Oliver Keymis: „Ich halte die Dämonisierung von Werbeangeboten im Internet überhaupt nicht für zielführend“

Antrag der Piraten zum Ad-Blocker-Verbot

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Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zwei interessante Artikel gelesen. Mit dem einen beginne ich, und mit dem anderen schließe ich die kleine Rede, die ich dazu halte. Der erste Artikel war deshalb interessant, weil auf einen Bericht von Frank Rieger und Thorsten Schröder auf der diesjährigen re:publica-Konferenz verwiesen wurde. Die beiden vom Chaos Computer Club haben darin deutlich gemacht, was hinter einem solchen Angebot steht, das sozusagen unfreiwillig mit dem jeweiligen Aufruf einer Seite ins Haus steht. Sie haben das am Beispiel der Seite „bild.de“ demonstriert:
„Ein zweiminütiger Aufenthalt auf der Webseite führt insgesamt zu 2.339 Anfragen. Von den 195 kontaktierten Servern unterliegen lediglich 13 der Kontrolle der Bild-Redaktion. Weist einer der rund 180 anderen Server eine Sicherheitslücke auf, so kann dadurch schädlicher Content ausgeliefert werden.“
Mit anderen Worten heißt das, wenn man einen Ad-Blocker einsetzt, der womöglich dazu führt – der Kollege Lamla hat es bereits angesprochen –, dass man sich auch diese Schadprogramme vom Hals halten kann
(Zuruf von den PIRATEN)
, dann liegt man womöglich mit einem Ad-Blocker an der Stelle gar nicht so schlecht. Insofern ist der Antrag, den die Piraten hier eingebracht haben, aus grüner Sicht zumindest diskussionswürdig, und wir freuen uns auf die weitere Debatte dazu im Fachausschuss.
Das ist ein Thema, dem man sich intensiv widmen muss; denn mit einem einfachen Verbieten ist es im Internet eh immer so eine Sache. Das wissen alle, die sich mit dem Netz schon länger beschäftigen; dazu gehöre ich, wie man mir ansieht, auch.
(Heiterkeit von der CDU)
Insofern ist das ein Thema, mit dem man sich intensiv auseinandersetzen kann.
Es ist auch eine Frage, ob unser Freiheitsempfinden wirklich so ist, dass wir den Eindruck haben, wir müssten diesen Dingen, weil sie aus geschäftlichen Gründen einer Steuerung bedürfen, auf diese Weise mit einem Verbot begegnen.
Das Verbot sehen wir sehr kritisch. Ich bin prinzipiell sehr offen sowohl für Werbeangebote als auch für die Menschen, die sich das nicht ansehen wollen. Ich glaube, so sind die Menschen auch. Sie sind unterschiedlich. Der eine reagiert auf Werbung eher aggressiv und sagt: Um Gottes Willen. Damit will ich nichts zu tun haben. – Die andere sagt: Finde ich interessant, wollte ich immer schon einmal genauer sehen.
Insofern ist das mit Sicherheit nicht so zu entscheiden, dass wir von Staats wegen beginnen, kleine Hilfsprogramme zu verbieten, die im Internet das eine oder andere ermöglichen oder nicht ermöglichen – „verunmöglichen“.
Das ist sicherlich eine sehr spannende Debatte, die von vielen Seiten aus genauer zu führen ist. Ich ende mit einem Zitat aus dem „Tagesspiegel“ vom 18.06.2016. Da heißt es am Schluss eines Artikels:
„Die Frage also lautet: Wie wirkt Reklame auf Menschen, die sie gegen ihren erklärten Willen sehen müssen? Vermutlich ist es so, dass sich diese Menschen einfach erzürnt in ihre Sitzlehnen krallen und einen heiligen Eid leisten, nie, nie dieses Zeug zu kaufen, was ihnen da … [vorgesetzt] werden soll. Oder sie gehen solange aufs Klo, womit die Werbung auch keine Gelegenheit mehr hat, heimlich aufs Unbewusste einzuwirken.“
Zitat Ende.
In diesem Sinne: Ich halte ein Verbot in der Form nicht für einen zielführenden Vorschlag. Ich halte aber auch die Dämonisierung von Werbeangeboten im Internet überhaupt nicht für zielführend.
Wir wissen, ohne Werbung funktionieren viele Angebote nicht. Qualitätsjournalismus, lieber Herr Kollege Schick, könnte man sich natürlich auch leisten, indem man diese Angebote – den Inhalt sozusagen – käuflich im Internet erwirbt. Es gibt die entsprechenden Angebote. Das hat dann nichts mit Werbung zu tun, sondern damit, dass Menschen sagen: Mich interessiert dieser oder jeder Inhalt. Dafür bin ich bereit, etwas zu bezahlen so, wie ich in der Regel auch für die Hefte und Zeitungen, die ich in einem Zeitschriftenladen kaufe, Geld ausgebe.
Das ist meines Erachtens das Programm, das im Internet zu fahren wäre. Aber einfach nur zu sagen: „Wir finanzieren uns über Werbung, und wenn Leute die unterdrücken, dann unterdrücken wir diese Möglichkeit“, das halte ich politisch für keinen klugen Weg. Aber wir werden das diskutieren. Ich darf das für meine Fraktion so sagen. Wir stimmen der Überweisung zu. – Danke schön.
(Beifall von den PIRATEN)