Norwich Rüße: „Zutiefst ideologisch getrieben und Erfüllungsgehilfen des Landesjagdverbandes“

Entwurf der Landesregierung zum Landesjagdgesetz - zweite Lesung

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Diekhoff, ich habe mich bei Ihrer Rede stellenweise gefragt, was man eigentlich so im Wald finden kann, um das dann zu rauchen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das war doch stellenweise wirklich grenzwertig.
(Dietmar Brockes [FDP]: Damit sollen sich die Grünen ja ganz gut auskennen!)
– Ja, Herr Brockes, man muss das Richtige rauchen. Das ist das Entscheidende.
(Lachen von der FDP – Zuruf von der FDP: Damit scheinen Sie sich auszukennen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was Sie uns hier als Gesetzentwurf vorgelegt haben, was wir heute hier endgültig beschließen werden, ist für den Tierschutz, für den Naturschutz in Nordrhein-Westfalen ein erheblicher Rückschritt. Damit ist es am Ende auch ein Rückschritt für die Jagd; denn es reicht nicht, dass Sie an der Stelle die Zustimmung des Jagdverbandes haben, wenn Sie gleichzeitig nicht die Zustimmung der gesamten Gesellschaft haben. Das ist das Problem, vor dem Sie am Ende mit Ihrem Gesetz stehen werden.
(Markus Diekhoff [FDP]: Das Problem haben Sie auch jeden Tag!)
Ich sage Ihnen auch eines deutlich: Damals, als wir das Gesetz gemacht haben, haben wir uns bemüht, neuere Erkenntnisse über die Wildbiologie einfließen zu lassen, und wir haben nicht ein Gedicht von 1840 zitiert. Das ist meines Erachtens der entscheidende Unterschied. Ihr Gesetz – das hat auch nichts mit modern zu tun, Herr Diekhoff – geht einfach nur zurück. Es geht zurück in die 30er-Jahre, 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Wir wollten mit unserem Gesetzentwurf nach vorne.
(Markus Diekhoff [FDP]: Wir sind nach vorne gegangen!)
Das unterscheidet uns an der Stelle.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Diekhoff, wir haben uns damals ganz bewusst die Aufgabe gestellt, den § 1 neu zu formulieren und zu definieren, was denn Jagd leisten soll, wie die Jagd mit Tierschutz, mit Naturschutz und mit den ökonomischen Interessen von Waldbesitzerinnen und -besitzern zusammenspielen soll. Das haben wir seinerzeit definiert. Sie streichen nun diesen § 1, obwohl Ihnen in der Anhörung alle gesagt haben, wie gut, wichtig und sinnvoll wir das ausformuliert haben. Dass Sie das an der Stelle nicht übernommen haben, zeigt nur, dass Sie zutiefst ideologisch getrieben sind und sich hier als Landesregierung zum Erfüllungsgehilfen des Landesjagdverbandes machen.
(Beifall von den GRÜNEN – Markus Diekhoff [FDP]: Dagegen verwahre ich mich!) Wir haben damals mit unserem ökologischen Jagdgesetz Brücken für die Jagd gebaut.
(Lachen von der FDP)
– Ihr Problem ist, dass Sie das bis heute nicht verstehen.
Wir haben dafür gesorgt, dass eines der umstrittensten Themen in der Jagd, nämlich der Katzenabschuss, herausgenommen wurde. Die Jägerinnen und Jäger sind uns noch heute dankbar dafür.
(Widerspruch von der FDP)
Dann hatten wir uns dem Tierschutz in der Jagd verbunden mit der Fallenjagd gewidmet. Unser Vorschlag war, einen elektronischen Fangmelder anzubringen. Es war hochumstritten, ob man das machen soll.
Wir haben das gemacht. Es gab zuerst Proteste, aber nachher haben mir alle Jägerinnen und Jäger gesagt: Super, dass ihr das gemacht habt! Genau richtig. – Wir haben mit dem ökologischen Jagdgesetz so viel Fortschritt eingebracht,
(Lachen von Dietmar Brockes [FDP])
dass überhaupt kein Bedarf besteht, den Gesetzentwurf in dieser Form vorzulegen.
(Dietmar Brockes [FDP]: Das sehen aber alle Betroffenen anders!)
Mit dem Gesetzentwurf setzen Sie langfristig das Ansehen der Jagd in der Gesellschaft aufs Spiel. Das, was wir versucht haben, nämlich den Konflikt zwischen der Jagd und der Gesamtgesellschaft zu befrieden und
(Sven Werner Tritschler [AfD]: Das ist Ihnen ja besonders wichtig! – Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben nicht befriedet!)
eine Akzeptanz zwischen Jagd und Tierschutz zu erzeugen, machen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf wieder zunichte.
(Beifall von den GRÜNEN)
Frau Ministerin, Sie haben heute den Landeswaldbericht 2019 vorgestellt. Wir alle wissen, wie die Wälder aufgestellt sind und dass wir erhebliche Probleme haben: Borkenkäfer, Klimawandel, Sturmschäden. Auf großen Flächen brauchen wir jetzt eine Naturverjüngung.
(Bianca Winkelmann [CDU]: Es geht gerade nicht um den Wald!)
Wir haben es in das Gesetz in § 1 klar reingeschrieben, dass Jagd auch die Aufgabe hat, den Wald zu schützen, und dass es darum geht, eine natürliche Verjüngung zu ermöglichen. Das streichen Sie jetzt einfach wieder heraus. Ich bin gespannt, wie Sie das zukünftig ermöglichen wollen. Das ist mir ein absolutes Rätsel.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Sie arbeiten mit Ihrem Jagdgesetz gegen die Interessen des Waldbesitzes – das will ich deutlich sagen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Auch kann ich nicht verstehen, dass Sie die Liste der jagdbaren Arten wieder derart ausdehnen. Wir haben die Liste der jagdbaren Arten auf diejenigen reduziert, die tatsächlich in Nordrhein-Westfalen vorkommen und auch wirklich jagdbar sind. Sie nehmen – da kommen Sie auch in Konflikt mit dem Bundesnaturschutzgesetz und mit europäischem Recht –die Greifvögel wieder auf. Warum tun Sie das? Das ist widersinnig. Es macht überhaupt keinen Sinn, insbesondere Greifvögel wieder auf diese Liste zu setzen.
Nun zum Schießübungsnachweis. Man kann über die Einrichtung eines Schießfertigungsoder Schießübungsnachweises streiten. Wir wollten sicherstellen, dass der Jäger, die Jägerin auch tatsächlich treffsicher schießen kann. Herr Diekhoff, Sie wissen, dass Sie schießen können müssen, wenn Sie auf ein bewegtes Ziel schießen. Das Mindeste wäre doch ein Schießübungsnachweis mit einem vorgeschriebenen Umfang – es müssten wenigstens 20, 30 Schuss abzuleisten sein –, damit auch wirklich richtig und dauerhaft geübt und der Tierschutz mithilfe des nachweissicheren Schießens garantiert wird.
Was uns völlig enttäuscht hat – das passt zu Ihrem Gedicht, Frau Winkelmann –, (Bianca Winkelmann [CDU]: Schön!)
ist, dass Sie die komplett überholte Trophäenschau wieder einführen. Ich weiß nicht, ob Sie nur mit der Spitze des Landesjagdverbands diskutieren. Wenn Sie aber mit den Jägerinnen und Jägern, die das Jagen vor Ort ausführen, sprechen, dann stellen Sie fest, dass niemand diese Trophäenschau wiederhaben möchte. Ich verstehe nicht, dass Sie diesen Weg gegangen sind. Mit Ihrem Gedicht haben Sie bewiesen, dass Sie ein antiquiertes Jagdverständnis haben. Das lehnen wir absolut ab.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben es mit Ihrem Gesetz nicht ansatzweise geschafft, die modernen Ansprüche der Gesellschaft an die Jagd – nachhaltige Jagd und an den Wald angepasste Wildbestände – zu garantieren. Sie wollen den Tierschutz, den wir deutlich nach vorne gestellt hatten, nicht erhalten. Sie haben sich – das ist mein Vorwurf – vom Landesjagdverband komplett einseitig beraten lassen. Sie waren völlig beratungsresistent. Auch auf die Anhörung sind Sie überhaupt nicht eingegangen.
Wir lehnen also Ihr Jagdgesetz, wie Sie es vorgestellt haben, komplett ab. Das, was Sie vorgelegt haben, geht aus unserer Sicht überhaupt nicht.
Norwich Rüße (GRÜNE): Wir werden das im Landtag auch noch einmal thematisieren. – Vielen Dank.

