Oliver Keymis: „Ich hätte mir gewünscht, dass man noch einen Schritt mutiger wird“

Haushalt 2019 - Ministerium für Kultur

Oliver Keymis (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zwar eine späte Stunde, aber wie in der Kultur häufig ist abends der Höhepunkt. Insofern haben wir Gelegenheit, noch ein paar Sätze darüber zu wechseln.
Ich möchte mich in den Tenor einreihen, den insbesondere die Kollegen Schultheis und Petelkau angestimmt haben. Wir haben im Kulturbereich, Frau Ministerin, nicht nur eine, wie ich finde, kompetente Vertreterin. Wir sind Ihnen dankbar dafür, dass Sie diese Arbeit so machen, wie Sie sie machen. Wir haben im Kulturbereich auch einen Aufwuchs – das weiß jeder –, wie wir ihn uns als SPD- und als grüne Fraktion immer gewünscht haben, was aber mit unserer Regierung nicht zu machen war.
Ich möchte offen sagen – das sollte man nicht unter den Tisch kehren –: Wir hatten in der Zeit der rot-grünen Koalition andere Einnahmen, als Sie sie jetzt haben. Das muss man auch etwas in Rechnung stellen und sollte es bei allen Vorbehalten offen aussprechen. Die finanzielle Situation in den Jahren war schwieriger, als Sie sie jetzt vorfinden können. Es ist gut, wenn das entsprechend genutzt wird. Im Kulturbereich wird es Gott sei Dank, wie ich finde, klug und sinnvoll eingesetzt und genutzt. Der Aufwuchs ist prima. Das kann ich für meine Fraktion ausdrücklich begrüßen.
Wir haben in unserem Wahlprogramm das schon so aufgeschrieben, insofern erfüllen Sie einen Teil des grünen Wahlprogramms. Das tun Sie wahrscheinlich ungern und unfreiwillig oder auch freiwillig und auch gerne, weil Sie finden, dass es richtig ist, es so zu machen. Solche Art von Übereinstimmung tut ja der Politik, finde ich, immer wieder ganz gut.
Ich hätte mir selber gewünscht, dass man noch einen Schritt mutiger wird. Möglicherweise kann man das im Laufe der Jahre auch noch diskutieren. Sie merken ja jetzt, dass ich bewusst ein bisschen allgemeiner spreche und nicht auf alle Details eingehe, die Herr Petelkau schon prima aufgezählt hat.
Sie merken ja jetzt, dass durch das Animieren der kulturellen Landschaft Nordrhein-Westfalens mit den entsprechenden Aufwüchsen in den letzten zwei Jahren ein gewisser Bedarf zusätzlich entsteht. Jetzt kommen alle drauf, dass die Landesregierung etwas tut. Wir bewegen uns in einem Rahmen, der nicht ganz im Bereich von Baden-Württemberg oder Bayern liegt. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Koalition die Kraft finden würde, dass ab 2020 noch einmal weiter zu stärken und darauf zu reagieren, was sich in der Kulturszene Nordrhein-Westfalens inzwischen entwickelt.
Da entsteht nämlich auch ein enormer Anspruch. Dort wird gesagt, jetzt habt ihr jahrelang relativ wenig getan, ihr tut jetzt etwas, vielleicht kann man an manchen Stellen noch etwas mehr tun. – Ich kann mir vorstellen, dass die Ministerin darüber nicht unglücklich wäre. Ob die Fraktion die Kraft findet, wird sich zeigen. Unsere Unterstützung jedenfalls hätten Sie, wenn Sie ab 2020 zwei oder drei Jahre noch zehn Millionen Euro mehr drauflegen würden. Das ist für den Gesamthaushalt kein großes Problem, aber es wäre für die Kultur eine enorme Stütze und würde die Dinge erheblich weiterentwickeln.
Meines Erachtens wäre das gut für das Land, weil es eben nicht nur um Kultur hier und Arbeitsplätze dort geht. Wir haben in der Kultur-und Medienbranche, wie Sie wissen, viele Hunderttausend Arbeitsplätze, die von diesen Maßnahmen abhängen – nicht nur von öffentlichem Geld, sondern auch von dem Geld, das dadurch generiert wird, dass wir die Kultur mit Zuschüssen mitfinanzieren.
Insgesamt kann ich das nur begrüßen. Das tun wir auch. Das ist gut so. Einen Wermutstropfen muss ich heute Abend noch loswerden: Wir haben in der vorigen Woche einen Beschluss des Haushalts- und Finanzausschusses erlebt, den wir als Kulturleute jedenfalls im Ausschuss gar nicht diskutiert haben. Das bedaure ich sehr, das hätte man vorher einmal besprechen sollen. Es geht um das Archiv für alternatives Schrifttum, eine Einrichtung, die wir als Land Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren meist mit relativ kleinen Beträgen gefördert haben.
In den letzten Jahren haben wir uns zu einer stärkeren und besseren Förderung entschlossen. Dieses Archiv setzen Sie mit dem Beschluss, der im Haushalts- und Finanzausschuss gefasst wurde – minus 220.000 Euro – faktisch ins Aus.
(Ralf Witzel [FDP]: Den haben wir mit Ihnen gemeinsam gefasst!)
–  Ich weiß das, Herr Witzel, aber den Trick, wie man das macht, könnte ich Ihnen auch noch erklären. Das war nicht in Ordnung, das war ein echter Fake.
(Ralf Witzel [FDP]: Das war überhaupt kein Fake!) Das haben Sie drunterhergeschoben.
(Ralf Witzel [FDP]: Das war ein einziger Satz!)
–  Ich will mit Ihnen jetzt gar nicht darüber debattieren. Schön, wenn Sie es so sehen. – Wir haben es so empfunden, wie es war. Es hätte im Fachausschuss diskutiert werden können, da ist es nicht eingebracht worden. Ich kann Ihnen nur den Tipp geben, diese Situation noch einmal genau zu überdenken. Die Archivszene Deutschlands ist schon in einer gewissen Alarmstimmung. Die sagen: Was ist das jetzt? Das Land macht Kultur zu einem Hauptthema, aber es macht einen Laden zu, von dem die Szenerie jedenfalls sagt: Den brauchen wir, der gehört zum Archivwesen Deutschlands dazu.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie über diese Entscheidung noch einmal nachdächten. Ansonsten geht dieses Kleinod in die Insolvenz. Das kann eigentlich nicht das Ziel von Kulturpolitik sein, nachdem man schon insgesamt fast 1,5 Millionen Euro öffentliche Mittel in dieses Archiv investiert hat. Das wäre mein Appell.
Ansonsten stimmen wir dem Antrag im Hinblick auf das Pilotprojekt zu. Das ist ein richtiger, guter Schritt. Wir haben immer Schwierigkeiten gehabt im Verhältnis der Exekutive zu diesen Vorschlägen, die wir im Rahmen des Kulturfördergesetzes zu diesem Thema auch schon vor Jahren gemacht haben. Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei. Unsere Unterstützung haben Sie bei dem Antrag auf jeden Fall. Die grüne Fraktion wird zustimmen und sich nicht nur enthalten.
Das sind die kleinen Unterschiede, die das Kulturthema ja auch spannend machen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)