Oliver Keymis: „Wir werden in Zukunft einen anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben als heute“

Gesetzentwurf der Landesregierung zum 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag

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Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns Grüne steht zunächst mal fest: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland muss stark bleiben. Dazu gibt es natürlich eine Menge Überlegungen. Er muss aber auch reformfähig bleiben, und er muss sich, glaube ich, auch verändern.
Das heißt, wir werden in Zukunft einen anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben als heute. Er wird möglicherweise mit etwas weniger Radioprogrammen auskommen. Er wird möglicherweise auch irgendwann mit etwas weniger Fernsehkanälen zurechtkommen. Aber entscheidend ist, dass er stark bleibt und seine grundlegenden Aufgaben erfüllt, nämlich das zu leisten, was eine freiheitliche Demokratie braucht: freie Meinung und Vielfalt der Meinungen, abgebildet in einem Programm, das sich substanziell und unabhängig mit den Themen und Fragestellungen der Zeit befassen kann.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk – hier bei uns der Westdeutsche Rundfunk – soll also stark bleiben. Und wir haben in der vergangenen Legislatur auch immer dafür geworben, dass er zukünftig, damit die Systeme sauber getrennt und auseinandergehalten werden können, werbefrei werden soll. Auch das ist das Fernziel – jedenfalls von Bündnis 90/Die Grünen –: eine saubere Trennung zwischen dem privaten Angebot, werbefinanziert, und dem öffentlich-rechtlichen Angebot, beitragsfinanziert, aber eben auch werbefrei.
Auf dem Weg dahin haben wir uns in der letzten Periode bereits für ein zweistufiges System entschieden. Dieses war der Versuch, eine solche Veränderung einzuleiten. Er wurde damals von allen Fraktionen hier im Hohen Hause als richtig empfunden. Insofern war das, glaube ich, der richtige Schritt.
Wir haben in der Anhörung damals aber auch Argumente gehört, die uns bis heute nachdenklich machen. Ein Argument wird durch einen Begriff bezeichnet, der mir damals schon aufgefallen ist, nämlich Gattungsschaden. Es wurde gesagt, es kann sein, dass durch die Tatsache, dass man die Werbung im öffentlich-rechtlichen Angebot verringert, möglicherweise auch die Attraktivität und die Durchsetzungsfähigkeit des Werbeangebots im privaten Rundfunk leidet. Wenn sich dieses durch alle Hörfunkprogramme durchsetzt, entsteht ein sogenannter Gattungsschaden. Darauf ist in der Anhörung damals, als wir über das Gesetz beraten und mit der rot-grünen Mehrheit entschieden haben, schon diskutiert worden.
Das Zweite ist, wir haben uns damals vorstellen wollen und können, dass eine Art Kompensation stattfinden kann. Das heißt also, dass man möglicherweise auf der einen Seite die Werbung reduziert, auf der anderen Seite aber über den Beitrag oder über Veränderungen, die durch einen entsprechenden Umgang mit den rund 7,5 Milliarden € Beitragseinnahmen stattfinden, eine Kompensation dieser Mittel erreicht.
Dieses ist aber aus heutiger Sicht auszuschließen. Ich glaube nicht, dass die Ministerpräsidenten in ihrer Konferenz die Situation so einschätzen, dass sie eine Beitragsanpassung beschließen können. Vielmehr sprechen sie überwiegend von Beitragsstabilität. Ich glaube auf der anderen Seite auch nicht, dass absehbar ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mal eben alles umstellt, was er in den nächsten Jahren umstellen muss, um Beitragsstabilität überhaupt darstellen zu können. Vor diesem Hintergrund entfällt auch das Kompensationsargument.
Das sind die Gründe, warum wir Grünen sagen: Unter diesen Gesichtspunkten kann man den Veränderungen im 16. Rundfunkänderungsgesetz, wie es hier vorgeschlagen wird, zustimmen und sagen, okay, wir setzen das Ganze auf eine etwas längere Zeitleiste, lassen es noch einmal seriös überprüfen anhand der dann hoffentlich vorliegenden Zahlen aus diesem Bereich und sind dann in der Lage zu bewerten, wie man künftig mit der weiteren Werbereduzierung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verfahren kann. – Das dazu.
Zum 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag kann ich mich im Wesentlichen auf das beziehen, was die Vorredner schon gesagt haben. Im Übrigen ist es bisher oder über viele Jahre hinweg eine gute Tradition gewesen, auch in diesem Hohen Hause, dass diese Art Staatsverträge, die über 16 Länder hinweg diskutiert werden und von den jeweiligen Mehrheiten dort auch umgesetzt werden, interessanterweise manchmal in den einzelnen Ländern von einzelnen Fraktionen abgelehnt werden, was natürlich nach außen ein merkwürdiges Bild macht.
Wenn Herr Kretschmann in Baden-Württemberg diesen Staatsvertrag unterzeichnet und der dortige Landtag ihn beschließt und die Grünen in Nordrhein-Westfalen diesen völlig irre finden und ablehnen, dann kann aus der Sicht der meisten Leute politisch irgendetwas nicht zusammenpassen, jedenfalls aus grüner Sicht. Womöglich geht das anderen Parteien oder Fraktionen, sei es hier im Hohen Hause als auch sonst, ebenso.
Das ist einer der Gründe, warum wir nach reiflicher Überprüfung und Betrachtung der Dinge, auch in Rücksprache mit unserem Experten, der uns in der Anhörung beraten und vorgetragen hat, zu dem Beschluss gekommen sind, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowohl dem 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag als auch dem 16. Rundfunkänderungsgesetz zustimmen und sich damit ein Stück weit einer Tradition anschließen wird, die früher, als die Zeiten noch andere waren, Usus war, nämlich dass man in diesen großen, wichtigen Fragen, die alle Bundesländer betreffen, im Land Einigkeit hatte vor dem Hintergrund dessen, dass wir wissen, was wir am dualen Rundfunksystem in Deutschland haben, nämlich eine freie, eine vielfältige Presse und eine, in der sich die meisten Menschen auf der einen wie auf der anderen Seite auch wirklich wiederfinden. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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