Norwich Rüße: „Wir müssen uns überlegen, ob die Arbeit auf den Schlachthöfen falsch konzipiert ist“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Videoüberwachung in Schlachthöfen

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns jetzt mit einem ernsthaften Thema. Ich glaube, wir alle haben die Bilder von den Schlachthöfen gesehen. Ich weiß nicht, welcher Kollege es gesagt hat. Aber ich glaube nicht, dass man von Einzelfällen und bedauerlichen schwarzen Schafen reden kann. Dazu sind die Verstöße in den letzten Monaten einfach doch zu regelmäßig gewesen. Ich habe, ehrlich gesagt, eher das Gefühl, immer da, wo Undercover-Recherchen stattgefunden haben, ist man fündig geworden.
Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass es sogar Bilder von Veterinären gibt, die sich zu Mithelfern machen, die diese Tierschutzverletzungen also nicht abstellen, sondern diese decken oder sich sogar aktiv daran beteiligen. Dafür habe ich absolut kein Verständnis. Insofern ist natürlich Ihr Antrag schon richtig. Also, dass man das thematisiert und guckt, wie man das vernünftig geregelt kriegt und was man da tun kann, das halten wir für absolut richtig.
Wir diskutieren in diesem Zusammenhang nun viele verschiedene Möglichkeiten, wie man den Tierschutz auf Schlachthöfen endlich durchsetzen kann. Sie haben sich in Ihrem Antrag auf eine Möglichkeit, auf eine Maßnahme fokussiert. Sie haben die Videoüberwachung des Schlachtvorgangs, der sensiblen Bereiche, in den Vordergrund gestellt. Auch da sage ich Ihnen: Ja, das teilen wir. Auch da sind wir bei Ihnen. Das halten wir durchaus für eine richtige Maßnahme. Wir wissen mittlerweile auch aus anderen Ländern, dass das schon ein Weg sein kann. Es wurde ja auch schon gesagt: Es gibt Betriebe, die das bereits machen.
Wir meinen aber schon, dass man, wenn man das macht, bestimmte Kriterien haben muss, dass die Standards an den Schlachthöfen einheitlich sein müssen und dass die Kontrollbehörde am Ende auch die Oberhand und den vollständigen Zugriff auf die Daten haben muss. Das fehlt uns in dem Antrag ein bisschen. Das muss klar und deutlich gesagt werden. Denn wenn es diese eindeutigen Vorgaben nicht gibt, dann wird diese Überwachungstechnik am Ende auch nicht das bringen, was Sie sich davon versprechen.
Was mich ein bisschen wundert, ist Folgendes: Ihre Ministerin ist mit dem Thema längst unterwegs. Sie unterstützt die Initiative, die aus Niedersachsen kommt. Ich finde es gut, dass Nordrhein-Westfalen da beigetreten ist, weil wir schon ein wichtiger Standort der Branche sind.
Was ich nicht verstehe: Wenn man einen Antrag macht – das kann man ja tun –, dann muss man doch einen Schritt weitergehen
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
und der Ministerin ein paar konkrete Punkte mit auf den Weg, den sie längst beschritten hat, geben.
Man stellt sich da schon die Frage, ob Sie vielleicht doch nicht mehr so begeistert davon waren, das zu machen, weil die Ministerin schon unterwegs war und Sie sich gesagt haben: Sie macht das sowieso. Daher müssen wir uns bei diesem Antrag nicht mehr wirklich bemühen und wollen es eigentlich nur einmal im Plenum aufgerufen haben.
(Thomas Schnelle [CDU]: Wenn man immer nur Berichtsanträge stellt, dann wird das nichts!)
Wenn Sie also zukünftig Ihre Ministerin und ihre Berlinaktivitäten im Umweltbereich fördern wollen, dann wäre ich dankbar, wenn Sie das Timing im Plenum etwas optimieren würden.
(Beifall von Inge Blask [SPD])
Ich sage jetzt noch einmal deutlich: Videoüberwachung alleine wird uns nicht reichen können. Ich finde, die Gewerkschaften geben da durchaus einen richtigen Hinweis; es geht nämlich auch um die Arbeitskräfte. Den Hinweis auf die Persönlichkeitsrechte finde ich dabei gar nicht allzu wichtig;
(Zuruf von der SPD: Das ist wichtig, weil es arbeitsrechtliche Konsequenten hat!)
viel wichtiger finde ich, dass wir uns Gedanken darüber machen, was diese Arbeit auf den Schlachthöfen mit den Menschen macht. Was passiert in deren Köpfen?
Müssen wir uns nicht die Frage stellen, ob Videoüberwachung der Versuch des Kurierens eines Symptoms ist. Wir versuchen, etwas zu unterdrücken, was sich anscheinend sonst Bahn bricht.
Wir müssen uns außerdem überlegen, ob die Arbeit auf den Schlachthöfen falsch konzipiert ist. Verrohen die Menschen bei dieser Arbeit, die sie am Fließband erledigen?
(Zuruf von der SPD: Natürlich tun die das!)
Diese Fragen müssen wir ernsthaft thematisieren. Es kann nicht reichen, dass wir sagen: Wir können das mit der Videoüberwachung regeln. – Ich bitte herzlich darum, dass wir alle daran weiterarbeiten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kollegen von CDU und FDP, ich sage Ihnen deshalb zum Schluss einerseits: Ich finde, dass Ihr Antrag ein bisschen eindimensional auf die Videoüberwachung abzielt. Das ist zu wenig. Sie wissen, dass wir viel mehr thematisieren müssen, wenn wir den Tierschutz auf den Schlachthöfen wirklich durchsetzen wollen.
Andererseits sage ich Ihnen: Auch wenn man eindeutig zu kurz springt, ist es immer noch besser, man springt überhaupt. Von daher werden wir Ihrem Antrag, obwohl wir gewisse Bauchschmerzen haben, zustimmen, weil er in die richtige Richtung geht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, Bianca Winkelmann [CDU] und Henning Höne [FDP]) 

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