Norwich Rüße: „Es wird dringend Zeit, dass sich das wieder ändert und wir zu einer ausgewogenen Verteilung der Gelder kommen“

Zum Haushaltsplan 2022 - Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist der letzte Haushalt, den die Landesregierung vor der Wahl im nächsten Mai vorlegt. Dann ist es auch mal Zeit, Bilanz zu ziehen, was eine Regierung denn gemacht hat. Die Vorrednerinnen und Vorredner haben das genauso gemacht.

Eines will ich Ihnen schon zugutehalten: Ich glaube, dass die letzte Legislaturperiode fünf Jahre mit enormen Herausforderungen umfasste, wenn wir auf die Dürresommer zurückschauen, die die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen erheblich getroffen haben, wenn wir auf das Hochwasser und die damit verbundenen Schadensereignisse zurückschauen – Frau Winkelmann hat es zum Schluss der Rede auch erwähnt –, die wir in solchen Dimensionen noch nicht kannten.

Hinzu kommen die Schäden in den Wäldern durch Borkenkäfer, aufgrund der Dürresommer und aufgrund von Fehlern in der waldbaulichen Gestaltung; das muss man auch ganz klar sagen, das gehört dazu.

Über alledem steht das Thema „Verlust von Biodiversität, Artensterben und bedrohte Artenvielfalt“, das uns seit Jahren begleitet. Ich glaube, wir alle wissen, dass wir in diesem dicht besiedelten Land die Natur erheblich in Anspruch nehmen und teilweise auch über Gebühr belasten. Die Politik hat die Aufgabe, diese Herausforderungen gemeinsam zu meistern.

Zum Thema „Artenvielfalt“ hat Ihr Haus, Frau Ministerin, eine Konferenz durchgeführt. Dazu gibt es mittlerweile viele, viele Studien. Das heißt, es gibt in dem Sinne kein Wissensdefizit mehr. Wir können sehr wohl handeln, auch wenn noch nicht alles bis zum Letzten geklärt ist. Aber wenn wir jetzt nichts tun: Wann wollen wir denn wirklich damit beginnen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann sind wir bei der Frage: Was können wir denn tun? – Einerseits kann eine Landesregierung mit Verordnungen und Gesetzen arbeiten. Das wird sicherlich immer wieder an der einen oder anderen Stelle nötig sein. Sie kann aber auch mit Förderung und mit Unterstützung arbeiten.

Wenn man sich den Haushalt des Einzelplans 10 ansieht, dann stellt man fest, dass die Schwerpunkte, die dort gesetzt werden, eine Schieflage haben, dass sie nicht so gesetzt werden, dass sie die Gesamtheit der Akteure, die wir in dem Umfeld haben, ansprechen und wirklich alle mitnehmen.

Ihre Schwerpunktsetzung, Frau Ministerin und liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ist aus meiner Sicht tatsächlich eine Enttäuschung, und das gerade mit Blick auf die Volksinitiative Artenvielfalt.

Frau Winkelmann, wenn Sie sagen, dass Sie die Ziele teilen, dann ist das, was Sie im Bereich „Naturschutz“ tun, ehrlich gesagt, ein Schlag ins Gesicht der Akteure.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich will das auch noch mal am Titel 686 82 deutlich machen; das betrifft die Finanzierung der Biologischen Stationen. Die liegt jetzt seit Jahren – seit Jahren – bei ungefähr 9,5 Millionen Euro. Da lag sie schon 2017, und da liegt sie jetzt auch wieder. Ich finde, dass das der Lage absolut nicht gerecht wird.

Die Biologischen Stationen brauchen auch neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wenn Sie sich mit denen unterhalten, dann sagen sie: Wir sind als Arbeitgeber absolut nicht mehr interessant, weil wir keinen Zuwachs haben. Wie sollen wir das denn finanzieren? Wir können ja kaum den Ausgleich der Lohnsteigerungen hinkriegen, die wir bei unseren Leuten haben. Wir müssen da kreativ tätig werden. – Das ist absolut nicht in Ordnung. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, diesen Bereich um 5 Millionen Euro aufzustocken.

Frau Winkelmann, tun Sie an der Stelle eines: Sie haben eben gesagt, zur dritten Lesung wollen Sie noch mal aktiv werden. Sie brauchen ja keine 5 Millionen Euro bereitzustellen, aber stellen Sie hier wenigsten 2 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, damit die Biologischen Stationen in ihrer Arbeit gesichert sind. Das wäre mal ein Schritt und ein Zeichen des guten Willens.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ja, Frau Winkelmann, ich werde tatsächlich in dem Zusammenhang kritisieren, dass Sie die Landwirtschaftskammer wieder über Gebühr zusätzlich mit Geldmitteln versorgen. In dem Bereich gab es in den letzten fünf Jahren immer wieder ordentlich was drauf. Das haben Sie jetzt auch gemacht.

Gestern Abend flatterten dann noch zwei Änderungsanträge der Regierungsfraktionen rein. Es gibt noch mal 2,4 Millionen Euro mehr für die Landwirtschaftskammer. Man kann drüber streiten, ob es sinnvoll ist oder nicht, dass die Kammer die Wolfsbetreuung macht. Das ist ja in Ordnung.

Bei den 2 Millionen Euro für den Bereich „Schweinehaltung“ bin ich gespannt. Ich kann so kurzfristig, ehrlich gesagt, kaum entscheiden, ob das sinnvoll ist. Aber 2 Millionen Euro für Beratung? Da wird unglaublich viel erwähnt. Ich bin gespannt, wie Sie das umsetzen wollen.

In der Summe haben Sie in der jetzigen Legislaturperiode 33 Millionen Euro bei der Landwirtschaftskammer draufgesattelt. Das sind 30 % mehr. Wenn Sie das bei den Biologischen Stationen machen würden, müssten Sie analog 2,5 Millionen Euro draufsatteln.

(Zuruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Das tun Sie aber nicht, sondern Sie tun das nur bei der Landwirtschaftskammer. Was Sie hier machen, ist unverhältnismäßig. Das ist wirklich ein Tritt vors Schienbein aller Naturschützerinnen und Naturschützer in diesem Land.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Ministerin, Sie könnten mir jetzt antworten – da würde ich Ihnen sogar zustimmen –: Wir haben im Einzelplan 10 schlichtweg zu wenig Geld. – Das ist tatsächlich ein massives Problem für das Umweltministerium. Das Umweltministerium ist in seiner Gänze aus meiner Sicht – das sage ich immer wieder, und ich werde auch nicht müde, das zu wiederholen – unterfinanziert.

(Beifall von den GRÜNEN)

2002 hatte das Umweltministerium noch 973 Millionen Euro. Das waren 2 % des damaligen Gesamtetats von 48 Milliarden Euro. Für das nächste Jahr sind 1,28 Milliarden Euro veranschlagt. Das sind 1,4 %. Hätten wir noch einen 2%igen Anteil am Gesamtetat, dann hätten Sie als Ministerin 500 Millionen Euro mehr. Das ist eine Summe, mit der man die Herausforderungen, die im Naturschutzbereich bestehen, vernünftig angehen könnte.

Die größte Herausforderung, die wir haben, ist die Frage der Ernährung in diesem Land. Sie haben selbst die Studie zur Ernährung in öffentlichen Kantinen usw. bei der Verbraucherzentrale in Auftrag gegeben. Ich selbst habe dazu jetzt auch etwas gemacht. Wenn wir dieses Thema gemeinsam als Win-win-win-Situation für uns alle im Bereich „gesunde Ernährung“, für die Natur und für die Landwirtschaft im Sinne einer regionalen Vermarktung angehen wollen, dann muss an der Stelle ein Wumms reinkommen.

Das kriegen wir nicht hin mit immer wieder Projekten von 3, 4 Millionen Euro, sondern da muss deutlich mehr passieren, damit wir diese Nachfrage so aus den öffentlichen Kantinen und Mensen erzeugt bekommen und die Landwirtschaft dann entsprechend mit viel Rücksichtnahme auf Natur, auf Tiere diese Güter so produzieren kann, dass gleichzeitig ein gutes Einkommen ermöglicht wird.

(Beifall von den GRÜNEN und Annette Watermann-Krass [SPD])

Frau Winkelmann hat eben den Punkt „Lernen in den Schulen“ erwähnt, dieses kleine Projekt, das jetzt gemacht wird. Das ist ein kleiner Baustein, aber ich habe schon wieder Angst, dass das am Ende versickert. Da sollen 500 Euro pro Schule gegeben werden. Was kriege ich denn mit 500 Euro an einer Schule hin?

Zur Frage des Schulgartens, wer das noch aus der Vergangenheit kennt, gehört immer jemand, der sich dessen annimmt, der diesen über Jahre betreut. Wenn wir das nicht schaffen, dann sind solche Projekte wenig sinnvoll.

Mein Fazit ist – das, finde ich, ist ein Problem –, dass Sie der Landwirtschaft respektive der Landwirtschaftskammer seit Jahren – mit diesem Haushalt auch wieder – ein Zückerchen nach dem anderen hinwerfen und gleichzeitig die anderen Akteure sträflich vernachlässigen. Ich glaube, wir können dem Naturschutzbereich nicht auf Dauer immer nur trockenes Brot geben, wenn wir nicht wollen, dass diese Menschen total unzufrieden sind. Wir haben das beim Landesnaturschutzgesetz, beim Ehrenamt, bei all diese Fragen diskutiert. Ich weiß nicht, wie Sie das abfedern wollen.

Es wird dringend Zeit, dass sich das ein Stück weit wieder ändert und wir zu einer ausgewogenen Verteilung der Gelder kommen, denn ansonsten ist das Gleichgewichtzwischen Landwirtschaft und Naturschutz/Umweltschutz, das wir brauchen, gefährdet. Wir müssen alle Menschen – Bäuerinnen und Bauern, Naturschützerinnen und Naturschützer – zusammenbringen, damit gemeinsam die Ziele erreicht werden, die wir eigentlich alle erreichen wollen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)