westfalen und eine in Düsseldorf für das Rheinland, die im Juli ihre Pforten geöffnet hat. Denn wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es Opfer rechter Gewalt gibt, etwa Familien, die umziehen, weil sie von Rechten bedrängt werden. Sie sind dann ganz allein und wissen nicht, mit wem sie reden können und wer sich um sie kümmert.
Herr Innenminister, die grüne Fraktion steht hinter Ihnen. Wir tragen zwar Auseinandersetzungen um einzelne Punkte aus, aber es war richtig, dass Sie die Kameradschaften in Köln, in Aachen, in Hamm sowie die Gruppe „Nationaler Widerstand Dortmund“ verboten haben. Wir unterstützen das.
Wir müssen zusammen nur weiterarbeiten, um den Rechtsextremismus nachhaltig zu bekämpfen und die Zivilgesellschaft davon überzeugen. Wir brauchen die Prävention in Schulen, die Jugendarbeit sowie die politische Bildungsarbeit. Die beste Waffe – das habe ich in Aachen bei den Demonstrationen gegen die Kameradschaft erlebt – ist eine demokratische Zivilgesellschaft, ist es,
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
wenn eine ganze Stadt aufsteht und sagt: Ihr seid Nazis, wir nicht!
Mit der Konversion will ich einen weiteren Punkt ansprechen. Der Bundesverteidigungsminister hat im Oktober 2011 verkündet, dass im Rahmen der Truppenreduzierungen in Nordrhein-Westfalen 10.000 Dienstposten abgezogen werden. Er hat im Juni dieses Jahres verkündet, dass drei Viertel der Schließungen bis 2015 erfolgen sollten.
Davon sind viele Kommunen in unserem Land stark betroffen. Ich nenne nur Köln mit 2.200 Stellen, Rheine mit 1.800 Stellen, Augustdorf mit 1.600 Stellen, Höxter mit 500 Stellen, Kerpen mit 700 Stellen, Düsseldorf mit 900 Stellen, Münster mit 500 Stellen, Siegburg mit 400 Stellen und Wesel mit 400 Stellen. Das ist nicht alles.
Die britische Regierung hat angekündigt, ihre 20.000 Soldaten aus Deutschland bis 2020 abzuziehen.
Beide Operationen sind eigentlich nur zu begrüßen. Denn wenn die Briten aus Deutschland abgezogen werden können, heißt das, dass wir sie hier – an der Stelle – so nicht mehr brauchen. Und wenn die Bundeswehr reduziert werden kann, heißt das ja: Die Bedrohungssituation ist so, dass wir auf einen Teil der Soldaten verzichten können.
Aber das stellt die Kommunen vor erhebliche Probleme. In Münster wird bis 2014 das gesamte britische Kontingent abgezogen. Gerade der Niederrhein steht mit Mönchengladbach, Niederkrüchten, Elmpt in den Jahren 2014 bis 2016 vor erheblichen Strukturherausforderungen. In Gütersloh und Bielefeld erfolgt ein Teilabzug und später mehr, während der Abzug in Herford und Paderborn bis 2020 vorgesehen ist. Wer weiß, was die Briten in Paderborn für ein Faktor sind – ökonomisch und als Teil der dortigen Gesellschaft –, der weiß, was das heißt.
Es sind insgesamt rund 18.000 ha Fläche, die die Briten freigeben, auch zum Beispiel im Bereich Haltern mit großen Flächen. Davon befinden sich 700 ha innerorts, und es betrifft 6.000 Wohnungen.
Ich plädiere dafür, dass wir zusammen – auch das richtet sich an die CDU-Kollegen; Herr Laumann, Sie wissen, dass in Rheine praktisch eine Standortschließung erfolgt – Richtung Berlin gehen, das BImA-Gesetz ändern und für die vom Standortabzug betroffenen Kommunen dafür sorgen, dass sie Erleichterung bei der Wiederinverkehrbringung der Grundstücke bekommen.
Ich kenne bei uns in Aachen den ehemaligen belgischen Militärstandort Camp Hitfeld, der jetzt über 25 Jahre brachliegt. Das sind 60 ha Fläche. Die BImA meint, sie bekäme dafür Geld wie entsprechend für Neubaugrundstücke.