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Norwich Rüße (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank dafür, dass Sie mit Ihrem Beitrag noch einmal klargemacht haben, dass Sie sich hinter dieses Jagdgesetz stellen.
Ich will Ihnen deutlich sagen, dass die Erwartungen aus dem Tierschutz und dem Naturschutz andere waren. Es wurde nämlich erwartet, dass Sie in der Lage sind, zu versöhnen, anstatt den Spaltungsprozess, den wir beim Landesjagdgesetz erlebt haben und den diese beiden Fraktionen betrieben haben, fortzusetzen.
Ich finde es bedenklich, dass Sie das getan haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)
Die Aussage, das Jagdgesetz bewege sich unabhängig in einem eigenen Raum, finde ich nicht akzeptabel. Das Jagdgesetz muss sich meines Erachtens in Natur- und Tierschutzrecht einbinden lassen. Da gibt es ein Spannungsverhältnis.
Dass Sie im Jagdgesetz jetzt festlegen, dass in Schutzgebieten – anders, als wir es geregelt hatten – die Jagd nicht grundsätzlich dem Schutzzweck zu dienen hat, halte ich für eine Einschränkung, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann.
(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)
Dass Sie den Waldbesitz nicht vor überhöhten Wildbeständen in Schutz nehmen, wie wir das schon allein in Paderborn gesehen haben, ist für mich absolut unverständlich.
(Beifall von den GRÜNEN)
Frau Ministerin, dieses Jagdgesetz trägt nicht Ihre Handschrift. Aber es trägt Ihre Unterschrift. Es ist Ihr Jagdgesetz.
Norwich Rüße (GRÜNE): Wir werden Sie an dieser Stelle auch weiter stellen. – Vielen Dank. (Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

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