Norwich Rüße: „„…es soll auch ein Zuwenig an durchgesetztem Tierschutz einklagbar sein“

Gesetzentwurf der GRÜNEN im Landtag zum Verbandsklagerecht

Portrait Norwich Rüße

 Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ – Das steht in § 1 Tierschutzgesetz; es ist also die übergeordnete Bestimmung.
Was ganz selbstverständlich klingt – was auch selbstverständlich sein sollte –, bleibt in der alltäglichen Praxis leider des Öfteren auf der Strecke. Genau aus diesem Grund hat sich die damalige rot-grüne Landesregierung vor fünf Jahren entschlossen, ein Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine auf den Weg zu bringen, mit dem Tierschutzvereine ein Mitwirkungsrecht erhalten, damit dieser Grundsatz, die Standards des Tierschutzes, tatsächlich eingehalten werden.
Ein ähnliches Klagerecht für Verbände haben wir auch im Naturschutzbereich: Naturschutzverbände können naturschutzrechtliche Bestimmungen einklagen, und sie können auch mitwirken.
Genau das haben wir Tierschutzvereinen auch ermöglicht, und aus unserer Sicht ist es völlig unverständlich, dass es Fraktionen gibt, die das Eine sehr wohl bereit sind zu erhalten und auch gar nicht infrage stellen, nämlich im Naturschutzrecht, aber im Tierschutzrecht dasselbe nicht wollen. Das geht aus unserer Sicht so nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
2013, liebe Kolleginnen und Kollegen, war Nordrhein-Westfalen das erste Flächenland, das in Deutschland ein solches Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine eingeführt hat. Mittlerweile sind acht weitere Bundesländer unserem Beispiel gefolgt. Ich glaube, das zeigt, wie beispielgebend wir damals mit dem Gesetz waren.
Ich will ein Zitat anfügen:
„Mit diesem Gesetz haben wir ein wichtiges Signal für den Tierschutz gesetzt und eine Rechtslücke geschlossen. … Das ist ein weiterer und wichtiger Meilenstein für den Tierschutz.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Zitat stammt nicht von mir oder von Herrn Remmel, dem damaligen Minister in NRW. Es stammt von Peter Hauk, dem Landwirtschaftsminister der CDU in Baden-Württemberg, der genau das gesagt hat, als Baden-Württemberg das Verbandsklagerecht eingeführt hat.
Ich frage mich schon, Frau Ministerin – auch an die CDU gerichtet –: Wie kann das sein, dass in so einer grundsätzlichen Frage in einer Partei eine so gegensätzliche Auffassung bestehen kann? Da muss man doch einen gemeinsamen Weg gehen. Wie kann man da so unterschiedlich handeln, wie Sie hier in Nordrhein-Westfalen und die CDU in Baden-Württemberg?
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Worum geht es konkret beim Verbandsklagerecht? – Ich glaube, der eindrücklichste Fall, den wir gehabt haben, bezog sich auf die Kastenstände. Wir haben an der Stelle ein eindeutiges Urteil gehabt. Wir haben eindeutige Bestimmungen im Tierschutzrecht. Nach Tierschutznutztierverordnung müssen Schweine gleichzeitig ungehindert liegen, aufstehen, sich hinlegen und eine natürliche Körperhaltung einnehmen können.
Wer Kastenstände kennt, die in der Schweinehaltung üblich sind, weiß, dass das im Moment überhaupt nicht der Fall ist. Diese gesetzliche Bestimmung ist von den Behörden vor Ort nicht durchgesetzt worden. Es hätte durchgesetzt werden müssen, aber es ist nicht getan worden.
An der Stelle ist es doch richtig, dass wir sagen: Mit einem Klagerecht können Tierschutzvereine in der Tat auch mal solche gesetzlichen Normen einklagen, die Überprüfung einklagen, ob das umgesetzt wird, ob das vor Ort von den Behörden richtig gehandhabt wird.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Dafür haben wir Behörden!)
–  Ja, das ist doch ein Fehler, dass Sie das sagen. Die Behörden müssten es durchsetzen. Sie tun es nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Die machen das! – Zuruf von Henning Höne [FDP])
Dann ist es doch gut, wenn sich Gerichte darum kümmern.
Sie, Herr Hovenjürgen, sagen wahrscheinlich auch noch, dass es richtig ist, wie die Behörden die Schlachthöfe kontrollieren, und da haben wir in den letzten Wochen auch gesehen, dass die Behörden teilweise nicht richtig handeln und dass es zu Fehlverhalten kommt.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Henning Höne [FDP]) Dafür sind Gerichte da, so etwas zu kontrollieren und nachzuvollziehen.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hovenjürgen?