Wenn man alles zusammenzählt, reden wir über 23.000 Dienstposten und über mehr als 3.000 Zivilbeschäftigte.
Was es für eine Kommune wie Rheine heißt, wenn da 1.600 Dienstposten abgezogen werden mit allem, was daran hängt, dann ist das mehr als die Schließung eines Betriebes. Insofern sollten wir zusammen dafür sorgen, dass die BImA Möglichkeiten eröffnet, Flächen einfacher wieder in Verkehr zu bringen.
Ich will in dem Zusammenhang einen Punkt ansprechen, da ich mein Kommunalmandat bei den Grünen im Kreis Lippe bei der Vermögensverwaltung des ehemaligen Landes Lippe begonnen habe, jetzt in Aachen lebe und die Gründung des Nationalparks Eifel sehr, sehr intensiv verfolgt habe, von wo ja die Belgier ihre Streitkräfte abgezogen haben.
Die größte zusammenhängende und wertvollste Naturschutzfläche, die wir in Nordrhein-Westfalen haben, ist die Senne im Bereich Bielefeld/Paderborn. Die Briten – ich habe sie erlebt, als wir da oben gewohnt und gearbeitet haben –, die als Besatzer und Befreier da waren, haben angekündigt, alle Truppen innerhalb der nächsten acht Jahre abzuziehen. Das heißt, es besteht – man kann es ja fair festhalten: Die Nationalparkwürdigkeit der Senne deutlich höher ist als die der Eifel, weil die Gebiete einfach viel wertvoller sind – für Ostwestfalen die einmalige Chance, daraus einen Nationalpark zu machen, zumal es auch keine andere vernünftige Nutzung gibt.
Wer erlebt hat, wie die Bäderlandschaft in Ostwestfalen Zug um Zug in die Knie gegangen ist – ich war damals als kommunaler Mandatsträger für Bad Salzuflen und Horn-Bad Mainberg mit zuständig –, wie praktisch das Kurgastpotenzial immer weiter wegbrach, der weiß, dass es sich lohnen würde, wenn man es mit den Briten in Vorbereitung des Abzugs, wenn sie denn dann als Freunde gehen, im Konsens schaffte, dass etwas Neues entsteht, was auch für die touristische Ökonomie in der Region sehr wertvoll sein wird.
Ich kann nur dazu raten, die sich um dieses Vorhaben rankenden Auseinandersetzungen beiseitezulegen und zu einem Konsens zu kommen. Wir haben es in der Eifel im Konsens aller Parteien erreicht. Es ist eine langfristige Arbeit, aber es lohnt sich. Die gleiche Chance gibt es in Ostwestfalen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir wollen als Koalitionspartner den Prozess unterstützen. Wir sind bis 2017 gewählt. In diesen Zeitraum fällt genau die entscheidende Phase. Entweder bekommen wir das hin und schaffen dort etwas sehr Schönes, oder es wäre schade für Ostwestfalen und eine verpasste Chance. Man kann immer über den einen oder anderen Hektar streiten. Aber die Grundidee, das auch als eine Bereicherung für die Menschen, die dort leben und jetzt nicht in das Gelände kommen, zu verstehen, wenn sie dann Radwege, Wanderwege und Gaststätten nutzen könnten, ist hervorragend.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte kurz zwei hier diskutierte Gesetzesvorhaben ansprechen.
Wir wollen noch einmal an das Ladenöffnungsgesetz herangehen. Ich bin meiner Partei dankbar, dass sie über eine Internetbefragung versucht hat, die Bedürfnisse der Menschen herauszufinden. Das Ergebnis ist nicht unbedingt repräsentativ, war aber für uns als Grüne überraschend: Bei der Frage, ob eher geschlossen werden soll oder nicht – ich hätte ein gewisses Verständnis dafür, wenn man 22 Uhr vorschlägt, aber dann hat normalerweise wirklich jeder Mensch eingekauft –, hat sich in unserer Partei ein zweigeteiltes Meinungsbild gezeigt. Die eine Hälfte sagte: Lasst es so, wie es ist, die Leute entscheiden das selber. Die andere Hälfte war dafür, etwas eher zu schließen.
Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, nur eine sehr moderate Anpassung vorzunehmen. Wir werden an die Zeiten in der Woche nicht herangehen, aber uns mit der Sonntagsruhe beschäftigen, und wir werden möglicherweise 22:00 Uhr für samstagabend als Ladenschluss festlegen, damit die Leute auch vor Sonntag zuhause sind. Und wir werden die Feiertagsregelung umdrehen. Aber all dies in einer sehr moderaten Art, sodass niemand in irgendeiner Weise Existenzkrisen oder Ähnliches befürchten muss. Die Regelung kann so moderat geändert werden.
Beim Nichtraucherschutzgesetz – auch das hat Herr Lindner eben angesprochen – gibt es auch klare Linien. Für mich war beeindruckend, Frau Ministerpräsidentin, wie Sie vor zwei Jahren von Ihrem Erlebnis mit der Eisdiele in Mülheim erzählt haben.
(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Im Sauerland!)
– Auch gut. Nichts Unrechtes gegen Mülheim; es war eine Eisdiele im Sauerland.
Die Ministerpräsidentin wollte mit ihrem Sohn in eine Eisdiele gehen; der Sohn war damals noch keine 18. Doch man ging schließlich nicht in diese – vermeintliche – Eisdiele, weil die Eisdiele keine Eisdiele war, sondern ein Raucherklub. Und das war die Konsequenz Ihres vermurksten schwarz-gelben Gesetzes, weil unter dem Deckmantel „Raucherklub“ mit allem, was da dranhing …
(Karl-Josef Laumann [CDU]: Quatsch!)
– Natürlich war es so. Das ist doch die Praxis bei uns überall in den Städten. Wir werden konsequenter sein.
(Weitere Zurufe von der CDU)
– Sie können nicht bestreiten, dass so etwas erlebt worden ist und dass so etwas in den Städten zu finden war. Das können Sie gar nicht bestreiten. Wir werden an der Stelle konsequenter sein.
(Zuruf von der CDU: Das war doch verboten!)
Herr Laumann, ich sage Ihnen ganz persönlich: Wir gehen jetzt in die Anhörung und werden dann eine Regelung schaffen, die rechtssicher sein muss. Das, was Sie mit dem 80-Jährigen und seinem Geburtstag angesprochen haben, ist für mich kein Dogma. Das, was Sie mit dem Schützenfest und dem Zelt angesprochen haben, ist für mich auch kein Dogma.
(Karl-Josef Laumann [CDU]: Das ist gut!)
Das gucken wir uns genau an, und dann machen wir eine rechtssichere Regelung. Aber die Regelung sollte nicht mehr durchlässig sein wie die noch gültige. Aus meiner Sicht war es das dann auch mit den Eckkneipen. Das gehört dann auch dazu.
Also: Die Anhörung durchführen, diese genau auswerten, nicht mit dem Knüppel durchgehen, aber eine klare Regelung finden, die die Menschen auch verstehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Lassen Sie mich noch einige wenige Worte sagen. – Mich haben im Urlaub in den Pressespiegeln immer wieder die Diskussionen über die Steuer-CDs überrascht. Ich habe eine Reihe von Kommentaren gelesen, die ich mir nicht habe vorstellen können.
Der Ankauf ist rechtmäßig; das ist keine Frage. Helmut Linssen hat angekauft. Die Rechtmäßigkeit ist gerichtlich festgestellt worden. Für mich wäre es eher sogar Pflicht der Finanzfachbeamten, dass sie, wenn sie Kenntnis von so etwas erlangen, dafür sorgen, dass sie die Informationen bekommen. Wir haben doch damals mitbekommen, dass die Selbstanzeigen danach gestiegen sind. Die Leute haben diesen Weg gesucht, was auch richtig war.
Für uns ist das Steuerabkommen so, wie es Herr Schäuble ausgehandelt hat, nicht akzeptabel. Das Steuerabkommen ist so, wie es ausgehandelt wurde, die Absicherung des Schweizer Geschäftsmodells der anonymen Konten und die Ausweitung dieser Tätigkeiten auf Standorte in Nordrhein-Westfalen.
