Norwich Rüße: „Wir ersparen uns Müllberge aus Altreifen, deren Entsorgung immer problematischer wird“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Nutzung von runderneuerten Reifen

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Samstag war der sogenannte Earth Overshoot Day. Das ist der Tag, an dem die in einem Jahr nachwachsenden Ressourcen des Planeten von uns verbraucht sind.
In diesem Jahr war er – ich denke, das haben wir alle mitbekommen – coronabedingt etwas später als sonst, weil die Wirtschaft weltweit nicht ganz so brummt. Wir sind also immerhin bis in den August gekommen, aber wir haben eben noch ein paar Monate vor uns, dafür aber eigentlich keine Ressourcen mehr zur Verfügung.
Um welche Ressourcen geht es dabei? – Es geht zum Beispiel um den Sojaanbau. Es geht um die heißdiskutierte Frage des Palmölanbaus. Jeder von uns weiß, welche Auswirkungen das in den betroffenen Ländern hat. Am Ende geht es auch um einen Stoff wie Kautschuk, der auf großen Plantagen angebaut und dann Teil von Reifen wird.
Ausgangspunkt des Antrags, den wir heute stellen, war ein Bericht in der ARD mit dem Titel „schmutzige Reifen“. Es ging darum, wie und unter welchen Bedingungen in Thailand Kautschuk produziert wird und wie eine expandierende Reifenindustrie immer mehr Kautschuk für Reifen nachfragt.
Diesen globalen Prozess können wir hier in Nordrhein-Westfalen sicherlich nicht aufhalten – das ist so –, aber wir müssen ihn nicht mitmachen. Wenn wir so einen Tag, wenn wir Nachhaltigkeit ernstnehmen wollen, sind wir alle, sind wir als Land Nordrhein-Westfalen gehalten, unseren kleinen Beitrag zu leisten, den übermäßigen Verbrauch von Rohstoffen einzudämmen.
Wenn man die Arbeitsbedingungen, unter denen Kautschuk angebaut wird und unter denen die Reifen in Fernost teilweise auch für unseren Markt als Wegwerfreifen hergestellt werden, gesehen hat, kann man sich fragen, ob es nicht besser ist – und das ist im Zusammenhang mit runderneuerten Reifen nicht unwichtig –, heimische Arbeitsplätze mit guten sozialen Standards in Deutschland für die Runderneuerung zu erhalten.
Die Frage ist immer, was runderneuerte Reifen bringen und ob sie eine ähnliche Qualität wie Neureifen haben. Es wird immer wieder die Frage gestellt, ob man als Privatperson so einen Reifen fahren kann oder ob er nicht gefährlich ist. Mittlerweile wissen wir aber auch durch unabhängige Tests, dass diese runderneuerten Reifen sehr wohl eine gute Qualität haben.
Ich habe mir in einem Betrieb den Prozess der Herstellung von runderneuerten Reifen angeschaut; das kann ich jedem nur empfehlen. Spannend ist, dass sie am Ende genauso wie Neureifen hergestellt werden, nur dass die Karkassen gebraucht sind.
Diese Reifen werden insbesondere im Motorsport eingesetzt.
(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Aber nicht lange!)
Wenn man im Motorsport 250 km/h mit diesen Reifen fahren kann, wird man auch auf jeder Straße und Autobahn in Deutschland damit fahren können. Der Hauptbereich, in dem Runderneuerte eingesetzt werden, sind Lkw. Wenn 40-Tonner das können, können Pkw das auch. Wenn sogar Großraumflugzeuge von Boeing oder Airbus das können, sollten wir das auch können.
Die Frage ist: Warum machen wir das? – Wir können mit runderneuerten Reifen erhebliche Mengen an Material einsparen. Wir können erhebliche Mengen an Energie einsparen. Am Ende können wir auch Kosten sparen; das ist für das Land Nordrhein-Westfalen nicht ganz uninteressant.
Wir ersparen uns außerdem Müllberge aus Altreifen, deren Entsorgung immer problematischer wird. Es gibt die Mitverbrennung in Zementwerken. Wir wissen alle, dass das problematisch ist. Daher ist jeder Autoreifen, der nicht in die Verbrennung geht, ein guter Autoreifen.
Außerdem wird ein solcher Reifen nicht permanent runderneuert, sondern genau einmal. Das geht auch nur mit Premium-Qualitäts-Reifen mit guten Karkassen. Was aus Fernost als Billigreifen angeboten wird, ist dafür überhaupt nicht tauglich und wandert sofort in die Verbrennung; das geht nicht anders.
Wir reden oft über Müllvermeidung, Abfallwirtschaft und Kreislaufwirtschaft. Damit müssen wir als Land NRW ernstmachen, das in unseren eigenen Betrieben vorleben und an unseren eigenen Fahrzeugen vormachen.
Ich will noch ein paar Zahlen nennen: Aus der Antwort auf die Kleine Anfrage ging hervor, dass das Land NRW ungefähr 2.800 Lkw und Busse besitzt. Würde man diese Lkw und Busse derartig ausstatten, wären wir in der Lage, jährlich 3.000 t CO2 und 2.000 t Material – Stahl, Textilgewebe und Gummi, von dem ein Teil Kautschuk ist – einzusparen. Außerdem würden wir 1.000 t Erdöl sparen.
(Vizepräsidentin Angela Freimuth zeigt das Ende der Redezeit an.)
Weil diese Reifen günstiger sind, könnten wir darüber hinaus 300.000 Euro pro Jahr sparen. Ich finde, das wäre Anreiz genug, unserem Antrag nach der Beratung zu folgen und so ein kleines Pilotprojekt umzusetzen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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