Norwich Rüße: „Streuobstwiesen sind Teil einer Kulturlandschaft, die der Mensch geschaffen hat – die muss der Mensch auch pflegen“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu Streuobstwiesen

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass wir uns einig sind, dass Streuobstwiesen etwas Erhaltenswertes sind und wir uns allenfalls darin unterscheiden, wie man das am besten macht.

Ich bin einer derjenigen – es sind nicht so viele, glaube ich, übrig geblieben –, die diese 2016er-Regelung damals mitdiskutiert haben. Ich weiß, dass wir damals heftige Debatten darüber geführt haben, was der beste Weg ist. Von der CDU kam damals immer das Argument: Ihr könnt jemandem, der direkt am Hof eine Streuobstwiese angelegt hat, diese doch nicht unter Schutz stellen und damit jede Entwicklung des Betriebes verhindern.

Diese Argumente haben wir damals ausgetauscht, und zwar durchaus ziemlich heftig und teilweise auch nicht ganz fair. Aber am Ende fand ich den Weg richtig, dass wir es über eine Vereinbarung mit beiden Bauernverbänden und mit den drei Naturschutzverbänden gemacht haben. Diesen Weg fand ich nicht schlecht, weil er eine gewisse Flexibilität hatte und weil er diejenigen, die die Flächen besitzen, mit in die Verantwortung genommen hat.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Das ist der entscheidende Punkt. Unter den Kategorien der Biotope im Biotopschutz sind viele, um die man sich nicht intensiv kümmern muss. Aber Streuobstwiesen sind Teil einer Kulturlandschaft, die der Mensch geschaffen hat. Die muss der Mensch auch pflegen.

Im ersten Absatz Ihres Antrags zitieren Sie aus dem Bundesnaturschutzgesetz und beschreiben, welche Handlungen verboten sind und was man nicht tun darf, damit diese Biotope nicht geschädigt werden. Das große Problem bei den Streuobstwiesen ist aber genau dieses Nichthandeln.

(Beifall von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Es ist ein Problem, wenn ich als Besitzer einer Streuobstwiese einfach nichts mehr mache. Vielleicht schaffe ich es arbeitsmäßig nicht. Darüber können wir übrigens auch einmal reden: Warum schaffen die Bäuerinnen und Bauern es häufig nicht, ihre Hecken und Streuobstwiesen zu pflegen? – Weil sie bis oben hin voll sind mit Arbeit. Das war vor 50 Jahren auf den Höfen noch besser. Das ist einfach so. Da war es einfacher, das zu leisten.

Ich glaube im Gegensatz zu Ihnen, dass die Erfindung der mobilen Saftpresse und der kleinen Kartons, in die man es dann abfüllt – 3 l, 5 l –, sowie die Tatsache, dass die Naturschutzverbände das für diejenigen anbieten, die eine Streuobstwiese besitzen, mehr für den Streuobstwiesenschutz bewirkt hat als diese Regelung im Bundesnaturschutzgesetz jemals bewirken kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wenn ich hier im Landtag in die Kantine gehe, dann nehme ich mir häufig ein Getränk. Manchmal nehme ich Cola – das gestehe ich jetzt –, aber ich nehme manchmal auch etwas anderes. Das heißt dann „Lift“. Das kommt von demselben Konzern; es ist auch ein Coca-Cola-Produkt. Das ist das eigentliche Problem: Das Nichthandeln von uns allen im Konsumbereich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn wir hier in unserer Kantine wirkliche Vorreiter wären, Lift rausschmeißen und stattdessen Saft aus Streuobstwiesen als Apfelsaftschorle reinnehmen würden, dann würden wir einen kleinen Baustein zu einem besseren Absatz liefern.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Der Absatz ist immer das Problem. Das habe ich eben in der Debatte ausgeführt. Wenn die Bauern auf eine andere, bessere Tierhaltung umstellen sollen, dann machen die das alle und sagen: Natürlich halte ich die Schweine auf Stroh, dann halte ich aber nicht mehr 3.000, sondern weniger, und dann müsst ihr mehr dafür bezahlen.

Das ist genau das Gleiche. Wir als Gesellschaft sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sich das Ganze lohnt und man die Streuobstwiesen nutzen kann. Das ist der Gedanke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich fände es gut, wenn wir daran gemeinsam arbeiten würden, um das hinzubekommen. Ich glaube, dass die bisherige Regel nicht schlecht ist. Es hat – da gebe ich dir recht – ein bisschen lange gedauert. Das ist kein Widerspruch.

Vizepräsident Christof Rasche: Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Kollegen Schneider.

Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, der darf immer fragen. Es darf jeder fragen.

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

René Schneider (SPD): Vielen Dank, Herr Kollege, dass ich nachfragen darf. Braucht es Ihrer Meinung nach bei all den appellativen Punkten dann noch einen Stichtag nach § 42 Abs. 4 des Landesnaturschutzgesetzes, oder braucht es diesen Stichtag nicht mehr?

Norwich Rüße (GRÜNE): Den braucht es, weil ich finde, dass ein bisschen sanfter Druck nicht schadet. Das ist auch so vereinbart worden. Von daher sollte der Stichtag auch genannt werden. Das ist gar keine Frage.

Trotzdem glaube ich, die eigentlich wirksamen Instrumente sind – dafür sind wir verantwortlich –, dass sie die Produkte vermarktet und von uns gekauft werden. Ich wünsche mir, dass wir in dieser Hinsicht in den nächsten Jahren gemeinsam – auch über das Kantinenprogramm – etwas hinbekommen. Denn dann macht es den Menschen Spaß.

Einen Satz möchte ich noch sagen: Die Babyboomer – zu denen gehöre ich auch – gehen in nächsten zehn Jahren in Rente. Das sind die, die diese Streuobstwiesen dann noch 10 bis 20 Jahre lang pflegen werden. Dann sind die weg. Im Ehrenamt werden wir dann überall erleben, dass uns die Strukturen zusammenbrechen. Das gilt auch für diesen Bereich. Deshalb kommen wir dort nur mit einem „Danke schön, dass ihr das macht“ auf Dauer nicht weiter.

Ich hoffe, dass wir gemeinsam – wir alle zusammen – dafür sorgen, dass die Pflege und Nutzung von Streuobstwiesen Spaß macht und auch ein bisschen Gewinn einbringt. Dann kommen wir da auch weiter. Den Antrag lehnen wir leider ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)