Norwich Rüße: „Jetzt geben Sie immerhin zu, dass wir ein massives Problem haben“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Waldpolitik

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal sprechen wir über den Wald. Als wir das vor drei Wochen getan haben, hat die Ministerin gesagt, es sei gut, über den Wald zu sprechen. Aber ich habe mich schon gefragt, was die wirklich neue Botschaft Ihres Antrags ist. Was ist das substanziell Neue, das tatsächlich rechtfertigt, dass wir hier heute wieder über den Wald sprechen?
Mein Eindruck ist eher, dass Sie noch einmal einen Antrag stellen wollten, um das Thema im Plenum erneut zu behandeln; denn in Ihren Forderungen kann ich wirklich keinen Auftrag an die Ministerin und das Ministerium erkennen, der abzuarbeiten wäre. Das sind alles Punkte, die in Wirklichkeit schon passieren. Daher verstehe ich persönlich nicht den Sinn.
Lieber Kollege Diekhoff, damit werden Sie Ihrem eigenen Anspruch, den Sie im September formuliert haben, diese Landesregierung mache den Wald zur Chefsache, überhaupt nicht gerecht. Es reicht nicht aus, hier solche Anträge zu stellen. Vielmehr müssen Sie draußen liefern. Das müssen Sie tun. Sie müssen Ihre Anträge endlich einmal umsetzen, anstatt andauernd neue Anträge zu stellen. Das bringt nicht viel.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben unseren Antrag, zu dem auch eine umfangreiche Anhörung stattfand, damals abgelehnt. Ich finde, Sie hätten sich ein bisschen länger damit beschäftigen können. Vielleicht hätten Sie, wenn Sie die Anhörung ernst genommen hätten, das eine oder andere aus dem Antrag aufnehmen können. Dass Sie dem nicht zustimmen, kann ich noch verstehen. Das macht man als Regierung vielleicht so. Aber ein paar Aspekte, die von den Experten in der Anhörung bestätigt wurden, hätte man in einem solchen Antrag doch zumindest einmal aufnehmen können, wenn man ihn schon stellen will, damit der ganze Antrag einen Sinn hat und etwas Neues enthält. Das hätte ich gut gefunden.
Das einzig Positive in Ihrem Antrag ist, dass Sie sich endlich dazu bekennen, dass es einen Wald-Wild-Konflikt gibt. Den haben Sie jahrelang für NRW geleugnet. Immer wenn wir rund um das ökologische Jagdgesetz diskutiert haben,
(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
haben Sie sich mehr oder weniger als Vertreter des Jagdverbandes verstanden und gesagt: Das gibt es alles gar nicht. Wir brauchen keine Veränderung. – Jetzt geben Sie immerhin zu, dass wir ein massives Problem haben, dass die Jungpflanzen nicht wachsen können, wenn wir die Rotwildbestände nicht gezielt bejagen und kontrollieren.
Damals habe ich immer das Revier Kleinenberg als Extrembeispiel genannt; denn dort war der Rotwildbesatz zehnmal so hoch, wie er eigentlich sein sollte. Dahin hätten wir alle – nicht nur ich – einmal fahren sollen, um es uns anzugucken. Und das haben wir an anderen Orten auch.
Herr Diekhoff, es ist schön, dass Sie endlich die Erkenntnis haben. Sie hätten sie allerdings schon früher haben müssen.
(Zuruf von Markus Diekhoff [FDP])
Ich hoffe, dass das jetzt endlich Konsequenzen hat und wir auch tatsächlich dazu kommen, dass die Wildbestände entsprechend angepasst und herunterreguliert werden,
(Zuruf von Markus Diekhoff [FDP])
damit der Wald so aufwachsen kann, wie wir uns das alle zusammen vorstellen. Ich bin, wie gesagt, gespannt, ob Sie das hinkriegen. Das ist das einzig Positive.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Herr Kollege Rüße, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Diekhoff möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, bitte.
Markus Diekhoff (FDP): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Herr Kollege. Ist Ihnen bekannt, dass es Abschusspläne für Rotwild gibt, die dies bereits gesetzlich regeln, die von den Behörden vor Ort aufgestellt werden und die den Bestand auf das biologisch verträgliche Maß regulieren?