Norwich Rüße (GRÜNE): Selbstverständlich, immer.
Vizepräsident Oliver Keymis: Sehen Sie: Das kommt davon, wenn man ihn anspricht. – Bitte schön, Herr Hovenjürgen.
Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Präsident, herzlichen Dank. – Sehr geehrter Kollege Rüße, danke, dass Sie die Frage zulassen. Darf ich jetzt Ihre Äußerung dahingehend werten, dass Sie unseren Behörden, dass Sie den Veterinärämtern, keinerlei Kompetenz zubilligen,
(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)
das zu bewerkstelligen, was hier an Aufsicht notwendig ist?
(Andreas Keith [AfD]: Das mit dem Koalitionspartner üben wir noch!)
Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, lieber Kollege Hovenjürgen, für Ihre Frage. Ich will die auch gerne beantworten. Ich könnte es mir ganz einfach machen, weil Sie das Wort „keinerlei“ eingefügt haben, und das ist natürlich eine Unterstellung.
Natürlich habe ich ein Vertrauen, ein grundsätzliches Vertrauen darin, dass unsere Veterinärämter – um die geht es da ja im Regelfall – eine durchaus vernünftige Arbeit leisten.
Wenn ich aber sehe, dass wir seit 2006 in der Schweinehaltungsverordnung genau diese Thematik drin haben, Kastenstände, dass sie längst hätte umgesetzt werden müssen, es aber vor Ort nicht passiert, dann sehe ich doch einfach, dass die Behörden es nicht korrekt machen.
Wenn ich die Bilder sehe, Herr Hovenjürgen, von den Schlachthöfen – die können Sie sich ja auch mal angucken –, wenn ich dann erfahre, dass Veterinärkontrolleure nicht nur nicht ihre Arbeit machen, nämlich die Kontrolle durchführen, sondern sogar noch behilflich sind bei Tierschutzverletzungen, dann, Herr Hovenjürgen, darf ich mir doch schon die Frage stellen, ob immer alle Veterinäre und Veterinärkontrolleure richtig und sauber arbeiten.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ich bin auf das Protokoll gespannt!)
–  Wir, Herr Hovenjürgen, haben klar gesagt: Es soll nicht jemand nur klagen können gegen ein Zuviel an Tierschutz, sondern es soll auch ein Zuwenig an durchgesetztem Tierschutz einklagbar sein.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben seinerzeit düsterste Prophezeiungen gemacht. Sie haben gesagt: Es wird eine Klagewelle geben. Die forschenden Pharmaunternehmen aus Nordrhein-Westfalen werden sich abwenden und woanders hingehen. – Das alles ist nicht eingetreten. Ihre Befürchtungen sind doch falsch gewesen.
Daher könnten Sie sehr gut unserem heutigen Antrag „einjährige Verlängerung“ zustimmen. Dabei würden Sie überhaupt nichts verlieren.
Weil es diese Klagewelle nicht gegeben hat – da könnte man die Menschen in Nordrhein-Westfalen mal fragen –, versteht niemand, warum Sie dieses Gesetz nicht verlängern wollen. Es ist unbegreiflich.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Markus Diekhoff [FDP])
–  Ja, es gibt einige, die genau wollen, dass das Verbandsklagerecht wegkommt; das weiß ich sehr wohl. Aber in der breiten Mehrheit werden die Menschen Ihnen sagen: Erhalten Sie dieses Verbandsklagerecht, damit der Tierschutz in Nordrhein-Westfalen durchgesetzt werden kann.
Ich will ein Letztes sagen, an die Frau Ministerin Heinen-Esser gerichtet: Die Evaluation kommt jetzt, ist versprochen für den Dezember. Ich finde, dass das im parlamentarischen Umgang miteinander so nicht geht. Eine Evaluation muss von den beteiligten Fraktionen auch gemeinsam gelesen werden können, nachvollzogen werden können. Man muss auch noch einmal recherchieren können.
Deshalb machen wir Ihnen heute das Angebot, um ein Jahr zu verlängern. Wir wollen eigentlich grundsätzlich die Entfristung, aber im Umgang hier miteinander wäre es richtig, wenn Sie mit uns zusammen diesen Weg gehen würden, damit wir dann noch einmal gemeinsam in Ruhe überlegen können, ob dieses Gesetz nicht doch der richtige Weg ist, hier in Nordrhein-Westfalen den Tierschutz durchzusetzen, mehr für die Tiere hier zu tun. – Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

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