Norwich Rüße: „Wir wollen, dass die EU-Ökoverordnung fort- und weiterentwickelt wird, die Schwachstellen ausgemerzt werden und auf die neuen Herausforderungen reagiert wird.“

Gemeinsamer Antrag gegen die Totalrevision der EU-Öko-Verordnung

Portrait Norwich Rüße

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Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir waren als Ausschuss im Februar – Herr Busen, ich weiß gar nicht, ob Sie mit dabei waren – auf der BIOFACH in Nürnberg. Ich glaube, es war für alle, die an dieser Ausschussfahrt teilgenommen haben, unglaublich überraschend, welch boomende Markt das ist – das sagen auch alle Kolleginnen und Kollegen, die mitgefahren sind – und welches Potenzial dahintersteckt. Es ist ein Markt, der der Landwirtschaft und dem Handel enorme Chancen bietet, die man nicht aufs Spiel setzen sollte, indem man am Ende durch Skandale das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher wieder verliert.
Ich freue mich, dass wir heute einen gemeinsamen Antrag in der Breite des Landtags hinbekommen haben. Das zeigt, wir meinen parteiübergreifend, dass der Weg ein anderer sein muss als der, den die EU mit der Ökoverordnung gehen will.
Meine Damen und Herren, Lebensmittelskandale haben uns in den letzten Jahren, seitdem ich 2010 in den Landtag gewählt worden bin, im konventionellen, aber auch im Biobereich immer wieder beschäftigt. Die Ursachen sind wohl in beiden Bereichen sehr ähnlich. Wir haben mittlerweile unglaublich verästelte lange Handelswege. Die direkten Beziehungen zwischen Erzeuger und Konsumenten sind heute einfach nicht mehr da. Es gibt in den einzelnen Zwischenstufen sehr viele Möglichkeiten, irgendwelche Umdeklarationen vorzunehmen oder fehlerhafte Produkte einzuarbeiten, Dinge mit einzuarbeiten, die eigentlich nicht in die Waren gehören.
Das andere ganz spezielle Problem im Biobereich ist: Es ist höchst lukrativ, konventionelle Ware zu Bioware umzuwidmen und im Handel einen erheblichen Mehrwert zu erzielen. Das heißt, es gibt für Betrüger einen massiven Anreiz, aktiv zu werden, weil sie riesengroße Gewinne machen können.
Deswegen brauchen wir unbedingt ein effektives Kontrollsystem für die Produktion und den Lebensmittelhandel.
Ich will auch noch ganz praktisch sagen: Wir wissen, dass die Kontrollen in den Ländern unterschiedliche Qualität haben. Kollege Hubertus Fehring ist jetzt nicht da, aber von seinem Hof würde ich zum Beispiel Futter, Getreide ohne Bedenken kaufen. Da bin ich mir sicher, dass ich gute Ware bekäme. Wenn die Ware aus der Ukraine kommt, …
(Zuruf von Karlheinz Busen [FDP])
– Herr Busen, Waren von Ihnen würde ich selbstverständlich auch ohne Bedenken kaufen.
(Minister Johannes Remmel: Oh, oh!)
– Ja, so weit gehe ich. – Aber wenn die Ware aus der Ukraine oder aus Rumänien kommt, ist das Misstrauen um einiges höher. Das macht deutlich, dass wir im Kontrollsystem nacharbeiten müssen. Die Kontrollen müssen da besser werden.
Das zeigt unser großes Problem: Es ist vor allem Importware, die in den vergangenen Jahren immer wieder für Schwierigkeiten gesorgt hat. Wir müssen also bei Importware gerade aus Nicht-EU-Ländern für bessere Kontrollen sorgen. Genau an der Stelle bin ich nicht gegen den Weg von Rückstandskontrollen. Sie können eine gute zusätzliche Möglichkeit sein, Betrügereien aufzudecken.
Ich habe eben versucht, das anzudeuten: Innerhalb der EU kommt es darauf an – das haben wir auch als Beschlusspunkt –, dass die Kontrollen endlich einheitlich umgesetzt und in den Ländern der Europäischen Union nach einem einheitlichen Standard abgearbeitet werden, damit wirklich Vertrauen in die Produkte aus allen Ländern der EU vorhanden ist.
Da wir aber davon überzeugt sind, dass die EU-Ökoverordnung insgesamt mit ihrem Kontrollsystem ein bewährtes und ein in den vergangenen Jahren gewachsenes Instrument ist, sind wir auf keinen Fall für eine Totalrevision. Wir wollen, dass die EU-Ökoverordnung fort- und weiterentwickelt wird, die Schwachstellen ausgemerzt werden und auf die neuen Herausforderungen – ich habe sie angesprochen: die immer komplizierteren und langen Handelswege der Warenströme, auch bei Bioware – reagiert wird, damit wir diese Probleme in den Griff kriegen.
Wir wollen auch weiterhin eine Ökokontrolle, die den gesamten Betrieb, den gesamten Produktionsablauf in den Blick nimmt und guckt: Wie wird mit Tieren umgegangen? Wie wird auf dem Acker verfahren? Wir wollen keine Kontrolle, die lediglich das Endprodukt in den Blick nimmt.
Ich freue mich – das habe ich am Anfang gesagt –, dass wir eine so breite Mehrheit haben. Fast alle Fraktionen sind dem Antrag beigetreten. Dafür bedanke ich mich noch einmal ausdrücklich.
Ich hoffe, dass wir am Ende des politischen Prozesses eine neue Verordnung haben werden, die das Gute aus der alten Verordnung mitnimmt, aber gleichzeitig auf neue Herausforderungen die richtige, passende Antwort gibt. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

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