Oliver Keymis: „Die moralische Aufregung, die wir im Moment erleben müssen, ist unhaltbar.“

Antrag der Piraten zur Veräußerung von Kunstwerken

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Oliver Keymis (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst auf das Beispiel Bremen eingehen. Herr Kollege Sternberg hat gerade darauf verwiesen, dass dort zwei Werke von Paul Modersohn-Becker in Rede stehen. Sie haben aber auch – das haben Sie natürlich verschwiegen – gelesen, dass diese Werke innerhalb Bremens verkauft und dem Modersohn-Becker-Museum weiterhin zur Verfügung stehen werden. Insofern ist das kein vergleichbarer Vorgang.
Ich will aber auf ein anderes Beispiel kommen, das ich viel interessanter finde. Mit Erlaubnis unseres Präsidenten zitiere ich:
„Das Neue Museum Weserburg in Bremen gibt bekannt, dass es sich von seiner eigenen Sammlung trennen will. 51 Werke gehen für einen siebenstelligen Betrag an die Kunsthalle der Hansestadt. Zwei weitere werden dagegen ins Auktionshaus Sotheby‘s gegeben –darunter auch das Spitzenstück der Sammlung. Gerhard Richters ‚Matrosen‘ von 1966 soll im November in New York für sechs bis acht Millionen Dollar versteigert werden. Ein Gespräch mit dem Künstler.

WELT ONLINE: Ist es ein Tabubruch, dass ein Museum Kunstwerke verkauft? So wird es allgemein empfunden.
Richter: Ehrlich gesagt, begreife ich die ganze Aufregung nicht ganz. Ich finde es folgerichtig und völlig in Ordnung. Auch Museen entwickeln sich; nichts bleibt wie es ist.“
Ich habe Ihnen aus einem Bericht der „WELT ONLINE“ vom 24. September 2010 vorgelesen. Er macht deutlich, Herr Lamla, dass Ihr Hinweis auf Gerhard Richter völlig danebengeht. Er sieht es genau anders, als Sie ihn eben in die Pflicht nehmen wollten.
(Beifall von den GRÜNEN – Lukas Lamla [PIRATEN]: Herr Richter ist kein Politiker!)
Es macht deutlich, Herr Lamla, dass man die Dinge ganz anders sehen kann, als Sie das im Moment tun.
Ich will das Beispiel nur deshalb erwähnt haben, weil ich sagen will: Genau das, was ich hier vorgelesen habe, passiert in Nordrhein-Westfalen nicht. Es findet kein Verkauf von Kunstwerken aus einem Museum statt, sondern vorgesehen ist der Verkauf von zwei Kunstwerken durch eine Auktion, beschlossen von einem Unternehmen, das als GmbH & Co. KG selbstständig bilanziert und handelt, mit dem Placet der Landesregierung – übrigens nicht der halben Landesregierung, Herr Sternberg, sondern ich nehme an, die gesamte Landesregierung steht hinter dieser Entscheidung.
(Zuruf von Martin Börschel [SPD])
Und es ist das Veräußern von Eigentum der WestSpiel GmbH & Co. KG in einem Fall, den wir bisher politisch gar nicht entscheidend bewerten können, weil er uns im Landtag überhaupt nicht vorliegt.
Ich will Ihnen damit auch sagen: Wenn Gerhard Richter sagt, das kann man durchaus machen, ist das kein Grund, das immer so zu tun. Ich finde aber umgekehrt – das sage ich auch in aller Deutlichkeit –, die moralische Aufregung, die wir im Moment erleben müssen, das Großspurige der ganzen Diskussion, ist unhaltbar. „Warhol-Verkauf durch NRW: Einfach unanständig“, titelt die Presse. Andere haben sogar geschrieben, was ich auch ganz fürchterlich fand, dass die Schätze des Landes verkauft werden. All das stimmt natürlich nicht, und das wissen Sie auch. Deshalb ist die Höhe der Debatte meiner Ansicht nach nicht an der Höhe des Problems orientiert, sondern ausschließlich an der Höhe der Verkaufssumme.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die allerdings – das gebe ich ganz offen zu: Geld macht sinnlich – macht sinnlich und fördert Emotionen.
Wir als Grüne haben klar gesagt – das sage ich auch von diesem Platz aus –: Wir stimmen dem Verkauf von Kunstwerken aus Landessammlungen, aus Museen nicht zu. Das wird es mit uns nicht geben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deshalb gibt es an der Stelle auch keinen Tabubruch, um das genauso klar zu sagen.
Aber einen Tabubruch haben wir bisher überhaupt noch nicht erwähnt, Herr Sternberg, und das ehrt Sie leider nicht. Wir haben nicht erwähnt, dass 2006 hinter dem Rücken des damaligen Ministerpräsidenten, hinter dem Rücken des damaligen Kulturstaatssekretärs Grosse-Brockhoff Herr Thomas Fischer als Chef der WestLB den Max Beckmann für 13,9 Millionen verkloppt hat, ohne dass die Regierung Bescheid wusste.
Sie nicken, Herr Witzel. Das ist freundlich von Ihnen.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Meine Frage an Sie: Wo war damals Ihr Aufklärungsapparat?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wo haben Sie dieses Geschäft damals so nachvollzogen, wie Sie das hier von Anfang an nachvollziehen können? Wo haben Sie gefragt: Wann gibt es eine Liste, aus der man entnehmen kann, was der WestLB noch alles gehört. – Nichts ist da passiert.
(Zuruf von Martin Börschel [SPD])
Deshalb finde ich das ziemlich krokodilstränenhaft, was Sie hier vortragen; das muss ich Ihnen ehrlich sagen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Kulturministerin hat im Kulturausschuss klar gesagt, was sie vorhat, nämlich einen runden Tisch zu machen, um zu erfassen, wie die Lage insgesamt ist. Das ist der Blick nach vorne. Ich hoffe sehr, dass bei Christie‘s am 12. November so viel hereinkommt, wie wir uns das alle wünschen – jetzt, wo der Verkauf feststeht. Denn alles andere – Herr Sternberg, das haben Sie richtig erkannt – gilt nicht mehr. Es gibt auch nichts rückgängig zu machen. Aus dem Grunde richten wir den Blick nach vorne und lehnen die Anträge, die alle rückwärts gerichtet sind, ab. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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