Reiner Priggen: „Das ist energiepolitische Geisterfahrt statt verantwortungsvollem Regieren in Berlin“

Haushalt 2013

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte auf das, was Herr Laschet eben gesagt hat, reagieren.
Herr Laschet, Sie haben den maßlosen Ausbau der Erneuerbaren angesprochen. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man sich – wenn man in der Bundesregierung seit Jahren die Verantwortung für das EEG hat und wenn man ein derart dilettantisches Arbeiten, wie es Röttgen und Altmaier mit Rösler gemacht haben, wenn man wirklich dafür verantwortlich ist, dass Sachen ein Stück weit aus dem Ruder laufen – dann hierhin stellen und darüber beschweren kann. Wenn es irgendwo eine klare Verantwortung gibt, dann in Berlin.
Sie können doch nun wirklich nachvollziehen, was passiert, wenn ich ankündige, die Fotovoltaikförderung in drei, vier, fünf Monaten um 30 oder 40 % zu kürzen. Was passiert dann? Normalerweise fahren die dann Überstunden bis zum Gehtnichtmehr. Wenn ich mir dann in der Bundesregierung nicht einig bin und im Bundesrat keine Mehrheit bekomme, weil eigene, CDU-regierte Länder das nicht mitmachen, weil sie es als unausgegoren, als falsch ansehen, dann erzeuge ich eine solche Welle, dass wir, seitdem diese drei genannten Herren dafür verantwortlich sind, wirklich Runde um Runde Rekordausbauzahlen haben. Dann haben wir nicht das, was vernünftig ist, nämlich eine Degression, die man immer wieder anpassen kann.
(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)
Wir Grüne schlagen schon seit Langem – ich bin ja zusammen mit Hermann Scheer im Vorstand der EUROSOLAR gewesen – die Diskussion um einen sogenannten „atmenden Deckel“ vor: Jeden Monat 1,5 % Absenkung, damit man nicht genau diese hohe Dynamik bekommt, dass zum Jahresende alles ans Netz muss.
Die Bundesregierung hat dilettantisch agiert. Sie beklagen die Ziele. Entschuldigen Sie bitte, aber Ihre Bundeskanzlerin hat schon in der Großen Koalition mit richtigen Klimaschutzzielen seitens der Bundesregierung angefangen, hat dann mit der FDP ihre Ziele fortgesetzt und den Ausbau der Erneuerbaren zu einem der Leitziele erklärt. Insofern sind wir noch weit unter dem, was Ihre Bundesregierung als Ziel hat. Das passt doch alles nicht, was Sie da erzählen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich muss als Grüner gar nicht ambitioniert jedes Mal 10 % auf das Ziel der Bundesregierung drauflegen. Ich müsste nur sagen: Setzt es um – mit allen Effekten, mit dem Aufbau neuer wirtschaftlich starker industrieller Bereiche bei uns. Wir haben über 400.000 Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren; das ist sehr stark mittelständisch. Wir haben eine der leistungsfähigsten Industrien im Bereich Windkraft, im Bereich Energieeffizienz. Wir exportieren die Technik. Wir machen diesen Bereich durch so ein dilettantisches Vorgehen kaputt.
(Beifall von Norbert Römer [SPD] – Widerspruch von Armin Laschet [CDU])
– Doch, Herr Laschet, genau das machen wir. Wir machen es kaputt. In dem Moment, in dem Ihre Regierung nicht vernünftig, mit Maß den Prozess steuert, sondern über rein radikale Ankündigungen Kürzungen von 40 % in den Raum stellt, bricht etwas zusammen. Sie sind es doch gewesen, der Herrn Lindner hinterhergelaufen ist, als Sie in Ihrer neuen Rolle angefangen haben, sich für Energiepolitik zu interessieren.
(Lachen von Norbert Römer [SPD])
Da hat er nach draußen geblasen, es müsse ein Moratorium für Offshore geben. Dann sind Sie zusammen an die Presse gegangen. Dann mussten Sie lernen: Ein Moratorium für Offshore – Offshore ist die teuerste Art, Windstrom zu machen – heißt, dass die Firmen, die im Vertrauen auf Bundesgesetze Investitionen gemacht haben, diese komplett abschreiben können.
