Oliver Keymis: „Denn wir brauchen natürlich eine Meinungsvielfalt im Print- wie im Online-Bereich, und wir brauchen sie vor allem mit dem lokalen Bezug“

Große Anfarge der SPD-Fraktion zum Zeitungsmarkt in NRW

Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Nückel, natürlich kann man die Dinge so miteinander vergleichen, wie Sie es gerade getan haben. Ich finde aber die Entscheidung sinnvoll, die Frankreich schon vor Jahrzehnten gefällt hat. Den Vertrieb zu stützen und Zeitungen im ganzen Land dadurch zu stärken, dass man sie überall kaufen kann, ist doch kein schlechtes Prinzip. Es ist auch nicht die Form von Subvention, die Sie meinen, wenn Sie davon sprechen, wir wollten jetzt die Verlegerinnen und Verleger subventionieren. Das haben sie doch bis heute nicht nötig. Dafür zu sorgen, dass man in Westfrankreich lesen kann, was im Elsass wichtig ist, und umgekehrt, ist aber interessant – vor allen Dingen deswegen, weil die Leute sehr viel unterwegs sind. Es gibt durchaus Menschen, die mal da und mal dort leben oder Verwandte an anderen Orten haben. Insofern macht es Sinn, Zeitungen überall vorzuhalten. Das sehe ich als gute Idee an.
Deshalb finde ich auch die Initiative richtig, die in Berlin dazu gestartet wurde. In diesem Rahmen sind jetzt etwa 40 Millionen Euro vorgesehen. Das reicht natürlich nicht, um Vertrieb zu organisieren. Da könnte man mehr machen. Es ist aber eine Form medialer Vielfaltsunterstützung, die ich jedenfalls politisch für sehr sinnvoll erachte.
Was die Große Anfrage angeht, möchte ich zunächst all denjenigen meinen Dank aussprechen, die die Antworten erarbeitet und geschrieben haben. Das waren ja nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Medienabteilung der Staatskanzlei, sondern auch, wie ich – hoffentlich richtig – im Hinterkopf habe, eine entsprechende Agentur, dieses Mal interessanterweise nicht aus Nordrhein-Westfalen. Das ist insofern interessant, weil sie sich einen Blick von außen gegönnt haben. Diesen Blick kann man auch mit sehr großem Interesse nachlesen und entsprechend konsumieren.
In der Studie wird das zum Ausdruck gebracht, was wir alle kennen: Die Entwicklung geht nach unten, was die mediale Vielfalt betrifft. Es gibt leider auch ein großes Zeitungssterben. Insbesondere kommt es zu einer Monopolisierung im Sinne der sogenannten Einzeitungskreise, was natürlich für uns alle bedauerlich ist, weil aus der Meinungsvielfalt genau das entsteht, was die Menschen am Ende interessant finden können.
Woran liegt das? Aus unserer Sicht liegt es vor allem daran, dass die Verlegerinnen und Verleger sich mehr und mehr – eigentlich fälschlicherweise – aus dem Lokalen zurückziehen. Da liegt aus meiner Sicht aber die entscheidende Stärke. Das Entscheidende wäre, dass die Zeitungen vor Ort Relevanz dadurch erhalten, dass sie über das, was vor Ort geschieht, gründlich berichten, Hintergründe recherchieren, politische Zusammenhänge schildern und darstellen, wie Entscheidungen zustande kommen. Das findet leider nur noch vereinzelt oder nicht mehr so stark statt, wie wir es aus früheren Zeiten kennen.
Durch das Einbrechen dieser lokalen Relevanz bricht auch das Interesse an der Zeitung ein. Entsprechend wird sie weniger gekauft oder auch weniger online gelesen – wobei festzustellen ist, dass Online ohnehin noch kein Geschäftsmodell ist; denn noch verdienen die Zeitungen an Print und nicht an Online.
Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Punkt. Es gibt einige, die das eine Zeit lang richtig gemacht haben. Darunter war zum Beispiel die „Rheinische Post“, die über Jahre sehr stark in das Lokale investiert hat. Das tut sie aber inzwischen auch nicht mehr so wie früher, sondern fasst auch stärker zusammen. Und was beobachtet sie? Auch im Lokalen brechen ihr die Leser nach und nach weg.
Nehmen wir ein Gegenbeispiel, und zwar das „Kevelaerer Blatt“. Wer es kennt, weiß, dass es nur eine relativ kleine Auflage im lokalen Bereich hat. Kevelaer hat acht Ortsteile. In jedem Ortsteil gibt es diese Zeitung, die wöchentlich erscheint, zu kaufen. Das ist ein Erfolgsmodell. Der Verleger verdient Geld damit. Der Verleger hat eine große Kundschaft. Es gibt Interesse. Es gibt Resonanz. Die Leute wissen, was vor Ort bei Ihnen passiert. Das „Kevelaer Blatt“ kann man an jeder Tankstelle und an jedem Kiosk kaufen. Die Auflage ist natürlich nicht groß. Für Kevelaer ist sie aber schon riesig. Die „Rheinische Post“ ist dort nur die Nummer zwei – das muss man sich vorstellen –, was ja sonst am Niederrhein und im Rheinland eher selten ist; aber da ist es so.
Das „Kevelaer Blatt“ – ich war auf der 140-Jahr-Feier; so lange gibt es dieses Blatt schon – ist ein Beispiel dafür, dass lokale Relevanz auch Akzeptanz bis ins Portemonnaie bedeutet.
Von diesem Beispiel könnten sich die anderen Verlage eine Menge abgucken. Es wäre gut, wenn sie ihre entsprechenden Geschäftsmodelle noch einmal überprüfen würden. Denn wir brauchen natürlich eine Meinungsvielfalt im Print- wie im Online-Bereich, und wir brauchen sie vor allem mit dem lokalen Bezug.
Ich muss hier auch der SPD-Fraktion danken, weil sie meines Wissens diese Große Anfrage nun zum sechsten Mal gestellt hat. Wir haben das auch einmal gemeinsam initiiert, als wir hier gemeinsam zuständig waren. Das ist eine wichtige Kontinuität, weil in dieser sechsten Großen Anfrage zum Zeitungsmarkt NRW auf diese vielen verschiedenen Probleme hingewiesen wird.
Dass die richtige Antwort wäre, Journalistinnen und Journalisten stärker zu fördern, sehe ich eher nicht; da bin ich unsicher. Das Stiftungsmodell, mit dem man lokale journalistische Kompetenz fördert, fand ich aber gut. Ich würde mir auch wünschen, dass wir ähnliche Modelle für die Zukunft weiter diskutierten.
Einen Punkt will ich noch deutlich herausstellen. Meines Erachtens müssen wir uns klar dar- über sein, dass wir diese gesamte mediale Vielfalt nur erhalten, wenn wir den ganz Kleinen unter uns frühzeitig beibringen, dass es gilt, mediale Kompetenz zu erringen. Deswegen habe ich im November 2019 einmal davon gesprochen, dass wir eigentlich auch ein Fach Medienkunde in der Schule einführen sollten, damit schon ganz früh begriffen wird, was es heißt, sich mit medialen Themen auseinanderzusetzen: Was ist eine Zeitung? Was ist das Radio? Was bietet das Internet? – Bei diesen Dingen müsste man eigentlich sehr früh anfangen, weil der alte Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Maria nie“ meiner Ansicht nach nach wie vor gültig ist.
Vor diesem Hintergrund plädiere ich sehr dafür, dass wir in den Schulen anfangen, Medienkompetenz zu vermitteln, damit später Zeitungen sowohl in gedruckter Form gekauft als auch ganz viel online konsumiert und womöglich sogar bezahlt werden. Darauf kommt es am Ende an. Sonst können Journalistinnen und Journalisten von dem, was sie tun, ja nicht leben.
 (Beifall von den GRÜNEN)

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