Norwich Rüße: „Wir haben durch die Große Anfrage nochmals einen dringlichen Handlungsappell bekommen“

Große Anfrage von SPD und GRÜNEN zur Auswirkung der Landwirtschaft

Portrait Norwich Rüße

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Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich ein herzliches Dankeschön aussprechen für die Beantwortung der Großen Anfrage. Wir wissen natürlich alle, dass das ein enormer Aufwand ist. Ich denke, er hat sich bei diesem Thema gelohnt. Wir haben viele Informationen bekommen. Ich denke, dass wir die Antworten auch nutzen können und in den nächsten Monaten weiter intensiv damit arbeiten werden.
Ich möchte zunächst einmal auf eine Studie hinweisen aus dem Jahre 2009. Da haben internationale Wissenschaftler um den Schweden Johan Rockström zusammen versucht, die planetaren Grenzen zu ermitteln. Sie haben festzustellen versucht, wo wir sie überschritten haben und wie weit wir gehen können. Es ging darum, einmal zu schauen, inwieweit wir bei bestimmten Prozessen aufhören müssen, ständig weiter Ressourcen zu übernutzen, und wo wir unser Tempo des Ressourcenverbrauchs eindämmen müssen.
Dabei haben sie neun Themenkomplexe untersucht. Es ging dabei unter anderem um den Wasserverbrauch, um das Thema „Ozonloch“ und um die Verschmutzung der Erde durch chemische Rückstände.
Sie haben dabei drei Themen ermittelt, bei denen es erhebliche Defizite gibt. Das eine ist der Klimawandel, der uns in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt hat. Zwei andere Themenkomplexe sind der Stickstoffkreislauf und die Problematik der Artenvielfalt. Diese beiden Probleme haben die Autoren als extrem problematisch eingestuft, weil wir hier die Grenzen weit, weit überschritten haben.
Bei der Beantwortung der Großen Anfrage sind genau diese beiden Themen in den Mittelpunkt gestellt worden: dass eben auch für uns in Nordrhein-Westfalen in der Landwirtschaft der Stickstoffkreislauf ein massives Problem darstellt und auch die Artenvielfalt in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen ist. Die Beantwortung der Großen Anfrage hat gezeigt, dass wir gerade mit Stickstoff, mit Nitraten im Grundwasser erhebliche Probleme haben. Sie hat auch gezeigt, dass wir immer mehr Probleme bei der Artenvielfalt haben.
Es ist aber nicht die Große Anfrage allein. Sie reiht sich ein in eine Vielzahl von Studien der letzten Monate. Es sind sehr viele Studien erstellt worden. Heute ist ganz aktuell eine vom Bundesamt für Naturschutz vorgestellt worden, bei der es auch um die Frage des Artenschutzes ging. Wir haben eine Studie „Stoffeinträge durch die Landwirtschaft“ des Bundesumweltamtes vor einem Vierteljahr vorgelegt bekommen. Es gibt also viele Studien, die alle in ein und dieselbe Richtung gehen, dass die Landwirtschaft die Natur erheblich übernutzt.
In der Tat: Wenn sich nach draußen begibt und sich Grünland und Äcker einmal genauer anguckt, stellt man fest, dass sich da einiges getan hat. Auch Grünland ist in der Vergangenheit extrem artenarm geworden. Beim Acker kann man von Artenvielfalt eigentlich gar nicht mehr reden. Die intensive Nutzung sorgt nun einmal dafür, dass dort nur die Kulturpflanze steht und für Wildkräuter kein Platz ist.
Wir haben gerade diejenigen Tiere, die auf die Agrarlandschaft angewiesen sind, durch die Form der Landwirtschaft, wie wir sie betrieben haben, extrem heruntergefahren. Bis um 1950/1960 herum hatte die Landwirtschaft – das muss auch einmal erwähnt werden – dafür gesorgt, dass wir diese Artenvielfalt überhaupt hatten. In den nachfolgenden Jahrzehnten haben wir aber den genau entgegengesetzten Prozess erlebt, der zu einem Rückgang bei diesen Arten geführt hat. Wir haben es geschafft, dass die Zahlen von Kiebitz und Braunkehlchen um drei Viertel zurückgegangen sind. Die Bestände von Feldsperling und Grauammer haben sich halbiert. Beim Rebhuhn – bei dieser Art hat man zuerst gemerkt, dass die Bestände zusammenbrechen – ist mittlerweile eigentlich gar nicht mehr davon zu sprechen, dass noch ein Bestand vorhanden ist; es gibt allenfalls noch Restbestände.
Meine Damen und Herren, wenn diese Befunde neu wären, könnte man ja sagen: Jetzt müssen wir endlich aktiv werden; jetzt machen wir etwas, und jetzt verbessern wir die Welt. – An dieser Stelle sollte man aber auch noch einmal daran erinnern, dass im August 2015 eine Studie ihr 30-jähriges Jubiläum feiern wird, nämlich das damals viel beachtete Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen mit dem Titel „Umweltprobleme der Landwirtschaft“. Alle Fragen und Probleme, die wir jetzt aufgeworfen haben und beantwortet bekommen haben und die noch einmal gesteigert in ihrer Problematik dargestellt worden sind, wurden 1985 auch schon thematisiert.
Das heißt für uns als grüne Fraktion: Wir haben durch die Große Anfrage nochmals einen dringlichen Handlungsappell bekommen, dass wir die Themen jetzt engagiert angehen müssen. In der Tat müssen wir bei der Düngeverordnung endlich zu wirklichen Fortschritten kommen, um sicherzustellen, dass die Belastung rückläufig ist.
Ich möchte am Ende meiner Ausführungen auf Klaus Voussem zurückgreifen, der heute Morgen als erster Redner begonnen hat und folgendes Zitat von Albert Schweitzer verwendet hat:
„Keine Zukunft vermag gutzumachen, was du in der Gegenwart versäumt hast.“
Wenn wir das einmal auf die Umweltprobleme der Landwirtschaft ummünzen, heißt das, dass wir jetzt endlich handeln müssen; denn wir haben in den letzten 30 Jahren jede Menge versäumt. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)