Das kann niemand wollen. Das sind Reiseerleichterungen für Steuerhinterzieher, nichts anderes. Als der Vertrag ausgehandelt wurde, sind die Selbstanzeigen zurückgegangen. Seit klar ist, es gibt eine konsequente Linie der von SPD und Grünen regierten Länder, steigt die Zahl der Selbstanzeigen wieder.
Insofern sagen wir zu einem Abkommen grundsätzlich Ja, aber die Konditionen müssen so sein, wie die USA sie ausgehandelt hat: keine Anonymität mehr, sondern tatsächliche Transparenz über das, was gemacht worden ist. – Dann kann man über ein Abkommen reden. Was jetzt vorgelegt worden ist, ist aus meiner Sicht jedenfalls nicht akzeptabel.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, am Ende dieser Legislaturperiode werde ich 64 Jahre alt sein, wenn gesundheitlich alles gut geht.
(Zurufe)
– So ist das. Danke. – Ich war dann 17 Jahre in diesem Hohen Haus und auch 17 Jahre im Koalitionsausschuss von Sozialdemokraten und Grünen. Ich habe als Landesvorsitzender schon die erste Koalition mit verhandelt. Ich sage selbstkritisch: In allen 17 Jahren mussten wir neue Schulden aufnehmen.
Ich füge aber hinzu: Diejenigen, die bei CDU und FDP Regierungsverantwortung hatten – ob als Fraktionsvorsitzende oder Abgeordnete –, könnten alle nichts anderes von sich sagen. Herr Laumann und Herr Laschet, das können Sie in Berlin nicht behaupten und das können Sie, Herr Dr. Papke, nicht sagen. Das ist auf Bundesebene, auf Landesebene und in fast allen Kommunen durchgängig der Fall. Wir wissen, so kann es nicht weitergehen. Das ist völlig richtig. Wir wissen, privat würden wir nicht so handeln. Das ist auch richtig. Deswegen müssen wir vernünftig miteinander umgehen und darauf verzichten, irgendwelche populistischen Mätzchen zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist ganz schwierig. Das ist mir völlig klar. Wenn es ums Sparen geht, wird es normalerweise immer etwas einsamer um den Finanzminister und auch einsamer um die haushaltspolitischen Sprecher der Fraktionen. Ich sage das aus der Erfahrung der Fraktion heraus.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Bei diesen Fragen macht die Opposition in der Regel ein außerordentlich populistisches Geschäft, wissend, dass es eigentlich anders ist. Sie macht es aber immer wieder. Ich weiß auch, die Chefredakteure fordern an einem Tag zum Sparen auf, während jemand mit einem konkreten Vorschlag am nächsten Tag so behandelt wird, dass er verrückt sein müsste, noch einmal einen konkreten Vorschlag zu unterbreiten. Das wissen wir auch.
Ich weiß, es ist viel verlangt, wenn ich zu Ihnen sage: Sie haben angekündigt, Sie würden konkrete Vorschläge vorlegen.
(Zuruf von der CDU)
– Ich sage nur, ich habe es zweimal gehört. In diesen Fällen waren die Vorschläge nicht so konkret. Das ist aber egal. Man muss immer das Positive annehmen.
Es ist von einer Oppositionsfraktion viel verlangt, Konkretes auf den Tisch zu legen und durchdiskutieren zu lassen, weil man gern verstehen würde, wie es gehen könnte.
Wir haben uns auf eine strukturelle Einsparung in Höhe von 1 Milliarde € innerhalb von fünf Jahren geeinigt. Das reicht nicht, um auf eine Schuldengrenze von Null zu kommen. Sie wissen genau: 1 Milliarde € ist das Volumen von 20.000 Stellen. Ich habe alles gelesen, was Sie während Ihrer Regierungszeit gesagt haben. Sie sagten, eine Kürzung geht bei der Polizei nicht, bei den Lehrern nicht, an den Hochschulen nicht und im Justizbereich nicht. Dann kommt die Chimäre Ministerien daher. Die Ministerien haben nicht einmal mehr ein Drittel der Stellen. Insofern geht das überhaupt nicht; denn wir brauchen auch noch handlungsfähige Ministerien.
