Norwich Rüße: „In einer solch wichtigen Frage gibt es nur ein Ja oder ein Nein. Man kann sich nicht enthalten bei der Frage, ob man Gentechnik auf dem Acker haben möchte oder nicht.“

Antrag von SPD und GRÜNEN für gentechnikfreie Landwirtschaft

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde heute hier lieber nicht über Gentechnikfreiheit sprechen müssen. Ich meine, wenn wir den gesellschaftlichen Konsens, den wir eigentlich insgesamt haben, ernst nähmen, würde sich das erübrigen. Aber leider – das kann man wohl so deutlich sagen – hat es Frau Merkel mit ihrer Enthaltung verbockt.
(Zurufe von der CDU: Oh!)
Sie hat dafür gesorgt, dass die Europäische Kommission den Genmais 1507 wahrscheinlich am Ende zum Anbau in Europa freigeben wird. Damit – ich finde, das ist an der Stelle schon bemerkenswert – setzt sich die Kanzlerin über die Meinung des damaligen Landwirtschaftsministers hinweg. Man muss sich schon fragen: Was ist dieser Kanzlerin eigentlich die Fachexpertise ihres eigenen Ministers wert?
(Beifall von den PIRATEN)
Die Entscheidung, sich zu enthalten, ist aus meiner Sicht absolut merkwürdig. In einer solch wichtigen Frage gibt es nur ein Ja oder ein Nein. Man kann sich nicht enthalten bei der Frage, ob man Gentechnik auf dem Acker haben möchte oder nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Enthaltung ist aus meiner Sicht in höchstem Maße kritikwürdig, weil man sich damit über alle Erfahrungen, die wir in den letzten 20 Jahren mit Gentechnik gemacht haben, hinwegsetzt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn sich Herr Kohl in der Zeit seiner Kanzlerschaft so entschieden hätte, hätte ich noch ein gewisses Maß an Verständnis gehabt; denn in den 80er-Jahren hatten wir in der Tat viele Erwartungen dahin gehend, was die Gentechnik alles an Problemen lösen würde. Es sollten enorme Ertragssteigerungen kommen, es sollten weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, und es sollte sogar die Produktqualität verbessert werden. Wer erinnert sich nicht an die nicht mehr matschende Tomate, von der seinerzeit die Rede war? – Das allergrößte Versprechen war – was ich im Nachhinein auch als Unverschämtheit empfinde –, dass der Welthunger mithilfe der Gentechnik ein für alle Mal Geschichte sein würde.
20 Jahre danach wissen wir alle, dass all diese Versprechen von der Gentechnik nicht eingelöst worden sind. Es wäre besser gewesen, wenn die CDU-Fraktion in ihrem Entschließungsantrag an diese Erfahrungen angeknüpft hätte und etwas realistischer auf die Chancen und Risiken von Gentechnik eingegangen wäre. Sie schreiben aber stattdessen – sinngemäß –, dass sich die gesundheitlichen Probleme, die oft vorhanden sind, die Probleme mit der fehlenden Nahrungsmittelversorgung – da ist der Welthunger wieder – und sogar die Probleme mit den Umweltbelastungen nur dann lösen lassen, wenn man mit grüner Gentechnik weitermacht. Damit sind Sie mit Ihrem Entschließungsantrag aus meiner Sicht wie Ihre Bundeskanzlerin irgendwo in den 80er-Jahren stecken geblieben. Deshalb werden wir Ihren Entschließungsantrag auch nicht mittragen.
Sie preisen wieder die Gentechnik als mögliche Lösung an für Probleme, die wir haben. Meiner Meinung nach ist es umgekehrt: Grüne Gentechnik schafft Probleme, verstärkt Probleme da, wo wir keine haben müssten.
Meine Damen und Herren, ich finde es wichtig, dass wir noch einmal deutlich machen, woher die grüne Gentechnik kommt, in welchen Ländern sie angebaut wird, warum sie dort angebaut wird. Es sind die USA, Brasilien und Argentinien. Das sind die drei großen Länder mit gentechnischem Anbau. Es geht vor allem um die Pflanzen Mais und Soja, ein bisschen Baumwolle noch. Aber es sind vor allem Mais und Soja. Und es geht darum, bestimmte Schädlinge wie den Maiszünzler, den Maiswurzelbohrer in den Griff zu bekommen. Und es geht darum, Verunkrautung in den Griff zu bekommen.
Warum sind denn die Probleme so groß in diesen Ländern? Weil sie großflächig auf Monokulturen setzen, weil sie nicht das machen, was uns als europäische Landwirtschaft immer stark gemacht hat, nämlich auf Fruchtfolgen zu setzen, zu gucken, dass man nicht immer wieder dieselben Pflanzen anbaut. Denn dann wäre das mit den Schädlingen ja kein Problem.
Deshalb sage ich: Schauen wir nicht hin, was die amerikanische Landwirtschaft macht. Schauen wir besser, dass die Amerikaner vielleicht auch mal etwas von uns übernehmen, sich die Fruchtfolgen hier einmal angucken, und dass wir selbst daran weiterarbeiten, diesen Weg zu gehen.
Das größte Problem – darüber diskutieren wir immer wieder –, das wir zurzeit draußen in der Natur haben, ist, dass die Artenvielfalt drastisch zurückgeht, dass sie zusammenbricht. Da ist der Zusammenhang mit Monokulturen überhaupt nicht zu übersehen. Das ist einfach so. Jeder kann es draußen sehen. Von daher würde Gentechnik, wenn wir sie zulassen, dazu führen, dass dieser Prozess noch weiter gehen würde. An der Stelle ist Gentechnik keine Lösung, sondern eine Verstärkung von Problemen.
Wir unterstützen deshalb mit unserem Antrag ganz klar die Bemühungen der Landesregierung, des Agrarministers, jetzt noch einmal zumindest den Notanker, nationale Anbauverbote hinzubekommen, die Opt-out-Regelung umzusetzen. Es bleibt ein Hilfsinstrument. Gewünscht hätten wir uns eine klare europäische Lösung. Aber es ist – das sage ich deutlich – besser als gar nichts.
Deshalb wären wir froh, wenn wir das hinbekommen würden. Wir würden damit dem Wunsch der überwiegenden Mehrheit Verbraucherinnen und Verbraucher entsprechen, und vor allem – das sage ich auch deutlich – würden wir damit auch dem Wunsch der allermeisten Bäuerinnen und Bauern entsprechen, die diese Technik eigentlich überhaupt nicht haben wollen. Es sind Interessenverbände, die das pushen. Es sind nicht die Bauern, die das tun.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Norwich Rüße (GRÜNE): Sie alle wollen eine Landwirtschaft, die gentechnikfrei wirtschaftet. Wir wollen sie mit unserem Antrag dabei unterstützen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Simone Brand [PIRATEN])

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