Ein Moratorium heißt zum Beispiel für unsere Trianel in Aachen: 800 Millionen Investitionen vor Borkum beschlossen, 350 Millionen in die Hand genommen – vorbei, abgebrochen.
Das ist bei RWE das Gleiche. Ich bin nun kein Freund von RWE. Aber wenn ich Firmen sage: „Geht raus auf das Meer, probiert das aus, weil das ein Beitrag sein kann“, dann muss ich die Bedingungen doch auch fairerweise einhalten, dann kann ich doch nicht nachträglich die Konditionen ändern.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will das ganz klar sagen: Es gibt viele Diskussionen darüber, ob es sinnvoll ist, weiter offensiv draußen auf dem Meer auszubauen. Man kann sehr wohl darüber diskutieren, wenn die Kilowattstunde da vorne 15, 16 Cent kostet, an der Küste 5 bis 6 Cent und bei uns im Binnenland an guten Standorten mittlerweile 8 bis 9 Cent bei 4.000 Stunden im Jahr. Das hätten wir vor Jahren nicht geschafft. Die Anlagen sind besser geworden, weil sie höher geworden sind, weil wir in der Bundesrepublik eine Technik herstellen, die im Binnenland die gleiche Vollaststundenzahl fährt wie draußen auf dem Meer. Dann kann ich nach vorne diskutieren und sagen: Diejenigen, die investiert haben, die geplant haben, die baureife Projekte haben, bekommen das verlässlicherweise zu den alten Konditionen. Und das, was neu kommt, machen wir lieber im Binnenland, damit der Netzausbau dort etwas weniger Belastungen erzeugt: in Bayern, in Baden-Württemberg und auch bei uns. Nach vorne kann ich das diskutieren, aber doch nicht mit Wortbruch.
Dann sind Sie einer derjenigen, die durch das Fordern maßlosen Ausbaus nicht mithelfen, einen Industriebereich, der mit über 400.000 Beschäftigten sehr, sehr leistungsstark ist, angesichts der Herausforderungen, die da sind, vernünftig zu steuern. Sie fahren ihn leichtfertig und unsinnigerweise vor die Wand, ohne zu wissen, was Sie als Alternative wollen. Das ist doch das Hauptproblem. Es gibt so viel zu tun im Energiebereich: die Kapazitätsmärkte, die hergestellt werden müssen, die ganzen Parameter, der ständige Ausbau der Erneuerbaren in Kombination mit Zuverlässigkeit, mit Versorgungssicherheit, sodass das eine zum anderen passt.
Das, worauf wir uns in zwei Koalitionsverhandlungen verständigt haben, was unser Markenzeichen ist, sind der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, der Ausbau von Nah- und Fernwärmenetzen, so wie er hier in Düsseldorf passiert, wie er in Köln passiert, wie er in Krefeld kommen soll, wie er über die STEAG und über die Stadtwerke im Ruhrgebiet kommen soll. Das ist das, was gemacht werden muss. Das alles untergraben Sie, ohne dass Sie wissen, wo Sie hinwollen. Das ist energiepolitische Geisterfahrt statt verantwortungsvollem Regieren in Berlin.
(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])
Lassen Sie mich als Letztes sagen: Bei allen Differenzen, die wir mit den Sozialdemokraten immer wieder haben mögen – Sigmar Gabriel ist nicht mein engster Freund –, haben wir einen wesentlich vernünftigeren Ansatz hier, das zu machen, was für das Land notwendig ist. Wir brauchen uns nicht auf solche Spiegelfechtereien zu konzentrieren.
Das, was in Berlin zu verhandeln ist, wird zu geeigneter Zeit in Berlin vernünftig verhandelt werden. Aber das, was Sie machen, nämlich in Berlin Verantwortung tragen und hier energiepolitisch mit dem Kopf vor die Wand fahren, ist gegenüber denen, die da arbeiten, nicht zu verantworten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)