Oliver Keymis: „Der Vorgang ist ungewöhnlich und bedauerlich“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu GEZ-Abgaben

Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vier Fraktionen haben mich gebeten, als Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien für sie zu sprechen. Dieser Bitte komme ich selbstverständlich gerne nach; denn ich denke, dass der Sache mit den Worten, die ich jetzt für uns dazu sage, genüge getan ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht immer noch um 651,35 Euro und um die Frage, ob das Recht für alle Menschen oder ob es für einen Menschen, der die Zahlung des Rundfunkbeitrags verweigert, nicht gilt. Dieser Mann meint, er müsste diesen Kampf – dafür hält er das – kämpfen, indem er sich in das Gefängnis begibt, anstatt den gesetzlich geforderten Betrag zu begleichen. Das kann man so machen; das ist seine freie Entscheidung. Ebenso wäre es seine freie Entscheidung, sich aus dieser Haft sofort zu befreien, indem er auf die an ihn gesetzlich gestellten Forderungen eingeht und diesen Vorgang damit beendet.

Der Vorgang ist ungewöhnlich und bedauerlich. Staatlich korrektes Handeln nach Recht und Gesetz gilt aber für uns alle, und korrekterweise wird von allen Bürgerinnen und Bürgern erwartet, ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen und damit ihren Beitrag für die Solidargemeinschaft zu leisten. Die Verweigerung in diesem Fall wird nun auf dem Rechtsweg behandelt; das erginge allerdings jeder Bürgerin und jedem Bürger so, wenn er oder sie sich weigern würde, einer Zahlung, zu der man gesetzlich verpflichtet ist, nachzukommen.

Nach einem langen Prozedere vorab vollzieht dann eben der Rechtsstaat, und ich meine, mich gut zu erinnern, dass gerade die AfD-Fraktion in diesem Hohen Hause auf den klaren Vollzug des Rechts bei Zuwiderhandlungen großen Wert legt.

Wir haben zur Kenntnis zu nehmen: Bisher haben drei Gerichte zu diesem Vorgang einhellig gesprochen. Die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme wurde durch das Amtsgericht Borken als zuständiges Vollstreckungsgericht, durch das Landgericht Münster und zuletzt durch das Bundesverfassungsgericht Aktenzeichen 1 BvR 679/21 bestätigt. In seinem Beschluss vom 19. April 2021 führt das Bundesverfassungsgericht unter anderem aus – ich zitiere –:

„Die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Forderungen in Gestalt rückständiger Rundfunkbeiträge liegt sowohl im unmittelbaren Interesse der Rundfunkanstalten als auch im Interesse der Gemeinschaft aller Beitragszahler, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanzieren. Ein Beitragspflichtiger, der sich dem entzieht und im Vollstreckungsverfahren trotz Verpflichtung die Abgabe einer Vermögensauskunft … verweigert, muss mit Erzwingungshaft nach § 802g ZPO rechnen. Dagegen“

– so das Bundesverfassungsgericht –

„ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.“

Wir leben eben nicht in einem Beugehaftstaat, wie Sie das darstellen wollen, sondern in einem Rechtsstaat.

Ihre gesamte Diktion lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass es Ihnen überhaupt nicht um den Mann geht, den Sie hier anführen, sondern dass es Ihnen auf ein grundlegendes Thema ankommt, nämlich auf Ihr Thema – ich zitiere – „Schluss mit dem Staatsfunk!“

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

So betiteln Sie auch Ihren Antrag, der offen auf die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abzielt; denn nur das können Sie meinen, da es in Westdeutschland seit 1945 und in ganz Deutschland seit 1990 keinen Staatsfunk mehr gibt.

(Lachen von Sven Werner Tritschler [AfD])

Die vier Fraktionen, für die ich heute hier als Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien spreche, wollen keinen Staatsfunk.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Wir haben aber einen! – Weiterer Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Wir haben die Lektionen aus unserer Geschichte gelernt und wollen genau den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der staatsfern und unabhängig ein breites Angebot an Information und Dokumentation, Bildung und Kultur, Unterhaltung und Sport bietet, was den allermeisten Menschen in Deutschland nach wie vor die rund 60 Cent pro Tag wert sind.

