Norwich Rüße: „Ihren Nationalismus lehne ich komplett ab, den lehnt auch die Landwirtschaft komplett ab“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zur Landwirtschaftspolitik

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben alle die Demonstrationen verfolgt. Wir haben auch verfolgt, wie Querdenker, Reichsbürger und Ähnliche versucht haben, da aufzuspringen. Insofern war auch klar, dass dann hier ein Antrag der AfD zu genau diesem Thema kommen musste.

Das Schöne ist aber, dass wir feststellen konnten: Die Bauern haben sich genau dagegen massiv gewehrt und dagegen verwahrt, dass solche Leute ihre Interessen zu missbrauchen versuchen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Meine Feststellung ist, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Bäuerinnen und Bauern mit Ihrem völkisch-nationalen Gerede, das Sie auch in diesem Antrag wieder betreiben, überhaupt nichts zu tun haben will. Es gelingt Ihnen nicht, Bauern dazu zu kriegen, Sie zu unterstützen. Sie finden keine Anhänger unter ihnen. Ich weiß, dass es Sie massiv ärgert, dass das so ist. Aber man lehnt Sie dort schlichtweg ab.

Im Kern hat das zwei Gründe. Der Weg der Landwirtschaft in den letzten 70 Jahren ist steinig gewesen. Da sind wir uns wohl auch einig. Wir hatten in den letzten 70 Jahren einen Strukturwandel in der Landwirtschaft, der schwierig war. Aber eines steht auch fest: Das, was in der Bundesrepublik nach 1945 passiert ist, nach der Katastrophe, als Nationalisten dieses Land regiert haben, ist eine Erfolgsgeschichte.

Gucken Sie mal, wie Regionen bei uns wie das Emsland, das nördliche Münsterland oder auch die Eifel sich entwickelt haben. Das waren Regionen, von denen man früher gesagt hat: Das ist ein Armenhaus. Dort kann man wirklich kaum leben. – Alle diese Regionen haben sich in der Bundesrepublik Deutschland positiv entwickelt.

Zur Wahrheit gehört auch – darüber können Sie zum Beispiel mit Herrn Kollegen Nolten diskutieren –, dass es viele kleinbäuerliche Betriebe bzw. Höfe gab, die sich dadurch positiv entwickeln konnten, dass dieses Land auf gemeinsame europäische Märkte gesetzt hat und Arbeitsplätze in der Industrie zur Verfügung standen. Die Bauern hatten ein Einkommen außerhalb der Landwirtschaft und konnten ihre Landwirtschaft im Nebenerwerb betreiben. Man muss es sehr positiv sehen, dass dieser Wohlstand möglich war. Es ist ja auch über das Landwirtschaftsgesetz abgesichert, dass die Landwirtschaft sich parallel zur allgemeinen Wirtschaft entwickeln können soll.

Das alles negieren Sie total. Sie tun so, als sei die Geschichte der Landwirtschaft komplett negativ gewesen. Ja, es gab im Zuge dieses Fortschritts der Landwirtschaft auch negative Entwicklungen – da sind wir ja jetzt in der Debatte auch dran – in der Tierhaltung und in der Umweltbelastung. Das alles wird tatsächlich diskutiert. Da macht die Politik auch wirklich eine Menge.

Ich will aber auch eines sagen: Höfe haben – ich will das mal so formulieren – ein langes Gedächtnis. Ich möchte Ihnen auch erklären, was ich damit meine.

Bei mir zu Hause hängen zwei sehr große, gerahmte Schwarz-Weiß-Bilder. Sie wurden meiner Familie damals von den Nachbarn geschenkt. Diese beiden Bilder – das findet man auch auf vielen Höfen – zeigen junge Bauern, die in den 30er-Jahren nur eines wollten: Sie wollten Bauern werden und ihre Höfe führen.

Und was sind sie geworden? Soldaten. Sie wurden beide eingezogen. Beide sind im Krieg gefallen. Der eine war mein Opa, den ich nie kennengelernt habe. Der andere war mein Großonkel, der den Hof eigentlich hätte führen sollen.

Diese Bilder hängen auf den Höfen, so auch bei mir zu Hause, und sind stete Ermahnung, nie wieder so nationalistisch zu denken, wie Sie es tun, und nie wieder Krieg zu führen, sondern friedlich miteinander umzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Denn das ist – gerade wenn wir in andere Länder gucken – das höchste Gut, das wir haben.

Ich möchte eine Landwirtschaft, die weiterhin mit anderen in Europa zusammenarbeiten kann und Europa gemeinsam weiter nach vorne entwickelt. Ihren Nationalismus lehne ich komplett ab. Den lehnt auch die Landwirtschaft komplett ab.

(Hendrik Schmitz [CDU]: So ist das!)

Das will niemand von uns. Deshalb lehnen wir auch Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

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