Ist Ihnen darüber hinaus bekannt, dass einem Jagdpächter, der diesem Abschussplan nicht nachkommt, von Behördenseite aus Strafmaßnahmen bzw. Ersatzmaßnahmen, beispielsweise eine durch die Behörde angeordnete Bejagung droht, deren Kosten er tragen muss? Somit ist bereits alles geregelt. Das bedeutet, dass Sie uns als Landesregierung bzw. dem Landesjagdverband nichts vorwerfen können.
Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank für die Frage, lieber Kollege Diekhoff. Ich stimme Ihnen zu, dass das auf dem Papier alles geregelt ist, aber in der Realität, draußen im Wald, sieht es anders aus. Weil Sie genau wissen, dass das so ist, halten Sie an den Verbissgutachten, die wir damals genau aus dem Grund in das Gesetz hineingeschrieben haben – Ihre Ministerin hat sich wahrscheinlich dafür eingesetzt, dass diese nicht gestrichen werden; Sie haben ja einiges Sinnvolles aus dem Jagdgesetz herausoperiert –, fest. Sie müssen schlicht und einfach zugeben, dass all die Abschusspläne nicht funktionieren.
Ich habe Ihnen das schlimmste Beispiel genannt. Aber ähnliche Probleme gibt es an anderer Stelle auch. Wir haben einen massiven Überbesatz mit Wild, und zwar bei Schwarzwild und bei Rotwild. Davor kann man doch nicht die Augen versschließen und sagen: Wir haben doch die Abschusspläne. Das muss doch alles funktionieren. – Die Realität draußen ist doch eine andere. Genau deshalb gibt es die Verbissgutachten, und es bleibt abzuwarten, ob in Zukunft auch konsequent gehandelt wird, damit die Rotwildbestände abnehmen und das Ganze nicht nur auf dem Papier steht. Das wollen wir Grüne jedenfalls nicht.
(Zuruf von Markus Diekhoff [FDP])
Jetzt komme ich noch auf einen anderen Punkt zu sprechen, den Sie schon seit einem Jahr reiten. Es geht um die Ökosystemdienstleistung Baumprämie. Darüber kann man nachdenken. Im Textteil des Antrags der AfD steht dazu durchaus einiges Richtiges, dass diese Baumprämie beispielsweise nicht ganz so einfach durchzusetzen ist. Dazu hat sich auch die Bundesumweltministerin entsprechend geäußert. Denn wenn der eine CO2 gutgeschrieben bekommt, muss bei demjenigen, der das Holz verbrennt, am Ende auch wieder CO2 im Saldo stehen. Man kann nicht nur das Positive bewerten, sondern muss auch das Negative berücksichtigen.
Was allerdings Lösungen und konkrete Vorschläge betrifft – und deshalb werden wir den Entschließungsantrag der AfD auch ablehnen –, können wir nicht erkennen, dass Sie über das hinausgehen, was in Ihrem alten Antrag bereits enthalten war, nämlich der Hoffnungsträger Pflanzenschutzmittel.
Das ist uns deutlich zu wenig. Das ist an der Stelle sicherlich nicht das Allheilmittel, und auch die anderen Punkte finden wir wenig überzeugend.
Wir werden den Antrag von CDU und FDP nicht ablehnen. Natürlich ist er von den beschriebenen Punkten her nicht falsch. Darüber müssen wir gar nicht reden. Aber ich frage noch mal: Müssen wir solche Anträge, die schon laufendes Regierungshandeln noch einmal beschreiben, hier im Plenum beraten?
(Bianca Winkelmann [CDU]: Ja!)
Ich meine, wir müssen uns hier im Landtag damit beschäftigen, was wirklich nach vorne weist, mit Ideen, um die Zukunft dieses Landes zu entwickeln. Es hilft doch nicht, hier solche Stützanträge für Ministerien zu stellen. Ich persönlich halte das für falsch.
Wir enthalten uns.
(Beifall von den GRÜNEN)

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