Mit diesem Antrag laufen Sie einmal mehr ins Leere. Ich wiederhole meinen Vorschlag vom 19. Mai 2021. An diesem Tag hatten 982 Spenderinnen und Spender anonym und zum Teil namentlich auf das Konto der von Ihnen, Herr Tritschler, damals zitierten Webseite exakt 31.178,47 Euro gespendet. Heute, knapp einen Monat später, am 18. Juni 2021, gibt es einen aktualisierten Stand. 1.023 freiwillige Zuwendungen ergeben nunmehr einen Spendenbetrag von 32.352 Euro. Irgendjemand muss auch beim Spenden an die 53 Cent gedacht haben, um den Betrag wieder zu runden.

In knapp vier Wochen sind also aus 982 Unterstützerinnen und Unterstützern 1.023 geworden. Es sind also 41 mehr Unterstützerinnen und Unterstützern, die in den letzten vier Wochen

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

1.173,53 Euro gespendet haben,

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Das stimmt doch gar nicht!)

was einem Durchschnitt von 28,62 Euro pro Spender entspricht. Diese bescheidenen Zahlen sprechen für sich.

Sie helfen dem Mann mit Anträgen dieser Art überhaupt nicht weiter. Er kann sich selbst weiterhelfen. Wenn ihm wirklich das Geld fehlt, könnte man ihm konkret mit den gespendeten Beiträgen der nunmehr 1.023 aktiven Unterstützerinnen und Unterstützern, die den – in Anführungszeichen – „Kampf gegen den Rundfunkbeitrag“ auf einer entsprechenden Homepage offiziell unterstützen, helfen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Die Frage ist nur, ob er diese Unterstützung überhaupt will. Aber diese Frage kann er nur selbst beantworten.

Abschließend will ich noch einmal eindeutig auf die Rechtslage hinweisen. Rechtsgrundlage für die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks und des Rundfunkbeitrags ist der Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991 in seiner aktuellen Fassung.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege, die Redezeit.

Oliver Keymis (GRÜNE): Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, der durch sämtliche Landesparlamente verabschiedet wurde, ist formell rechtmäßig zustande gekommen. Damit existiert eine gesetzlich legitimierte Grundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrages.

Darüber hinaus ist dieses Gesetz auch materiell rechtmäßig und verletzt niemanden in seinen Grundrechten aus Art. 2 und 3 unseres Grundgesetzes. Der Staatsvertrag bestimmt ausdrücklich,

(Das Ende der Redezeit wird erneut signalisiert.)

dass für das Innehaben von Wohnungen Rundfunkbeiträge zu zahlen sind. Auch wenn Bürgerinnen und Bürger möglicherweise über keine Rundfunkempfangsgeräte verfügen, sind sie dennoch für die von ihnen bewohnten Wohnungen gemäß § 2 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages beitragspflichtig.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege, die Redezeit!

Oliver Keymis (GRÜNE): So hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 18. Juli 2018 entschieden, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag im privaten – abgesehen vom Sonderfall der Zweitwohnung – wie auch im gewerblichen Bereich verfassungsgemäß ist.

Es handelt sich um einen Beitrag, …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege!

Oliver Keymis (GRÜNE): … der für die Möglichkeit jedes Einzelnen erhoben wird, das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender als Gegenleistung zu nutzen.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Es ist bereits mehrfach gerichtlich entschieden, dass der subjektive bewusste Verzicht auf Rundfunkempfang keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht begründet.

Dass es eine Reihe von sozialen Begründungen gibt, von der Beitragspflicht befreit zu werden, unterstreicht wiederum das rechtsstaatlich einwandfreie, organisierte und vielfach gerichtlich eindeutig bestätigte Solidarmodell dieses Verfahrens.

So, wie die Gemeinschaft gemeinschaftlich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einsteht, so steht sie auch solidarisch mit für die Menschen ein, die es sich aus sozialen Gründen nicht leisten können, den monatlichen Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,50 Euro zu entrichten.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Abgeordneter!

Oliver Keymis (GRÜNE): Und so soll es sein. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

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