Norwich Rüße: „Nur wenn es eine Nutzung dieser Tiere gibt, werden wir genetische Vielfalt erhalten“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu altem Saatgut

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann an den Kollegen Hansen anknüpfen. Dieser Antrag kommt mindestens 20 Jahre zu spät.

Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten – das haben Sie anscheinend nicht –, die Antwort der Landesregierung auf Ihre eigene Kleine Anfrage zu lesen, in der steht, was alles gemacht wird und dass man über die Kammer 120.000 Euro einsetzt, hätten Sie sich doch sagen müssen: Okay, das alles läuft anscheinend schon ganz gut. Dazu brauchen wir keinen Antrag mehr zu stellen.

Damit könnte ich eigentlich schon aufhören.

(Heiterkeit von Inge Blask [SPD])

Sie kommen mit Sachen wie der, dass es schön wäre, wenn es sortenreine Apfelsäfte gäbe, und versuchen, sich ein bisschen über die Hipster lustig zu machen.

Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Das hier ist der Landtag von Nordrhein-Westfalen, und in Hamminkeln – das ist ein Ort in Nordrhein-Westfalen – gibt es eine ziemlich bekannte Obstkelterei, die sehr tolle Säfte herstellt, die etwa „Schöner von Boskoop – Sortenreiner Apfelsaft“ heißen. Da gibt es auch „Kaiser Wilhelm“. Außerdem können Sie dort einen Traubensaft aus der Dornfelder Traube kaufen. Bei dieser Kelterei können Sie all das bekommen. Das alles gibt es also schon. In Zukunft wird da sicher noch viel mehr kommen.

Der aus meiner Sicht entscheidende Punkt, warum wir Ihren Antrag nicht brauchen, ist aber, dass wir alle zusammen einmal über Folgendes nachdenken müssen: Wir alle kennen den Slogan „Erhalten durch Aufessen“. Perspektivisch ist mir das Erhalten in Samenbanken zu wenig. So zu schauen, dass die alten Sorten weitergetragen werden, ist für eine Übergangsphase gut. Richtig wird es aber erst etwas, wenn wir wieder in die Nutzung kommen. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall von Dr. Gregor Kaiser [GRÜNE])

Wir müssen uns einmal folgende Frage stellen: Wenn ich in der Kantine hier im Landtag essen gehe, nehme ich immer eine Apfelschorle. Man stellt ein Glas hin, zieht an einem Hebel, und aus dem Hahn kommt „Lift“. Wir müssen uns einmal fragen, warum es im Landtag von NRW „Lift“ und nicht Apfelsaft von Streuobstwiesen gibt. Das müsste hier aus dem Hahn kommen. Dann wäre es richtig.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Das ist es, worum wir uns gemeinsam bemühen.

Ich sage das auch als Züchter von Bunten Bentheimer Schweinen. Ich will sie nicht wie in einem Zoo halten, sondern möchte, dass sie aufgegessen werden. Dann kommen die nächsten. Nur dann, wenn es eine Nutzung dieser Tiere gibt, werden wir genetische Vielfalt erhalten, weil dafür viele Züchter nötig sind, die sich um eine Rasse kümmern. Wir schaffen das nicht, wenn es nur noch an einer Stelle ein paar Tiere einer Rasse gibt. Das muss weitverbreitet sein.

Damit bin ich beim Punkt „Erhalt bedrohter Haustierrassen“. Diese Landesregierung macht auch diesbezüglich etwas. Seit Langem gibt es ein Förderprogramm, um Rassen, die es allein über die ökonomische Schiene nicht schaffen, zu stärken.

Ehrlich gesagt, ärgere ich mich ein bisschen. Die Landesregierung muss so viele Kleine Anfragen beantworten. Wenn man schon Kleine Anfragen stellt, sollte man die Antworten auch gründlich lesen und Erkenntnisse daraus ziehen. Dann freuen sich die Landesregierung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil sie sehen, dass man die Antwort wirklich zur Kenntnis genommen hat. Und dann stellt man nicht solche Anträge.

Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir aus guter Tradition zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)