Es wurde darüber geredet, dass Stellen neu geschaffen worden sind. Mir liegt noch der Schriftwechsel zwischen den CDU-Regierungspräsidenten und Herrn Uhlenberg vor, der gesagt hat, wir brauchen die Leute bei den Bezirksregierungen – dabei wird dann immer auf Johannes Remmel eingeschlagen –, weil wir die Techniker nicht mehr haben, die Envio überwachen können.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Insofern kann man das populistisch machen oder man kann es ehrlich machen.
Ich habe jetzt vier Koalitionen mitgemacht. Ich habe noch nicht erlebt, dass wir derart sparsam mit finanziellen Versprechungen umgegangen sind. Wir müssen bestimmte Sachen zahlen. Aber früher bekam eine Fraktion auch einen bestimmten Bereich „zum Gestalten“. Wir haben uns als Fraktionen dieses Mal nur ganz wenig an neuen Sachen vorgenommen. Was ist die Quittung dafür? Heute Morgen stand in der Zeitung: Keine neuen Projekte vorgestellt. – Also wieder um 100 Millionen an irgendeiner Stelle erhöhen, um jemandem die Sonne zu versprechen und sich auf der anderen Seite beschimpfen lassen? Genau das haben wir nicht gemacht. Wir wissen, dass wir das nicht mehr dürfen und nicht mehr können.
Wir versuchen, eine strukturelle Einsparung in Höhe von 1 Milliarde € hinzubekommen. Das ist eine unglaubliche Anstrengung für die Fraktionen und für das Kabinett.
Ich spreche auch unseren verehrten Gast vom Landesrechnungshof, Frau Mandt, an. Frau Mandt, wir müssen auch Sie um Unterstützung bitten. Wir brauchen Sie, um das zu schaffen. Es ist notwendig. Anders kann es nicht weitergehen. Es ist aber eine Titanenaufgabe. Ich kann mir vorstellen, dass die Beifallsstürme dünner werden, wenn wir die konkreten Projekte auf den Tisch legen. Aber wir müssen es machen und haben uns darauf geeinigt, es auch zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, hinter uns liegen zwei Jahre Minderheitsregierung und ein erfolgreicher Wahlkampf mit einem klaren Regierungsauftrag. Das ist ein Vertrauensvorschuss. Mit dem Vertrauensvorschuss wollen wir arbeiten. Wir haben gute Koalitionsverhandlungen geführt. Wir haben einen guten Vertrag als Grundlage unserer Arbeit. Wir haben viel Arbeit vor uns.
Frau Ministerpräsidentin, in der Schlusssequenz Ihrer gestrigen Rede haben Sie in alphabetischer Reihenfolge die drei Landesteile aufgeführt. Hinter mir saßen drei stellvertretende Fraktionsvorsitzende, die alle auf einmal seufzten. Das war eine süße Situation. Es waren Verena Schäffer – in Hessen geboren, jetzt in Witten wohnend –, Daniela Schneckenburger – eine Baden-Württembergerin, jetzt Dortmunder Urgestein – und der gebürtig aus Niedersachsen kommende Mehrdad Mostofizadeh, der mehr Essener ist, als ich mir einen Essener vorstellen kann. Deswegen müssen wir das von gestern korrigieren. Wir machen das für unser Land, für alle Landesteile, für das Siegerland, für das Sauerland, für den Niederrhein, und wir machen es natürlich für das Ruhrgebiet. Das gehört zu uns. Es ist unser Kernstück. Das sage ich als jemand, der aus dem Emsland nach Nordrhein-Westfalen gekommen ist und nun in Aachen lebt. Es ist eine der wunderbarsten Regionen in Nordrhein-Westfalen.
(Zurufe von den GRÜNEN)
– Ja, ihr bekommt eine Currywurst dafür. Das ist in Ordnung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Deswegen: Alle zusammen für das Land! – Herzlichen Dank.
(Langanhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD)