Oliver Keymis: „Wir sind alle der Meinung, Meinungsvielfalt und Pressevielfalt sind ein hohes Gut.“

Große Anfrage von SPD und GRÜNEN zur Situation des Zeitungsmarktes

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Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Kollege Vogt hat eine Reihe von sehr wichtigen Fakten aus dieser sehr lesenswerten Großen Anfrage schon hervorgehoben. Ich bin erst einmal – das möchte ich für meine Fraktion zum Ausdruck bringen – der Landesregierung sehr dankbar, dass sie die Große Anfrage 22 von SPD und Grünen verantwortet hat, uns vorgelegt hat, dass sie sich der Mühe unterzogen hat, all diese verschiedenen Aspekte des Zeitungsmarkts in Nordrhein-Westfalen noch einmal aufzugreifen, und dass sie hat untersuchen lassen – ich vermute mal, dass sie es nicht allein untersucht hat –, was an Fakten zu recherchieren war.
Es ist schon interessant, alles das, was wir im täglichen Leben unter Umständen nicht so bemerken, in dieser Anfrage nachlesen zu können. Es gibt, wenn man so will, eine fallende Tendenz im Bereich des Printmarkts, was unser Tageszeitungsangebot betrifft. Das ist auf der einen Seite sehr, sehr bedauerlich, weil wir alle der Meinung sind, Meinungsvielfalt und Pressevielfalt seien ein hohes Gut und sollten sich natürlich auch durch ein vielfältiges Zeitungsangebot äußern.
Auf der anderen Seite sind die Fehler, die wir nachlesen können, zum Teil hausgemacht, wie beispielsweise das Zurücknehmen von Lokalangeboten in bestimmten Bereichen, woraus dann resultiert, dass die Leute, die vor Ort eine Zeitung abonniert hatten, diese eben abbestellen, weil über die eigene Örtlichkeit nichts mehr nachzulesen ist. Das sind Entwicklungen, die sich dann selbst ein Stück weit fortschreiben, und die wir natürlich bedauern.
Die Studie enthält viele, viele interessante Fakten, und wenn man die Vergleichszahlen aus 2003, 2006, 2008, 2012 und jetzt Stand 2016 nebeneinanderlegt, dann kann man sehen, dass hier eine Entwicklung im Gange ist, die auch etwas damit zu tun hat, dass im selben Maße, wie sich Printmedien im Rückzug befinden, sich der digitale Bereich entsprechend erweitert hat. Es gibt eine lange Liste von sogenannten lokalen Onlinemedien – das ist auch in der Antwort zur Anfrage nachzulesen –, und man ist beeindruckt, wie viele Angebote es auf der digitalen Ebene gibt.
Interessant ist aber auch, dass es sich dabei um Angebote handelt, die im Schnitt zwischen 200 und 2 000 Leute erreichen. Das sind also keine Riesenangebote, sondern wirklich kleine, lokale Angebote im Netz, wo eben der einzelne Berichterstatter, die einzelne Berichterstatterin über eine lokale Situation im Netz ein kleines Portal unterhält und auf Dinge vor Ort hinweist. Das mag im Einzelnen gut funktionieren; da ist das digitale Angebot auch ein entsprechender Verbreitungsweg.
Es zeigt sich zudem, dass man mit dem Zeitungsmarkt nicht viel Geld verdienen kann. Das zeigt sich auch an so bitteren Sätzen – man kann sie nachlesen – wie dem des Deutschen Journalistenverbandes, der sagt, es gebe keinen einzigen Verlag in Nordrhein-Westfalen, der sich an die Vereinbarungen hinsichtlich der Zahlungen an Journalistinnen und Journalisten, insbesondere auch an freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, halte. Das ist, wie ich finde, eine sehr bittere Aussage in dieser Großen Anfrage.
Wörtlich heißt es hier auf der Seite 63, jedenfalls sei dem DJV, dem deutschen Journalistenverband, in NRW kein freier Journalist bekannt, der von NRW-Verlagen entsprechend der Vereinbarung bezahlt werde. Das sind natürlich sehr herbe Aussagen, die deutlich machen, dass das ein sehr hartes Geschäft ist. Wir, die wir uns immer damit befassen, wissen das natürlich. Aber allen hier im Landtag und auch außerhalb, die sich damit einmal befassen wollen, steht hier ein wirklich sehr überschaubares, aber auch sehr interessantes und lesenswertes Kompendium zur Verfügung.
Ab Seite 160 wird es, für mich jedenfalls, interessant, weil es da um die Frage geht, wie wir denn Vielfalt erhalten. Ich glaube, wir werden uns für die Zukunft – und das haben wir Grüne schon sehr lange gesagt – darüber unterhalten müssen, ob wir uns nicht auch wie in anderen Ländern Europas, wo das gang und gäbe ist, ganz konkret über vielfaltstützende Maßnahmen für die Zukunft werden unterhalten müssen.
Wir haben in Deutschland ein top staatsfern organisiertes Pressewesen; das ist gut so. Das würden wir auch gern beibehalten. Wir werden uns jedoch für die Zukunft über einige Fragen Gedanken machen müssen: wie man möglicherweise in einem etwas fantasievolleren Umgang mit der Mehrwertsteuer oder durch eine Förderung von Gemeinnützigkeit von journalistischen Angeboten – wir haben schon einmal einen Antrag der FDP dazu intensiv beraten – oder womöglich auch durch Förderung von Transport und Logistik usw., wie das in Frankreich der Fall ist, dafür sorgen kann, dass auch künftig überall im Land Zeitungen erscheinen und die Meinungsvielfalt dadurch gesichert wird, dass sie ein Stück weit auch durch die Gesellschaft gestützt wird.
In der Antwort zur Großen Anfrage findet man Hinweise darauf, dass gerade in den skandinavischen Ländern – und zwar mit Millionenbeträgen im hohen zweistelligen Bereich – durchaus eine Förderung der Zeitungslandschaft organisiert wird. Die EU lässt das auch ausdrücklich zu, wenn es dabei nicht darum geht, dass der europäische Handel dadurch in Gefahr gerät. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Aspekt, den wir für die Zukunft im Auge behalten sollten.
Die Antwort auf die Große Anfrage bietet für all das entsprechende Hinweise. Möglicherweise werden wir irgendwann neben einer bereits vorhandenen Stiftung vor Ort eine weitere Stiftung haben, die sich mit der Vielfaltssicherung befasst und in die wir mit einer Mediengebühr gemeinsam einzahlen. Auf diese Weise können wir auch künftig die Vielfalt im Zeitungsmarkt – online wie möglicherweise auch noch Print – weiter sichern. – Vielen Dank!
(Beifall von den GRÜNEN) 

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