Norwich Rüße: „Uns fehlt in NRW das Grünland“

Antrag der SPD-Fraktion zur Artenvielfalt

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nicht Antragsteller, aber ich sage Ihnen: So geht man eigentlich nicht miteinander um. Der Antrag ist zur Überweisung vorgesehen. In dem Antrag wird etwas vorgeschlagen, und das können wir doch in aller Ruhe miteinander diskutieren. Ich finde es völlig unnötig, so ein Abwehrfeuer gegen diesen Antrag aufzufahren.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Herr Stinka hat in seinem Antrag das Umweltministerium zitiert, das den Ökolandbau als eine Möglichkeit dargestellt hat. Damit müssten auch Sie leben können. Es ist zurzeit Ihr Umweltministerium.

(Jochen Ott [SPD]: Huch, habe ich vergessen!)

Das dürfte also kein Problem sein.

Herr Dr. Nolten, Sie sagen so schön, die Flurbereinigung habe in den 70er-Jahren stattgefunden, und diese könne nicht für das Insektensterben verantwortlich sein. Da würde ich es ein bisschen halten wie beim Wasser, wo wir das auch immer sagen: Nicht nur das Wasser, sondern auch die Natur hat ein langes Gedächtnis. Wenn Sie wissen, dass Kiebitze 30 Jahre alt werden, dann wissen Sie, wie lange es dauert, bis irgendwann eine Kiebitz-Population so zusammengebrochen ist, wie wir es jetzt erleben. Überlegen Sie mal: Ein Kiebitz, der 1980 geboren wurde, ist noch gar nicht so lange tot.

(Heiterkeit von Jochen Ott [SPD])

Wir glauben immer, die Natur sei so schnell und ein Kiebitz sei vielleicht nur zwei oder drei Jahre da. Das ist aber nicht so. Das heißt, was wir damals gemacht haben – Herr Dr. Nolten, das wissen Sie auch –, hat sehr wohl ganz langfristige Auswirkungen.

Ich kann das einmal für meinen Hof beschreiben: Wir haben 10 ha Eigentum, es ist ein kleiner Hof. Davon waren 3 oder 4 ha Ackerland, der Rest war Grünland. Dazu kam noch jede Menge gepachtetes Grünland. Das Grünland ist nun alles umgepflügt. Das ist damals mit der Flurbereinigung im Münsterland mit tiefen Gräben durchzogen worden. Es standen Hecken um jedes Grundstück herum.

Es geht nicht nur um den Heckenerhalt – da ist der SPD-Antrag genau richtig –, sondern es geht auch darum, Strukturen neu zu schaffen. Wie wir das machen, darüber können wir diskutieren; das ist ja in Ordnung. Aber wir könnten uns doch mal angewöhnen, einen Antrag erst einmal positiv zur Kenntnis zu nehmen. Er ist zur Überweisung vorgesehen, und man muss nicht gleich so dagegenballern. Das ist doch unnötig. Wir sollten das in Ruhe diskutieren, und dann wären wir ein ganzes Stück weiter.

Gefreut hat mich, Herr Dr. Nolten – das will ich ausdrücklich betonen –, dass Sie die Landschaftsplanung so gelobt haben. Das war in der Vergangenheit immer ein Streitpunkt. Ich finde es ausgesprochen gut, wenn Sie sich dazu bekennen und sagen: Jawohl, wir machen Landschaftsplanung.

Einen Punkt kritisiere ich auch an dem Antrag selbst: Die vorhandenen Hecken sind erfasst; sogar schon über den GAP-Antrag. Da kommt man gar nicht mehr dran. Das ist abgesichert. Insofern weiß ich auch nicht, ob wir wirklich ein Kataster in diesem Umfang brauchen. Hecken sind ein Teil dessen; das müssten wir noch einmal breiter miteinander diskutieren, und das werden wir wohl auch tun.

Die Frage nach dem Grünland ist das A und O, davon bin ich fest überzeugt. Uns fehlt in NRW das Grünland.

Von den 1,8 Millionen ha haben wir in den letzten 50 Jahren 400.000 ha verloren, das war alles Grünland. Wir haben 400.000 ha weniger Grünland. Uns fehlt vor allem extensives Grünland. Wir haben keine Beweidung mehr. Früher standen die Kühe auf der Weide. All das fehlt, und das fehlt uns auch für die Insektenfauna, das ist so. Wir müssen genau überlegen, wie wir das ändern.

Hecken sind eine super Ergänzung. Aber wir müssen auch überlegen, wieviel wir ausschütten wollen, sodass jemand aus freiwilligem Interesse heraus wieder eine Hecke pflanzen will. Oder schaffen wir es, wie vielleicht bei uns im Kreis Steinfurt, wo wir einen Heckenmanager haben, diese Hecken wieder ökonomisch interessant zu machen? Das gehört zur Wahrheit ja dazu. Die Hecke war früher deshalb interessant, weil man Bauholz, Brennholz, Besenbindematerial daraus gezogen hat. Das war ein Wirtschaftsgut. Wenn das nicht mehr da ist, müssen wir uns überlegen, wie wir das ersetzen können.

Eine Hecke auf den Stock zu setzen, macht eine Menge Arbeit. Irgendwer muss es machen. Da müssen wir meines Erachtens ansetzen. Es zeigt sich ja, dass all die Förderprogramme, die wir bis jetzt haben, nicht ausreichen. Es ist am Ende auch eine langfristige Maßnahme, bis eine Hecke groß geworden ist. Ich weiß nicht, ob wir so viel Zeit haben. Armin Laschet hat uns damals eine gute fachliche Praxis im Landesnaturschutzgesetz versprochen. Da hätten wir sofort einen Effekt.

Ich bin auch für die Insektenfauna. Die Notfallgenehmigung für die Neonicotinoide, Frau Ministerin, begeistert mich nicht, darüber müssen wir noch einmal reden. Angesichts des Zustands der Natur müssen wir uns abgewöhnen, immer die Ökonomie über die Ökologie zu stellen. Ich denke, dass das nicht mehr geht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich kann das wirtschaftliche Interesse der Rübenbauern verstehen,

(Zuruf von Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz)

aber Neonicotinoide sind starke Insektengifte. Das gehört zur Wahrheit dazu. Um 1970 herum haben wir auf 10 % der Fläche Pflanzenschutzmittel, Insektizide im Ackerbau eingesetzt. Heute ist das flächendeckend so. Sie sind ein Baustein des intensiven Ackerbaus. Das sind doch die Veränderungen, die wir hatten. Die Gifte sind natürlich für Insekten gefährlich; denn wir haben ja immer nur geprüft, ob sie für uns als Mensch nicht gefährlich sind.

(Vizepräsidentin Angela Freimuth weist auf das Ende der Redezeit hin.)

Das hat uns in Wirklichkeit doch immer viel mehr interessiert als das, was bei den Insekten passiert. Wir haben immer gedacht, davon gibt es genug.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Ist ja auch richtig so!)

Da müssen wir noch einmal ran. – Aber den Antrag an sich finde ich gut. Es ist immer gut, wenn wir über diese Punkte diskutieren und überlegen, wie wir wieder mehr Artenvielfalt nach Nordrhein-Westfalen bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und André Stinka [SPD])

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